Du lebst für diesen Job
Die gebürtige Österreicherin Alexandra Stampler-Brown führt seit 2014 die Geschäfte der Deutschen Oper am Rhein. Ihr Ziel: Erfolg durch Erneuerung. Die vergangene Saison hat gezeigt, dass ihre Pläne Erfolgsrezepte sind.
Ließe sich die Düsseldorfer Opernchefin mit einer Oper vergleichen, wäre es vielleicht Felix Mendelssohn-Bartholdys „Sommernachtstraum“: lebhaft, Freude ausstrahlend, positiv, ideenreich. Alexandra Stampler-Brown kommt zum Foto- und Interviewtermin im Opernhaus an der Heinrich-Heine-Allee im leuchtend blauen Kleid, strahlt bei der Begrüßung über das ganze Gesicht und ist zu allerlei Scherzen aufgelegt – mit der Fotografin, der Pressesprecherin, dem Bühnenpersonal – eigentlich jedem, dem wir auf dem Weg durch die Gänge begegnen.
„Du lebst für diesen Job“, sagt Stampler-Brown im Gespräch. Beobachtet man sie auf dem Weg durch die Oper oder wenn sie über Oper und Ballett spricht, glaubt man ihr diesen Satz sofort. Über 580 Menschen arbeiten mit und für Stampler-Brown, die seit 2014 geschäftsführende Direktorin der Deutschen Oper am Rhein ist. Seit sie antrat, hat die Österreicherin schon viel bewegt.
Oper neu denken – das ist Teil ihres Konzepts für die 50 Jahre alte Oper am Rhein. Dazu scheint für Stampler-Brown zunächst nicht so sehr die Neuerung in der Musik zu gehören, sondern vielmehr neue Marketingstrategien, neue Ticketpreise, neues Image nach außen. So bekam die Rheinoper in der vergangenen Spielzeit ein neues Preissystem, das klar Stampler-Browns Handschrift trägt. „Neue Preise, neuer Saalplan – all das haben wir erst in Düsseldorf und in dieser Saison in Duisburg umgestellt – das funktioniert toll und das freut mich“, sagt die Opernchefin. Die wachsenden Zuschauerzahlen der vergangenen Saison geben ihr da recht.
Beim Marketing setzt die Opernchefin auf neue Medien. Weniger Gedrucktes, mehr online. Dazu gehört auch die ständige Fütterung des eigenen YouTube-Kanals „Deutsche Oper am Rhein“. Dort sorgen kleine Videos der Jungen Opern Rhein-Ruhr für Schmunzeln und die Reihe „30 Seconds of …“ gibt den potenziellen Zuschauern in Kürze Einblicke in die Aufführungen im Opernhaus. Kleine Appetit-häppchen sozusagen. Zudem ist die Rheinoper Teil der Plattform „OperaVision“. Bei dem EU-Projekt wirken 29 Kulturhäuser aus 17 Ländern mit. Die digitale Bibliothek, unterstützt von der EU, bietet neben Geschichten und Artikeln Opernaufführungen on demand und im Livestream. Aus Düsseldorf sendet die Rheinoper ihre Aufführungen so in die EU und letztlich in die gesamte Welt. Zuletzt etwa die Aufführung der „Schneekönigin“.
Bei all diesen Initiativen kann Stampler-Brown auf ihre Erfahrung vergangener Jobs zurückgreifen. Nach ihrem Master of Business Administration in Culture Management in Edinburgh arbeitete sie viele Jahre in der dortigen Theaterszene. Zuletzt, bevor sie die Leitung des Stadttheaters in Klagenfurt übernahm, arbeitete sie für eine Agentur, die Schottlands Theater im Marketing unter die Arme griff. Sie erarbeitete Konzepte, definierte Zielgruppen, erregte Aufmerksamkeit für die Kulturhäuser und überdachte Preissysteme, Kurzum: entschlackte und modernisierte. Erfahrungen, die ihr noch heute in Düsseldorf nutzen, alte Gewohnheiten zu durchbrechen und Oper tatsächlich neu zu denken.
Gleichzeitig kämpft Stampler-Brown mit allerhand Widrigkeiten. Neben den üblichen Sparvorgaben sind das vor allem Probleme, die mit dem Alter des Düsseldorfer Opernhauses zu tun haben. „Für mich ist das ein Thema, das sicher die Hälfte meiner Zeit in Anspruch nimmt“, sagt Stampler-Brown. Zum einen das deutlich in die Jahre gekommene Gebäude: Es gibt zu wenig Platz im Haus für alle Mitarbeiter, die Rheinoper mietet bereits in der näheren Umgebung Büros. Es gibt sehr begrenzte Probenmöglichkeiten und die Bedingungen sind teils nur schwer mit den modernen Anforderungen an die Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Sei es die Bürogröße oder Tageslicht am Arbeitsplatz.
Die Zukunft des Gebäudes, in dem die Deutsche Oper heute zu Hause ist, wird in der Politik derzeit besonders lautstark diskutiert. Soll es eine nachhaltige Sanierung mit Umbau oder einen Neubau geben – möglicherweise sogar im Medienhafen? Entschieden ist noch nichts. Stampler-Brown zeigt sich offen für alle Lösungen. Das wichtigste für sie: „Dass die Oper weiterspielen kann.“
Während der mangelnde Platz für die Mitarbeiterschaft dem Düsseldorfer Publikum in der Regel verborgen bleibt, gibt es aber auch sehr sichtbare Baustellen. Vorneweg die marode Bühnentechnik, die längst hätte saniert werden müssen. Die Probleme mit der Technik gipfelten am 31. Mai 2018 in einem Totalausfall. Die Aufführung der Verdi-Oper „Rigoletto“ war gerade halb gespielt, da versagte die gesamte Bühnenmaschinerie. Nichts ging mehr. Die Künstler
machten konzertant vor dem Vorhang weiter. Am 29. Juni musste dann wegen eines Defekts am Kulissenaufzug sogar eine Vorstellung von Benjamin Brittens „Peter Grimes“ komplett ausfallen. Ein Desaster für die Oper. „Eine Absage darf es einfach nicht geben“, sagt Stampler-Brown. „Das ist ein absolutes No-Go.“
Eine frustrierende Situation für die Opernchefin. Vor allem, da das Geld für eine Sanierung im Grunde zur Verfügung stand. Allerdings hatte der Stadtrat erst Anfang Mai den nötigen Arbeiten zugestimmt. Diese sollten in der Sommerpause stattfinden. Viel zu spät, wie sich dann schon Ende Mai zeigte. Die Ausschreibung blieb jedoch ohne Erfolg. Es fand sich laut Stadt kein Unternehmen, das die Arbeiten zu den gestellten Bedingungen übernommen hätte. Die Umbauten im Sommer entfielen. Deswegen lebt die Oper derzeit mit dem Status quo. „Wir versuchen immer noch zu retten, was zu retten ist“, sagt Stampler-Brown. „Wir sind wirklich gut im lösungsorientierten Arbeiten – und in der Improvisation."
Im Herbst folgte nun eine neue Ausschreibung. Die Opernchefin ist zuversichtlich, dass nun ein passendes Unternehmen in der Sommerpause 2019 endlich die technische Erneuerung erledigen wird. Damit genug Zeit ist, wurde die aktuelle Spielzeit extra um zwei Wochen verkürzt. Stampler-Brown scheint auch bei all diesen Widrigkeiten positiv zu bleiben. Die Opernchefin ist nichtsdestotrotz sichtlich stolz auf ihr Haus. Beim Blick auf die Zahlen kann sie das auch. In der Spielzeit 2017/2018 konnte sie rund sieben Prozent höhere Einnahmen durch Kartenverkäufe verbuchen, rund sechs Prozent mehr Zuschauer verzeichneten die Häuser in Duisburg und Düsseldorf. Und in der laufenden Spielzeit präsentiert sich die Rheinoper ebenfalls mit einem durchaus dicken Programm. Elf Opern feiern in der aktuellen Spielzeit Premiere, es gibt sieben Ballettabende mit 18 Choreografien und 19 Wiederaufnahmen von bereits gezeigten Inszenierungen. Hinzu kommen zudem noch spezielle Produktionen für junges Publikum, Galakonzerte und zahlreiche Sonderveranstaltungen.
Allerdings bekommen das Haus und seine Künstler nach Meinung der geschäftsführenden Direktorin nicht immer die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätten. „Ich wünsche mir, dass Düsseldorf noch stärker wertschätzt, was es bedeutet, in der eigenen Stadt Hochkultur auf einem so hohen Niveau wie bei uns anbieten zu können", sagt Stampler-Brown. Das werde von vielen nicht genügend respektiert. „Wir sind hier A-Liga“, sagt die Opernchefin mit Nachdruck in der Stimme. „Egal an welchem Abend man kommt, man sieht Topleute auf der Bühne. Und ich wünsche es mir, dass das ankommt und noch deutlicher kommuniziert und wertgeschätzt wird.“
In ihrer Begeisterung für die Rheinoper schwingt sehr viel Leidenschaft mit – nicht nur für die Arbeit als Geschäftsführerin des Hauses, sondern für die Musik als Kunstform. Der Lieblingsort der Chefin innerhalb der Oper: ihre Loge. Dort habe sie schon so viele wunderbare Erlebnisse gehabt. In der Woche sieht sie im Schnitt zwei Aufführungen im eigenen Haus. Ihre Leidenschaft verwundert nicht, weiß man, dass Stampler-Brown selbst Musikerin ist. Seit ihrer Kindheit spielt sie Violine, mit der Familie in der Steiermark wird noch immer Hausmusik gemacht. Als sie nach dem Jurastudium einige Jahre in Jakarta lebte und arbeitete, unterrichtete Stampler-Brown sogar ein Streichorchester. Heute spielt sie noch zwei Mal im Monat mit einem Streichquartett. „Musik ist für mich beruflich wie privat etwas Bereicherndes“, beschreibt die Opernchefin ihre Verbindung zu den Harmonien.
„Ich möchte konkrete Ziele vereinbaren“, sagt Stampler-Brown. Dazu zählen für sie auch Weiterbildungsmöglichkeiten, bessere Bedingungen am Arbeitsplatz und die Nachwuchsförderung. All das, was einen modernen Arbeitgeber heute definiert. „Ich möchte die nächste Generation heranwachsen sehen“, sagt Stampler-Brown. In den vergangenen Jahren hat die Rheinoper diesen Wandel bereits begonnen und etwa die Zahl der Auszubildendenstellen verdoppelt. „Das ist bitter nötig, denn um 2022 wird in manchen Abteilungen die Hälfte der Mitarbeiter in Rente gehen. Am Arbeitsmarkt finden wir die gewünschten Mitarbeiter nicht. Also müssen wir selbst aktiv werden.“
Stampler-Brown ist sich sicher: „Wir werden als Opernhaus noch wichtiger werden.“ Auf die Frage nach ihrer persönlichen Zukunft ab 2022 lacht sie nur fröhlich und weicht aus. „Gesund bleiben.“ •
Name Alexandra Stampler-Brown
Job Opernchefin
Firma Deutsche Oper am Rhein
Autor: Katja Joho
Fotos: Judith Wagner