Back to the Office?

Das Büro in der (Sinn)krise: Remote Work erfordert eine neue Architektur des Arbeitens und hybride Modelle aus digitaler und physischer Präsenz. Auch in Zukunft wird es noch feste
Arbeitsräume geben. Nur nicht so, wie wir sie kennen.

Dai Ueda, Director Genereal of JETRO Düsseldorf

Dai Ueda, Director Genereal of JETRO Düsseldorf

Das vergangene Jahr hat das Konzept Büro komplett in Frage gestellt. Das Office ist nicht mehr der Ort, an dem wir 40 Stunden in der Woche verbringen. Arbeit und Wohnen wurden eins. „Hoffice“ nennt das Deutsche Zukunftsinstitut diesen Trend der Verschmelzung von Zuhause und Büro. Ein Begriff, der in der pre-pandemischen Sharing-Economy vom Schweden Christofer Gradin Franzen erfunden wurde – und ein Co-Working-Modell in den eigenen vier Wänden beschreibt, bei dem sich Fremde vernetzen, austauschen und gegenseitig motivieren. Für die Zukunft durchaus wieder denkbar.

Individuelle Flexibilität und maximale Produktivität schließen sich nicht aus.

Digitale Technologien machen es zwar schon lange möglich, von jedem Ort der Welt zu arbeiten. Diese Möglichkeiten wurden vor Corona aber nicht wirklich ausgeschöpft. Das durch die Pandemie aufgezwungene „Experiment“ Homeoffice erwies sich nun als erfolgreich und wie bei jeder Transformation gibt es kein „Zurück“ mehr. Das Homeoffice hat unwiderruflich verändert, wie wir arbeiten. Tech-Riesen wie Twitter, Facebook und Google wollen Mitarbeitern bereits ermöglichen, für immer von zu Hause zu arbeiten. Selbst Institutionen wie die Deutsche Bank planen, künftig 40 % ihrer Mitarbeiter in Heimarbeit zu schicken. Mehr Flexibilität bei sinkenden Bürokosten für CEOs, mehr Flexibilität bei mehr Freizeit für die Mitarbeiter – offenbar eine Win-Win-Situation. Auch in Sachen Recruiting birgt Remote Work Chancen: Spezialisten können deutschlandweit eingestellt werden, wenn sie an nur wenigen Tagen in die Zentrale müssen. Zurzeit liegt die Belegung von Büros laut Studien bei 20 bis 30 %. Unternehmerische Strategien für Arbeitsweisen der Zukunft müssen also dringend her. Telefónica Deutschland hat bereits im vergangenen August mit fünf entscheidenden Schritten die Zusammenarbeit der Zukunft definiert: Die 8.500 Mitarbeiter sollen sukzessive arbeiten können, wo es für sie am produktivsten ist und ihre Arbeitszeit selbstbestimmt von 6 bis 23 Uhr nach eigenen Bedürfnissen und Biorhythmen gestalten. Im Fokus der Führung steht das Ergebnis, und nicht wo und wann es zustande kommt. Dazu werden virtuelle Meetings zum neuen Standard und Reisen um 70 % verringert – eine wegweisende Stoßrichtung in das New Normal, in dem digitale Arbeitsweisen, individuelle Flexibilität und maximale Produktivität sich nicht ausschließe

Angetreten für mehr Klimaschutz und Wertschöpfung: Das Team „DüsselRheinWupper“ hat den Landeswettbewerb zur Wasserstoff-Mobilität gewonnen.

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73 % der Remote worker vermissen die soziale interaktion.

Doch Homeoffice birgt nicht nur Vorteile. Routinearbeiten funktionieren remote reibungslos. Innovationsprozesse und Veränderungsprojekte allerdings deutlich schlechter. Schuld sind oft Isolation, fehlende Motivation und Ablenkung sowie die fehlende Kollaboration und Kommunikation mit Kollegen. Längst gibt es in Großunternehmen mit „Chief Remote Officers“ Beauftragte für die Fernarbeit, die die Loyalität und Verbundenheit innerhalb der Firma aufrechterhalten sollen. Laut einer Studie des Fraunhofer Instituts vermissen 73 % der befragten Remote Worker die soziale Interaktion, 51 % die direkte Zusammenarbeit und 40 % die Trennung zwischen Beruf und Privatem. Die Lösung sind hybride Modelle, die Arbeit sowohl von zu Hause als auch im Büro kombinieren. Als Dropbox im vergangenen Oktober bekannt gab, dass es zu einem Virtual-First-Unternehmen wird und Remote Work zur Basis für alle Mitarbeiter, verkündete es auch die Schaffung von spezifischen Räumen für die Zusammenarbeit. An verschiedenen Orten – so genannten Studios – will das Tech-Unternehmen das Community-Building anstelle von isolierter Einzelarbeit vorantreiben. Austausch motiviert und inspiriert. Coworking Spaces – privat oder öffentlich – als Alternative zum Homeoffice erfahren einen weltweiten Boom, zeitgleich steigt durch die wachsende Dezentralisierung von Büros die Nachfrage von Unternehmen nach risikoarmen, skalierbaren flexiblen Arbeitsräumen. Eine Überschneidung der beiden durch Corona beschleunigten Trends Remote Working und Landflucht zeigt das Aufkeimen von Coworking-Spaces auch außerhalb des urbanen Raums.

Wo neue Klimaschutzideen reifen sollen: der EUREF-Campus Düsseldorf

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„Unternehmen müssen ihre Kultur erhalten, um erfolgreich zu sein.“

Was suchen wir also in Zukunft noch im Büro? Geht es nach den Office-Spezialisten von Vitra sind es Kollaboration, Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Gerade weil die Entscheidung für das Büro künftig bewusst getroffen wird, sollten die Arbeitnehmer sich dort wohlfühlen. „Das Büro hat seine Berechtigung, weil die physische Zusammenarbeit der Mitarbeiter Unternehmenskultur und Identifikation prägt. Und Unternehmen müssen ihre Kultur erhalten, um erfolgreich zu sein“, sagt Britta von Lackum, Specialist Workplace Development bei Vitra. Das Büro durchlebe aber eine Evolution im Raum. Es sei nicht mehr sinnvoll, das Büro als zweiten Wohnort zu verkleiden und so auszurichten, dass die Mitarbeiter möglichst lange dort verweilen. Stattdessen hat Vitra eine Office-Lösung für postpandemische Wissensarbeit im Shared-Workspace-Modus entwickelt: das Club Office. Das Büro als aufregenden Raum, für den Menschen das Homeoffice gerne verlassen. Als Plattform, die ein Gefühl von „Heimat“, von Zugehörigkeit und Identität entstehen lässt, so wie ein Vereinshaus. Als Herz eines Unternehmens, das Kooperation und Innovation auch in Zeiten von Abstandsregeln fördert – mit Kreativworkshops, Einzelgesprächen und Team-Veranstaltungen. 

Drei Zonen kennzeichnen für Vitra das Büro der Zukunft: Der Public-Bereich für Austausch und Rückzug, ein halböffentlicher Bereich für Zusammenarbeit und non-territoriale Arbeit und private Räume für ein individuelles und fokussiertes Arbeiten. Im Gegensatz zum Open Office gibt es um Club Office keine festgelegten Schreibtische, sondern Werkstätten, offene Areas für Workshops und Meetingräume, einen großen Stammtisch für Besprechungen und soziale Areas wie Garten, Bar oder Bibliothek, in der man sich auch frei von digitalen Reizen mit Kollegen austauschen kann. Um dann zur konzentrierten repetitiven Arbeit wieder ins Homeoffice zu entschwinden. •


HOFFICE - Regeln

• Coworking zu Hause: Ziel von Hoffice ist, Ideen mit anderen zu teilen und möglichst zu sein .
• Coworker finden sich online in sozialen Netzwerken zusammen.
• Das Arbeiten beim Host ist kostenlos, für Kaffee und Getränke darf gespendet werden.
• Voraussetzung fürs Hosting: WLAN, Steckdosen, ein Raum fürs Telefonieren und genügend freie Arbeitsfläche.
• Jeder Hoffice-Tag beginnt mit einer kurzen Vorstellungsrunde, in der jeder Teilnehmer seine Tagesziele definiert.
• Gearbeitet wird 45 Minuten am Stück, in den 15-minütigen Pausen tauschen sich die Coworker aus.
• Co-working at home: The goal of “Hoffice” is to share ideas with others and be as productive as possible.


Words Karolina Landowski