Building simply

Nachhaltige Transformation ist derzeit eins der herausforderndsten Themen, auch im Bauwesen. Nachhaltiger Wohnungsbau muss bezahlbar sein – aber wie? VIVID sprach mit Expert:innen zu Lösungen. 


Schon als Student der Architektur interessiert sich Prof. Dr. Eike Musall für Energiesparendes Bauen. Während seiner Promotion zum Thema nimmt er an dem Studierendenwettbewerb „Solar Decathlon Europe“ teil, in dem der Bau eines hocheffizienten Gebäudes im Mittelpunkt steht, das seinen Energiebedarf ausschließlich mit selbstproduzierter Solarenergie deckt. Vor sechs Jahren übernimmt er eine Professur im Fachbereich Architektur an der Hochschule Düsseldorf (HSD). Als der „Solar Decathlon Europe 21/22“ nach Wuppertal kommt, bewirbt sich Eike Musall erneut mit einem Team aus Mitarbeitenden und Studierenden aus allen sieben Fachbereichen der HSD. 

„Ziel unseres Projekts MIMO (Minimal Impact Maximum Output) war es, mit Studierenden aus wissenschaftlicher Perspektive die Themen energiesparendes und nachhaltiges Bauen anzugehen und physisch zu bauen“, erklärt Eike Musall. In dem vom Land NRW geförderten Folgeprojekt „Living Lab NRW“ wohnen Studierende und Probanden in MIMO zu Lehr und Forschungszwecken, um anhand von im Haus verbauten Zählern dessen Energieeffizienz und Raumkomfort zu untersuchen. 

Teilnehmerin des Workshops „Kreislaufwirtschaft Materialressource – Ein Baustofflager für Düsseldorf“, der im Juni 2024 im Living Lab Campus NRW in Wuppertal stattfand. 

Ein weiteres Projekt, das im Fachbereich Architektur aus MIMO entstanden ist, ist die „Kooperationsplattform CO2Bau“. Hintergrund: Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft rief dazu auf, Netzwerke zu bilden und gemeinsam Ideen im Bereich Nachhaltigkeit zu forcieren und voranzutreiben. „Im Bauwesen haben wir es insgesamt mit einer hohen Komplexität zu tun, müssen zahlreiche Hürden überwinden, weil es viele verschiedene Interessenslagen gibt. Daher hatten wir die Idee, aus dem interdisziplinären MIMO-Projekt eine Kooperationsplattform entstehen zu lassen, die diese Hemmnisse ausfindig macht, damit wir sie gemeinsam analysieren und abbauen können. Ein Schritt ist, im Großraum Düsseldorf ein Bauteillager zu etablieren“, erklärt Eike Musall. Hier soll Material aus dem Rückbau oder Umbau von Gebäuden, das normalerweise auf dem Müll landet, gelagert werden, damit es später in Gebäuden wiederverwendet werden kann. 

Prof. Dr. Eike Musall setzte mit einem Team aus Mitarbeitenden und Studierenden aus allen sieben Fachbereichen der HSD das Projekt MIMO um. Das Ziel: energiesparendes und nachhaltiges Bauen. 

Wie schätzt Musall insgesamt die Möglichkeiten ein, gleichzeitig nachhaltig und kostensparend zu bauen und somit bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? „Ein Aspekt beim nachhaltigen Bauen ist die Suffizienz“, erklärt er. Suffizient bauen bedeutet, ganz bewusst und sparsam zu planen, Bedürfnisse und Gewohnheiten zu hinterfragen. „Wir leben in Deutschland auf extrem viel Fläche. Die Frage ist: Können wir uns auf weniger fokussieren? Zudem sind wir hierzulande gewohnt, dass jedes Kabel, jedes Rohr unter Putz verlegt wird; auch Schallschutz und Barrierefreiheit sind ein Thema – die nicht jede Wohnung zwingend erfüllen muss“, erklärt er. Eine Idee in diesem Zusammenhang sind die Bestrebungen nach Gebäudetyp E, ein innovativer Ansatz für kostengünstiges Bauen. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat sich – zusammen mit den Partnern aus dem Bündnis bezahlbarer Wohnraum – das Ziel gesetzt, den Wohnungsbau einfacher, schneller und effizienter zu machen. Insgesamt brauche es Unterstützung von Seiten der Politik über stabile und dauerhafte Fördermöglichkeiten, damit Planbarkeit entsteht. 

Manchmal reicht es aber schon, die für uns heute gängige Ausstattung auf den Prüfstand zu stellen. Dass man an der durchaus sparen kann, ohne auf Komfort zu verzichten, weiß Thorsten Ehrich, Gründer und Geschäftsführer von EHRICHarchitekten. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, für jedes architektonische Thema eine möglichst wirtschaftliche, ästhetische und nachhaltige Lösung zu entwickeln. Spezialisiert ist er auf Revitalisierung, Umbauten und Gebäude mit Denkmalschutz. Thorsten Ehrich fällt auf, dass die Stadt Düsseldorf sehr kooperativ ist bzw. dazu animiert, Bestände wertig umzubauen. Wie nachhaltig das ist, wissen auch immer mehr Bauherren. „Bei allen Nachhaltigkeitsthemen ist es wichtig, auf den gesunden Menschenverstand zurückzukommen. Was verlange ich eigentlich der Umwelt und meinem Umfeld ab? Das ist beim nachhaltigen Bauen nicht anders“, erklärt Ehrich. 

Das Ziel in der Inneneinrichtung von MIMO war, möglichst viele nachhaltige und vor allem wiederverwertbare Materialien zu verbauen. 

Aus wissenschaftlicher Forschung wird ein physisches Haus: MIMO soll ab 2026 auf den Campus der HSD umziehen. 

Wichtig sei die Frage nach dem Standard, den man etablieren wolle. „Natürlich kann man in jeden Wohnraum die modernste Technik einbauen – oder entscheiden, dass eine Steckdose in jeder Ecke ausreichen kann. Es geht darum, nur Features umzusetzen, die ich tatsächlich benötige, um kostengünstiger zu bleiben.“ 

Beim Einsatz der Materialien plädiert er zudem für ein ästhetisches Umdenken. „Wände müssen nicht immer tapeziert sein. Wenn man rauen, leicht unebenen Putz in der Toskana sieht, findet man ihn romantisch. In Deutschland empfindet man ihn als Mangel.“ Es geht ihm um Haltung – und er wünscht sich mehr Natürlichkeit als eine Art Gegenbewegung zu einer ästhetischen Künstlichkeit. 

Thorsten Ehrich, Gründer und Geschäftsführer von EHRICHarchitekten, weiß, dass man an Ausstattung sparen kann, ohne auf Komfort zu verzichten. 

Bezahlbarem Wohnraum stünden dennoch die derzeit sehr hohen Immobilienpreise im Wege, die sich letztendlich auch auf die veranschlagte Miete auswirkten. Aber auch hier gibt es Ausnahmen – wie ein Kunde Ehrichs, ein institutioneller Bauherr, der faire Mieten aufrufen kann, weil er Gebäude im Bestand behält. Ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig es wäre, den Wohnungsbau wieder vermehrt in die Hände der Städte und Kommunen zu geben. 

Auch den Ansatz „Gebäudetyp E“ sieht Ehrich als zukunftsträchtig an. „Ich bin viel in Holland und sehe dort häufig, dass Leitungen und Rohre nicht unter Putz liegen. Als ich einen Freund fragte, warum man hier so billig baue, sagte er, dass das Gegenteil der Fall sei und man sich daher kostengünstige Alternativen überlegt habe. Holländer arbeiten, um zu leben – im Gegensatz zu uns Deutschen. Wir wollen oft einen Komfort etablieren, den wir uns eigentlich nicht leisten können“, so Thorsten Ehrich. 

Thorsten Ehrich und sein Team sind spezialisiert auf Revitalisierung, Umbauten sowie Gebäude mit Denkmalschutz und bemühen sich, möglichst den Charme einer alten Bausubstanz zu erhalten. 

Cornelia Zuschke, Beigeordnete für Planen, Bauen, Wohnen und Grundstückswesen der Landeshauptstadt Düsseldorf, macht vor allem die hohen Bodenpreise dafür verantwortlich, dass die Kosten des Wohnungsbaus in den letzten Jahren in die Höhe geschossen sind. Hier möchte die Stadt ansetzen: ein Vorkaufsrecht bei Grundstücken ausüben, um die Spekulationsschraube zu stoppen, aber auch bei der Einlage von eigenen Grundstücken, z. B. in Töchterunternehmen oder Kooperationsmodellen. Zuschke lobt zudem großzügige Förderprogramme des Landes NRW, zum Beispiel für das geförderte Mietsegment in beiden Förderwegen A und B, erwähnt aber auch das städtische „Impulsprogramm Wohnungsbau” für das mittlere Mietsegment bei Miet- und Eigentumswohnungen. Einen weiteren Fokus lege man auf eine Entbürokratisierung und Unterstützung im Genehmigungswesen bei Um- oder Ausbauten und arbeite mit der Architektenkammer und deren Mitgliedern an kreativen Beratungsangeboten; ebenso geht man neue Wege bei der Identifizierung und damit Beschaffung von Flächen für Bauherren. Vielversprechende Ansätze, die bezahlbaren Wohnungsbau in der Landeshauptstadt auf den Weg bringen. In Düsseldorf wird er dringend benötigt! 

From the promotion of new construction and creative conversion of existing buildings to renaturation, networked micro-mobility and intelligent car park management: Düsseldorf is constantly changing to remain one of the most attractive and liveable cities in the world. This change is characterised above all by sustainability (see p. 12) and focuses on the different needs of all genders, age groups and cultures (see p. 62). Because Düsseldorf is "One City for All". • 


Words: Tom Corrinth
Pictures: PR, In-LUST, Jennifer Burgmann, In-LUST, Jennifer Burgmann, Eike Musall Privat, eam MIMO, Marvin Hillebrand, EHRICHarchitekten , Martina Ferrera, Martina Ferrera