Each Piece Is Unique
Ein analoger Anker in digitalen Zeiten: In der Kunstgießerei Schmäke werden bereits in der fünften Generation individuelle Kunstwerke modelliert, gegossen und montiert. Das wissen auch zahlreiche Weltstars zu schätzen.
Wer das auf den ersten Blick unscheinbare Betriebsgelände in Oberbilk betritt, wird zunächst nicht vermuten, dass dort auch Werke von weltberühmten Künstlern und Künstlerinnen angefertigt werden – von Tony Cragg und Jörg Immendorff über Leon Löwentraut und Markus Lüpertz bis hin zu Luise Kimme und Eva Hild. „Jedes Werk trägt eine andere Handschrift durch einen anderen Künstler. Das macht unsere Arbeit so interessant und abwechslungsreich, sagt Prof. h. c. Karl-Heinz Schmäke. Er ist Seniorchef des rund 30-köpfigen Teams der Kunstgießerei Schmäke und hat auch viele Jahre sein Fachwissen als Dozent an der Kunstakademie Düsseldorf weitergegeben. Seit der Gründung im Jahr 1926 hat sich das Düsseldorfer Familienunternehmen Schmäke ein internationales Renommée in der Gießkunst erarbeitet. Viele namhafte Künstlerinnen und Künstler und Vertreter:innen von Museen, Städten und Gemeinden sowie Kirchen vertrauen auf diese Fertigkeiten. Auch das Düsseldorfer Stadtbild wird an vielen Stellen davon geprägt, z. B. auf der Königsallee mit dem Bergischen Löwen oder hinter dem Rathaus mit dem Wappenlöwen.
„Jedes Werk trägt eine andere Handschrift durch einen anderen Künstler.“
Die Grundlage für das Gießen bildet immer ein Modell des Künstlers oder der Künstlerin – entweder kleiner oder maßstabsgetreu. Daraus wird in der Kunstgießerei Schmäke zunächst eine Negativform gebaut. Anhand der Negativform wird das Wachspositiv erstellt. Dieses wird dann in eine feuerfeste Masse eingegossen, wo es anschließend ausgeschmolzen wird. In die verbliebenen Hohlräume wird im nächsten Schritt Bronze oder aber Aluminium gegossen. Nach dem Erkalten des Bronze- bzw. Aluminiumguss geben die sogenannten Ziseleure den Kunstwerken dann noch den letzten Schliff in der Werkstatt. Zum Full-Service von Schmäke gehören schließlich auch der Transport und die Montage des Objektes vor Ort – wo auch immer das auf der Welt sein mag. Ebenfalls zum Leistungsspektrum zählen die Restaurierung von Kunstobjekten, etwa aus Museen.
Auf diese Weise hat die Kunstgießerei Schmäke schon zahlreiche Werke mit internationaler Strahlkraft hergestellt. Zu den imposantesten gehört sicherlich der 18 Meter hohe und 8,2 Tonnen schwere Aluminium-Herkules von Kunst-Genie Markus Lüpertz. Er steht auf dem 100 Meter hohen ehemaligen Förderturm der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen. „Wir sind damals vorher drei Mal zu Lüpertz Atelier in Berlin gefahren und haben drei Teile abgeformt – einmal die Beine, dann den Oberkörper, dann den Kopf“, erinnert sich Seniorchef Professor Karl-Heinz Schmäke. Oder das Projekt der Künstlerin Ida Ekblad in Oslo. „Dafür wurden jeweils ein Quadratmeter große Teile gegossen. Bei über 170 Quadratmetern Gesamtfläche des Kunstobjektes war da unsere gesamte Werkstatthalle voll. Schließlich wurde das Modell in vier Teilen nach Norwegen per LKW transportiert, mit einem Kran vor Ort aufgebaut, verschweißt und grundiert und die Künstlerin hat es am Schluss dann noch bemalt“, erinnert er sich. Beeindruckend sind ebenso die drei von Tony Cragg entwickelten Kopfsäulen im Olympiastadion Turin. Bei den jeweils 12 Meter hohen Installationen hat die Kunstgießerei Schmäke auch ihren beispiellosen Full-Service vom Gießen bis hin zur Montage unter Beweis gestellt.
„Wir haben uns auf komplizierte Arbeiten spezialisiert und das unterscheidet uns vom Wettbewerb“, sagt Prof. Karl-Heinz Schmäke. Denn im Laufe von fünf Generationen ist jede Menge Fachwissen zusammengekommen in dem Familienunternehmen. „Wenn ein kompliziertes Modell angeliefert wird, muss man sich tief in diese Arbeit reindenken können und den Überblick haben: Wie kann ich das gießen? Wie viele Teile muss ich absägen, um den Hauptkörper gießen zu können, um das Ganze dann später wieder als Einheit zusammen zu nehmen? Das sind Erfahrungswerte“, ergänzt er. Auch wenn sich das Handwerk an sich kaum verändert hat in dieser langen Zeit, so doch zumindest einige Materialien und Prozesse. Zum Beispiel kam Anfang der 1970er-Jahre Silikon auf den Markt und löste Knochenleim ab, was die Abform-Arbeiten wesentlich vereinfachte. Oder: Musste man früher noch um 3 Uhr morgens aufstehen, um das Koks einzuheizen, kann man den Beginn des Heizvorgangs heute automatisch einstellen. Auch ist die rein körperliche Arbeit durch Hilfsmittel wie Kräne etc. insgesamt weniger geworden. Per Computer-Knopfdruck lässt sich heutzutage ein kompletter Gießvorgang aber immer noch nicht bewerkstelligen. Denn: „Jede Arbeit ist einfach individuell ganz anders.“
„Wir haben uns auf komplizierte Arbeiten spezialisiert und das unterscheidet uns vom Wettbewerb“
Zwei Berufsbilder arbeiten beim Gießen Hand in Hand: der Kunst- und Glockengießer und der Metallbildner bzw. Ziseleur. Der Kunst- und Glockengießer baut die Form, bereitet das Gießen vor und gießt. Der Metallbildner bearbeitet nach, schweißt zusammen und baut zusammen. Beide dreijährigen Ausbildungen kann man bei Schmäke absolvieren – und bei Bedarf einen Meistertitel nach einem dualen Studium dranhängen. Trotz zunehmend digitalisierter Welt gibt es offensichtlich immer noch viele junge Menschen, die dieses zutiefst analoge Arbeiten reizt.
„Auf unsere Stellenanzeigen bekommen wir relativ viele Bewerbungen. Oft fangen die Interessenten mit einem Praktikum an, um herauszufinden, ob das überhaupt was für sie ist. So haben wir im Grunde jedes Jahr zwei neue Azubis, einen für jeden Ausbildungsberuf“, erklärt der Juniorchef Dominik Schmäke. Herausfordernder ist dagegen die Suche nach erfahrenen Fachkräften. „Es ist wirklich schwierig. Eine Option kann dann auch sein, auf ähnliche Berufsfelder wie zum Beispiel Metallbauer zurückzugreifen. Die kennen wenigstens die Werkzeuge und haben ein Gefühl fürs Schweißen – es ist aber auch viel Lehrgeld für uns“, erklärt Juniorchef Gillian Schmäke.
Mit Blick in die Zukunft plant das Team der Kunstgießerei Schmäke eine Vergrößerung des Grundstücks, eine Art Showroom. „Wir brauchen einfach dringend mehr Fläche, damit wir vor allem die großen Objekte aufstellen können und unsere Kunden eine gute Vorstellung davon bekommen können, wie die Skulptur aussieht“, sagt Prof. Karl-Heinz Schmäke. Für Düsseldorf ist die Kunstgießerei Schmäke ein internationales Aushängeschild – eines, das ein 1.000-jähriges Handwerk mit modernen Ansprüchen vereint. •
Selected references:
Artists:
e.g. Vuslat Dogan Sabanci, Leunora Salihu, Bert Gerresheim, Joachim Jurgelucks, Ida Ekblad, Philipp Röcker.Museums:
e.g. Lehmbruck Museum Duisburg: restoration of sculptures by Ehlers, Marcks and Stadler.Churches:
e.g. portals of the basilica in Kevelaer, portals of Cologne Cathedral and Salzburg Cathedral.Works by the Schmäke fine art foundry can be found throughout Germany, Europe, North and South America and Asia.
Words Tom Corrinth
Pictures Kunstgießerei Schmäke /
Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin