Family Business
Rund 90 Prozent aller deutschen Firmen sind eigentümergeführte Familienunternehmen. Aber was passiert, wenn deren Leitung in Rente geht? VIVID sprach mit Victoria Frankenheim und Sophie Hinkel, beide Geschäftsführerinnen im eigenen Familienbetrieb, über ihre Erfahrungen.
Familienunternehmen sind das Fundament der deutschen Wirtschaft: Von rund 3,5 Millionen Firmen in Deutschland werden insgesamt 2,9 Millionen Betriebe von Familien geführt (Quelle: Stiftung Familienunternehmen und Politik). Um die Nachfolge dieser Unternehmen zu gewährleisten, übergibt sie laut dem IFM Bonn etwas über die Hälfte (53%) der Eigentümer:innen an die eigenen Kinder oder andere Familienmitglieder. Victoria Frankenheim, die zusammen mit ihrer Schwester Juliane im Jahr 2017 in die Geschäftsführung von Frankenheim Bestattungen einstieg, ist eine von ihnen. „Wir sind bereits die sechste Generation, die die über 150-jährige Tradition im Unternehmen fortführen möchte“, erzählt sie. Zuvor hatten die Schwestern beide externe Ausbildungen absolviert. Victoria lernte Medienkauffrau und machte den Abschluss in Wirtschaftspsychologie, Juliane studierte in Dublin und London Wirtschaft und Konsumentenpsychologie. Auf den Entschluss, ins Unternehmen einzutreten, folgte eine sechsmonatige Walz (Anm. der Red.: an verschiedenen Orten arbeiten und dabei von anderen Betrieben lernen) der Schwestern durch ganz Deutschland, um sich andere Bestattungshäuser anzuschauen. Ziel war es, den Alltag in dem Berufsfeld besser kennenzulernen; anschließend lernten beide Schwestern noch das Bestatter-Handwerk bis zur Meisterprüfung.
Sie sind die ersten Frauen, die das Unternehmen (derzeit noch zusammen mit dem Vater Claus Frankenheim) führen, haben dies aber nie als Verpflichtung gesehen. Die Geschäftsführerinnen kümmern sich vielmehr mit großer Freude und persönlichem Engagement um die Weiterentwicklung des Familienunternehmens. Hierzu arbeiten sie mit einem Supervisor, der sie dabei unterstützt, das Unternehmen in eine neue Generation zu führen. „In einem Familienunternehmen zu arbeiten, heißt immer zweigleisig zu fahren. Man ist Geschäftsführerin, aber gleichzeitig Teil der Familie, die natürlich ihre Dynamiken hat. Mit einem Generationswechsel kommt immer ein Kulturwandel“, sagt Victoria Frankenheim.
Zu dem gehört, das Haus für neue Veranstaltungsideen zu öffnen, wie einem True-Crime-Podcast und Lesungen, aber auch Yoga für Trauernde, Trauertreffs und ein Trauerkolleg. Trotz all der neuen Wege sind Traditionen wichtig. Beinhalten diese den Wunsch, das Unternehmen irgendwann einmal an die eigenen Kinder weiterzugeben? „Meine Kinder sollen sich wie ich frei entfalten können, aber natürlich wäre es ein Traum, wenn sie das Haus irgendwann übernehmen“, so Victoria Frankenheim.
Für Sophie Hinkel, Geschäftsführerin der Bäckerei Hinkel, war früh klar, dass sie das Familienunternehmen übernehmen würde. Lediglich das Timing hatte sie sich etwas anders vorgestellt. Der Generationswechsel kam nämlich früher als geplant: als Vater Josef Hinkel erster stellvertretender Bürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf wurde. „Mir war wichtig, dass er politisch tätig werden konnte - und der Betrieb in Familienhand bleibt“, erklärt Sophie Hinkel.
Die Verbundenheit mit dem Familienunternehmen ist groß, schon als Schülerin jobbte sie im Verkauf der Bäckerei. Für ein Studium von International Business ging sie nach Maastricht, absolvierte anschließend die Ausbildung zur Bäckerin im elterlichen Betrieb, machte einen Master in HR Management und anschließend auch noch ihren Meister in Olpe, bevor sie im Februar 2022 die Bäckerei übernahm. Damit ist auch sie die erste Frau in der Familiengeschichte, die das im Jahr 1891 gegründete Unternehmen leitet. Was wäre passiert, wenn sie sich dagegen entschieden hätte? „Da meine Geschwister alle etwas anderes machen wollten, hätten wir das Unternehmen wahrscheinlich verkauft.“ Sie selbst und ihre Mitarbeitenden seien jedoch mit Leidenschaft und Herzblut dabei. „Bei uns wird noch jedes Brötchen von Hand geformt“, erzählt sie stolz. Den Generationswechsel habe die Belegschaft sehr gut aufgenommen. Wichtig sei vor allem gewesen, dass Sophie Hinkel das Handwerk selbst von der Pike auf gelernt hat. „Ich habe die gleiche Ausbildung gemacht wie alle anderen im Betrieb, und das war genau der richtige Schritt.“ Sophie Hinkel ist es wichtig, dem Betrieb ihren eigenen Stempel aufzudrücken. So hat sie wöchentliche Meetings mit den Führungskräften eingeführt, was nicht sofort auf Begeisterung stieß. „Die Bäckermeister kennen mich teilweise schon, seit ich ein kleines Kind bin und mussten erstmal verstehen, dass ich nicht mit ihnen über Gefühle quatschen, sondern eine moderne Unternehmensführung umsetzen möchte“, lacht sie. Zudem habe sie einen Unternehmensberater mit ins Boot geholt, der alle Führungskräfte, aber auch sie coacht.
Auch im operativen Geschäft möchte Sophie Hinkel frischen Wind ins Unternehmen bringen. „Das reicht von einem modernerem Kassensystem mit angeschlossener App bis zu neuen Ideen wie Verkaufswagen in den Stadtteilen zu platzieren. Und ich möchte das Marketing noch professioneller aufziehen. Natürlich sind auch Nachhaltigkeit und Energieeffizienz wichtig. Mit über 130 Jahren Geschichte sind wir ein modernes Unternehmen – und das wollen wir auch nach außen zeigen.“ •
Words: Katja Vaders
Pictures: Frankenheim, Michael Lübke