Gamification creates Synergies
Videospiele sind das lukrativste Segment der Unterhaltungsbranche. Welche Stärken die Gaming-Industrie für Unternehmen anderer Branchen zu bieten hat und welche Rolle sie in der Düsseldorfer Kultur- und Kreativwirtschaft spielt, darüber sprach VIVID mit Akteur:innen der regionalen Gaming-Szene.
Videospiele sind lt. Statista das weltweit umsatzstärkste Unterhaltungsmedium. Im letzten Jahr generierte die Branche bereits 167 Milliarden Euro Umsatz weltweit; glaubt man aktuellen Prognosen, so soll der Wert im Jahr 2026 global auf etwa 242,7 Milliarden Euro steigen.
Auch für andere Wirtschaftszweige ist die Gaming- Branche von höchstem Interesse: Gamification, also die Anwendung spiel-typischer Elemente in einem spielfremden Kontext, gehört für das Unternehmen Fusion Campus mit Sitz in Düsseldorf-Flingern zum Tagesgeschäft. Das 2021 gegründete Start-up, das den französischen Gameentwickler Ubisoft Blue Byte und Gladstone Capital als Mitgesellschafter hat, wird auch vom Land NRW gefördert. „Uns geht es darum, Gaming und E-Sports für die unterschiedlichsten Branchen nutzbar zu machen. Dabei kann es um spielerische Lösungen, sog. Serious Games, aber auch um Simulationen oder die Anwendung von Technologie, Methoden, Gamedesign-Elementen oder Denkweisen aus dem Gaming gehen“, erklärt Stefanie Waschk, geschäftsführende Gesellschafterin bei Fusion Campus. Sie entwickelt zusammen mit Fachleuten aus den Unternehmen Konzepte und begleitet die gesamte Umsetzung von der Strategiefindung und der Businesscase- Entwicklung über die Suche und Auswahl des passenden Entwicklerteams bis hin zur Inzwischen hat der Fusion Campus zusammen mit TaKeTV auch ein eigenes Produkt entwickelt, das im Oktober lanciert werden soll und bei dem Unternehmen verschiedener Branchen dabei sind: „Die Werksliga“, eine Gaming- und E-Sport-Liga für Unternehmen angelehnt an Fußball-Werksligen, die eine gute Möglichkeit bietet, Fachkräfte zu rekrutieren.
„Es geht auch um Employer Branding und Sichtbarkeit in der jungen Zielgruppe. Und natürlich darum, dass die Mitarbeitenden Spaß haben.“ Mit dabei sind Unternehmen verschiedensten Branchen aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Düsseldorf. Deutschland ist ein Topstandort für Gaming. „Der deutsche Games-Markt ist nach Umsatz der größte in Europa und weltweit die Nummer 5“, weißt Waschk. Ein wichtiger Player ist Ubisoft Blue Byte, das bereits in den frühen 90er Jahren eine Niederlassung in der Landeshauptstadt gegründet hat. Das Unternehmen habe zwar noch Studios in Berlin und Mainz, „Düsseldorf ist mit etwa 450 Mitarbeitenden aber das größte Games-Entwicklungsstudio in Deutschland. Neben unseren ‚Die Siedler‘-Spielen, in denen wir noch immer führend sind, arbeiten wir inzwischen auch an einer Reihe von Großproduktionen, sogenannten Blockbuster-Spielen, mit. Diese Spiele werden von mehreren Studios weltweit gemeinsam entwickelt“, erklärt Benedikt Grindel, Managing Director, Ubisoft Blue Byte GmbH und Studio Manager, Ubisoft Düsseldorf.
Die Gaming-Szene im Rheinland hat aber noch mehr zu bieten: EA, ein großer Spiele-Publisher, sitzt in Köln, auch die E-Sports League (ELS) wurde hier gegründet. In der Domstadt findet zudem jedes Jahr die gamescom statt, die weltweit größte Messe für Computer- und Videospiele. „Neben Ubisoft Blue Byte, sind in Düsseldorf viele kleine sowie mittlere Unternehmen und Dienstleister mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen ansässig, die das lokale Ökosystem der Branche prägen. Hierzu gehören zum Beispiel das Holocafé, in dem man VR-Games vor Ort spielen kann. Außerdem gibt es Meister Cody, die eine Lernförderung für Kinder bei Lese- und Rechenschwäche entwickelt haben und inzwischen zur Klett-Gruppe gehören. Natürlich muss man auch Institutionen wie die Film- & Medienstiftung NRW nennen, die die Gamesförderung für das Land NRW institutionell durchführt“, so Stefanie Waschk. Das Land NRW fördere den Bereich Videospiele bereits seit vielen Jahren sehr engagiert. Aber auch games.nrw e.V., ein Verband der NRW-Spielunternehmen, sitze in Düsseldorf, genauso wie Dienstleister aus dem Bereich Mixed Reality und digitale Zwillinge wie Pointreef, A4VR oder Weltenmacher.
Wie sieht Benedikt Grindel das Potential dieses Gaming-Netzwerkes für Synergie-Effekte? „Wir verstehen uns sowohl als Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft als auch als Brückenbauer zur klassischen Industrie. Dabei arbeiten wir mit vielen Unternehmen, dem Land, der Film- und Medienstiftung, den Verbänden game und games.nrw - bei beiden sind wir Gründungsmitglied - und der Stadt Düsseldorf eng zusammen“, erklärt er.
Da die Gaming-Industrie längst zum Innovationstreiber geworden ist, sollte sie dementsprechend auch vom Bund gefördert werden, ist sich Benedikt Grindel sicher. Hier sei noch Luft nach oben, die Landesförderung als regionaler Baustein sei hingegen jetzt schon auf einem guten Weg. Nachwuchsförderung nimmt man auch selbst in die Hand: Im Rahmen der Ubisoft Education- Initiative finden Kooperationen mit Hochschulen statt. An der MDH in Düsseldorf gibt es sogar den Studiengang Game Design; die Absolventen sind immer beliebter bei Unternehmen unterschiedlichster Bereiche. „Die Gamesbranche entwickelt sich rasant; es gab noch nie so viele Möglichkeiten für unsere Entwicklungsteams ihren kreativen Visionen nahe zu kommen“, so Benedikt Grindel. Dementsprechend experimentieren die Ubisoft-Teams auf der ganzen Welt mit generativer KI.
Auch in vielen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft kommt KI immer mehr zum Einsatz, beispielsweise in der Architektur im Zusammenhang mit digitalen Zwillingen oder Städteplanung. Auch Künstler:innen und Museen nutzen schon lange technische Anwendungen aus dem Gaming für ihre Arbeiten und um Kultur erlebbar zu machen. „Spiele sind nutzerzentriert und häufig kollaborativ, fördern Verständnis, Engagement und schaffen eine intrinsische Motivation“, so Stefanie Waschk.
Nicht nur Videospiele, sondern auch Brettspiele erfreuen sich daher immer noch größter Beliebtheit. Das beweist MicroMacro, Spiel des Jahres und As d’Or-Gewinner 2021 sowie mit dem Österreichischen Spielepreis ausgezeichnet – und in Düsseldorf entwickelt.
Hinter MicroMacro stecken Johannes Sich, Daniel Goll und Tobias Jochinke, die gemeinsam unter dem Namen Hard Boiled Games firmieren. Es ist ein Brettspiel, in dem sich die Spieler in Crime City befinden, einer Stadt, in der hinter jeder Ecke ein Verbrechen lauert. Mithilfe eines großen Stadtplans (75x110cm) avancieren sie zu Ermittlern und müssen nach und nach viele Verbrechen auflösen.
„Die Stadtkarte übt auf die Spieler eine große Faszination aus: Man will sofort alles entdecken und ins Geschehen eintauchen. Eine große Stärke von MicroMacro ist die einfache Zugänglichkeit, was bei vielen Menschen die Freude am Spielen wiedererweckt“, erklärt Tobias Jochinke, Kommunikations- und Exhibitiondesigner bei der Düsseldorfer Agentur Das Gute Ding und Teil von Hard Boiled Games.
Der Erfolg eines analogen Spiels in digitalen Zeiten verwundert ihn nicht. „Es gibt inzwischen eine große Kreativ-Welt, in der sich digital und analog gegenseitig befruchten, und Spiele aus beiden Bereichen liegen definitiv im Trend. Ich selbst bin 41 Jahre alt und mit digitalen Spielen aufgewachsen, daher ist meine Generation viel offener für Spiele jeglicher Art. Analoge Spiele haben ihre Stärken in ihrer Haptik und unmittelbaren Interaktion mit den Mitspielenden. Um z. B. zu bluffen, braucht es Mimik und Gestik.“ Bei Hard Boiled Games ist man in beiden Welten zu Hause. Daher ist aktuell auch eine Appversion von MicroMacro in der Testphase; ihr Erscheinen ist für Mitte 2024 geplant. „Wir hoffen, mit der App Synergien zwischen Digital und Analog zu schaffen und sind schon sehr gespannt auf die ersten Feedbacks der digitalen MicroMacro-Detektive“, freut sich Tobias Jochinke. •
Words: Katja Vaders
Pictures: PR, Ubisoft, Thomas Ecke, Hard Boiled Games