AT THE HEART OF THE HEALTHCARE INDUSTRY

Die Gesundheitswirtschaft macht 10 Prozent der Wirtschaftsleistung in NRW aus. In Düsseldorf ist sie eine der bedeutendsten Branchen – mit enormer Innovationskraft. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei: die sehr gute Vernetzung der relevanten Akteur:innen. 


Wenn die Gesundheitswirtschaft in NRW ein menschlicher Körper wäre, könnte man den Raum Düsseldorf getrost als Herzregion bezeichnen. Rund 95.500 Beschäftigte sind in der Landeshauptstadt sowie dem Kreis Mettmann in dieser Branche tätig (Stichtag 30.06.2023; Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnung IHK) – das ist jede:r siebte Beschäftigte! Neben dem klassischen „ersten Gesundheitsmarkt“, zu dem etwa Krankenhäuser oder Apotheken zählen, wächst seit einigen Jahren noch ein privat finanzierter „zweiter Gesundheitsmarkt“, vor allem mit Anbietern aus den Bereichen Wellness oder Gesundheitstourismus. Ein spannender Mix aus etablierten Unternehmen, innovativen Startups, der Heinrich- Heine-Universität und dem Universitätsklinikum, zahlreichen Forschungseinrichtungen, Verbänden und städtischen Akteur:innen bildet den Nährboden für diesen Umsatz- und Beschäftigungsmotor. Ansässig sind hier zum Beispiel das DITEC Life Science Center, die Krankenhausgesellschaft NRW, das Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung IUF und das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ (Leibniz Zentrum für Diabetes- Forschung). Für die dynamisch wachsende Biotechnologie machen sich vor Ort die Verbände BIO.NRW und BioRiver stark. Bereichert wird dieses Ökosystem durch viele Fach-Events, allen voran die internationale Leitmesse MEDICA (siehe Info-Kasten)

Dr. Bettina Möckel, Chairwoman of the BioRiver association 

Ein Unternehmen, das bei diesen Standortbedingungen besonders gut gedeihen konnte, ist QIAGEN. Mitte der 1980er Jahre als Ausgründung an der Heinrich-Heine- Universität gestartet, ist die börsennotierte Firma heute Weltmarktführer in den Bereichen Life Sciences und molekulare Diagnostik. Das globale Headquarter sitzt in Venlo, während die Europageschäfte von Hilden aus gesteuert werden. Dort im Rheinland beschäftigt sich Dr. Bettina Möckel als Vice President Corporate Business Development mit Innovationsthemen und damit auch mit Investitionsmöglichkeiten. „Deutschland trug einmal die Bezeichnung „Apotheke der Welt“. Wir gehören zwar immer noch zur Weltspitze, aber mittlerweile findet Innovation in diesem Bereich global statt, besonders in den USA“, erklärt sie. „Ich arbeite schon viele Jahre in diesem Business und mich fasziniert immer wieder aufs Neue, was jedes Jahr an technologischen Innovationen entwickelt wird. Vor allem im Bereich Infektionsdiagnostik, begünstigt auch durch die Corona-Pandemie, und der Krebsdiagnostik hat sich in den letzten zehn Jahren sehr viel getan. Nicht ohne Grund wissen zum Beispiel heute die meisten Menschen hierzulande, was ein PCR-Test ist. Diese Entwicklung ist ungebremst und gibt uns viele neue Möglichkeiten, um Krankheiten erkennen und auch heilen zu können“, sagt die Innovations-Expertin. Bereits jetzt spiele Künstliche Intelligenz dabei eine wichtige Rolle und diese Bedeutung werde noch weiter zunehmen – zum Beispiel bei der Medikamentenentwicklung.


Durch Sensorik, Smartphones und Co gibt es nun ganz andere Möglichkeiten für die Ferndiagnose und Fernbehandlung.

GEBALLTE MESSE-POWER 

Medica
• mit über 5.300 Ausstellern aus fast 70 Nationen und 83.000 Besuchern eine der größten medizinischen B2B-Fachmessen weltweit 
• nächster Termin: 11. bis 14. November 2024 
WWW.MEDICA.DE 

Compamed
• internationale Leitmesse für den medizintechnischen Zuliefererbereich 
• nächster Termin: 11. bis 14. November 2024 
WWW.COMPAMED.DE 

RehaCare 
• führende Messe für Rehabilitation, Prävention, Integration und Pflege 
• über 850 Aussteller aus 40 Ländern beim letzten Event vom 25. bis 28. September 2024 
WWW.REHACARE.DE 

A+A 
• weltweit größte und wichtigste Veranstaltung für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 
• nächster Termin: 4. bis 7. November 2025 
WWW.APLUSA.DE 


Ein besonders beeindruckendes Vorbild für die medizinischen Anwendungsmöglichkeiten von KI ist das Digital Health Lab des Universitätsklinikums Düsseldorf. Hier hilft KI zum Beispiel in der Radiologie dabei, medizinische Bilder schneller zu analysieren. KI ist aber nicht der einzige Megatrend in der digitalen Medizin. „Dazu zählt auch die Telemedizin, die sich in den letzten Jahren sehr dynamisch weiterentwickelt hat. Durch Sensorik, Smartphones und Co gibt es nun ganz andere Möglichkeiten für die Ferndiagnose und Fernbehandlung. Das reicht von Telekonsilen in Krankenhäusern, um die Expertise von Schwerpunktzentren auch in die Fläche zu bringen, bis hin zur telemedizinischen Facharztversorgung, wie sie zum Beispiel das Düsseldorfer Startup Dermanostic anbietet“, erklärt Dr. Patrick Guidato, Clustermanager der vom NRW-Wissenschaftsministerium beauftragten Kompetenzplattform Cluster Medizin.NRW. Guidato und sein Team vernetzen dort die unterschiedlichen Akteur:innen der innovativen Medizin, informieren über Trends und Fördermöglichkeiten, auch für Gründer:innen und beraten zum Beispiel bei der Suche nach Kooperationspartner:innen. „Sehr großes Potenzial sehe ich auch bei digitalen Gesundheitsanwendungen. Apps zur Therapiebegleitung gibt es zum Beispiel bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Asthma oder Krebs, aber auch zunehmend als Unterstützung bei psychischen Erkrankungen – eine wichtige Ergänzung bei den knappen Therapieplätzen hierzulande“, so Guidato. Ein weiterer großer Trend sei zudem die Biohybride Medizin. Zum Einsatz kommt sie etwa bei Implantaten, damit diese besser anwachsen, bei implantierbaren Sensoren, um Nervenimpulse weiterzuleiten oder bei Nanogelen für eine optimierte Wundversorgung. Um all diese Trends weiter voranzutreiben, hat der Cluster Medizin.NRW „Leuchttürme“ als zentrale Vernetzungs- und Organisationsplattformen entwickelt. Aktuell fokussieren diese Leuchttürme neben den genannten Themen digitale und biohybride Medizin noch Gendermedizin, Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit, klinische Forschung sowie Alternsmedizin.


DIE IDEE: MEDICAL SCIENCE CITY 

Der seit 2003 bestehende Verband der Life-Science- und Biotech-Industrie BioRiver hat mittlerweile über 120 Mitglieder. Dazu zählen Unternehmen unterschiedlicher Größe, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Kommunen, Wirtschaftsförderungen, Industrie- und Handelskammern und Investor:innen. Wichtige Ziele sind die Vernetzung dieser Akteur:innen und die Nachwuchsförderung, vor allem durch den Startup-Wettbewerb BioRiver Boost! 

Ein besonders spannendes Zukunftsprojekt ist „Medical Science City“: ein Nukleus für die moderne Biomedizin, wo Unternehmen Therapien für die Medizin von morgen entwickeln. Dafür soll eine alte Fabrikhalle entsprechend mit modernen Büro- und Laborflächen sowie Produktionsanlagen für klinische Studien ausgestattet werden. Startups aus der Biomedizin könnten dort neue Zell- und Gentherapien zum Beispiel gegen Krebs entwickeln und von der räumlichen Nähe von Startups, Mittelstand und Pharmakonzernen profitieren. „Wir würden uns sehr freuen, wenn dieses Konzept umgesetzt würde und damit ein Leuchtturmprojekt für die Bereiche Life Science und Biotechnologie mit Bedeutung über die Grenzen NRW hinaus entstehen würde“, sagt Dr. Bettina Möckel, die Verbandsvorsitzende. 


Dr Patrick Guidato, Cluster Manager, Cluster Medizin.NRW 

Für Vernetzung macht sich auch Dr. Bettina Möckel stark – als Vorstandsvorsitzende des Verbandes BioRiver mit über 120 Mitgliedsunternehmen (siehe Info-Kasten). Ein Leuchtturm-Projekt des Verbandes und eine besondere Herzensangelegenheit von Möckel ist der jährliche Startup-Wettbewerb BioRiver Boost! Die Gewinner:innen erhalten dabei ein Coaching durch erfahrene Manager:innen, professionelle Marketingunterstützung und eine 1-jährige freie Mitgliedschaft im Verband. „Dieser Wettbewerb hat sich seit seiner Entstehung vor elf Jahren zu einem echten Erfolgsmodell entwickelt. Mittlerweile bewerben sich Gründer:innen aus ganz Europa“, freut sich Dr. Möckel. In ihrer Zusammenarbeit mit den Startups und den Hochschulen stellt sie aber auch fest: „Das Bewusstsein für junge Forscher:innen, dass die Gründung eines Unternehmens und die Karriere in der freien Wirtschaft auch eine Option sein kann, ist häufig gar nicht so präsent. Dabei gibt es in unserer Region viele unterstützende Initiativen, Fördergelder und auch Investor:innen. Hier müssen wir die jungen Wissenschaftler:innen noch besser unterstützen und ein Bewusstsein dafür schärfen.“ Gleichzeitig sei es wichtig, noch mehr Anreize für Anleger:innen zu schaffen, Risikokapital in den Bereich zu investieren. Dazu gehört auch, die naturgemäß sehr komplexen Genehmigungsverfahren für neue Produkte möglichst zu vereinfachen. Dabei muss das Rad nicht zwingend neu erfunden werden, denn auch innerhalb der bestehenden Rahmenbedingungen gibt es oft Optimierungspotenzial, weiß Dr. Patrick Guidato durch seine jahrelange Beratungserfahrung. „Ein Beispiel dafür sind klinische Studien, die ein geschwindigkeitsbestimmender Schritt bei der Translation von Medizinprodukten in den Markt sind. Als Cluster haben wir analysiert, wie diese komplexen Vertragsprozesse beschleunigt werden könnten. Identifiziert haben wir dabei unter anderem einen recht banalen Knackpunkt: An vielen Stellen in diesem Prozess wird noch per Hand unterschrieben! Würde allerorts digital unterschrieben werden, könnte wertvolle Zeit gespart werden“, veranschaulicht er. Um hier rechtssicher auf digitale Prozesse umstellen zu können, hat das Cluster der Universitätsmedizin ein Rechtsgutachten zum Einsatz von digitalen Signiertools zur Verfügung gestellt. Mit Blick auf den Gesundheits-Standort Düsseldorf sieht Guidato vor allem noch zwei wichtige Vorteile gegenüber anderen Standorten in Deutschland: „Düsseldorf ist superinternational vernetzt, insbesondere in den asiatischen Raum. Das merkt man auch an den ortsansässigen Kooperationen und Unternehmen. Und natürlich hat Düsseldorf im Herzen von NRW eine sehr gute infrastrukturelle Ausgangsposition, um die Gesundheitswirtschaft weiter voranzubringen.“ •


ABOUT DITEC LIFE SCIENCE CENTER 
Das Düsseldorfer Innovations- und Technologiezentrum (DITEC) Life Science Center im Stadtteil Bilk bietet innovativen Unternehmen und Startups auf rund 21.000 m² Gesamtfläche sowohl Büro- als auch Laborräumlichkeiten bis Sicherheitsstandard S2. Auch Verbände und Organisationen wie BioRiver oder der Cluster MEDIZIN.NRW haben hier ihren Sitz. Thematische Schwerpunkte sind neben den Life Sciences (Biotechnologie, Bioinformatik, Biomedizin und Medizintechnik) auch angrenzende Technologiebereiche wie z.B. Werkstofftechnologie oder Nanotechnologie. Das DITEC Life Science Center bietet zudem einen intensiven Gründerservice und ist regelmäßiger Austragungsort zahlreicher Veranstaltungsformate. 


Words: Tom Corrinth
Pictures: Andreas Fechner, Medizin.NRW