Here Comes the Sun

Die EU hat das sehr ambitionierte Ziel ausgerufen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Um das zu erreichen, sind in den nächsten Jahren viele Maßnahmen nötig. Eine davon: ein höheres Tempo einzulegen, was den Ausbau von Erneuerbaren Energien angeht.


NFL Deutschland-Chef Alex„Genau wie Wind, stellt auch Sonne keine Rechnung." NRW-Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie Mona Neubaur beim Besuch der schwimmenden Solaranlage in Bislich-Ellerdonk am Niederrhein.


Deutschland möchte bereits im Jahr 2030 einen Anteil von 80 Prozent Erneuerbarer Energien im Stromverbrauch erreichen. Laut Umwelt Bundesamt wurde im letzten Jahr erstmals die Hälfte des benötigten Stroms hierzulande aus Erneuerbaren Energien bereitgestellt, was auch auf die Witterungsbedingungen, in diesem Fall mehr Wind als in den beiden Vorjahren, zurückzuführen ist. Die Stromerzeugung aus Photovoltaik (PV) hingegen stieg in 2023 nur leicht an. Verantwortlich dafür war die geringere Sonneneinstrahlung, die jedoch von einem starken Zuwachs neuer PVAnlagen kompensiert wurde. Dass es viel Bewegung auf dem Photovoltaik-Markt gibt, kann Thorsten Kempkens bestätigen. Er ist einer von zwei Geschäftsführern der im Jahr 2009 gegründeten EnergieExpert Rhein-Ruhr GmbH, die als Anbieter von PV-Anlagen startete und mittlerweile 6.000 Anlagen geplant und installiert hat. Das Hamburger Start-up 1KOMMA5°, das 2021 von dem früheren Tesla-Deutschlandchef Philipp Schröder gegründet wurde, übernimmt nächstes Jahr den mittelständischen Betrieb mit Sitz in Erkrath komplett. Hinter der Übernahme steckt die sehr gut durchdachte Unternehmensstrategie Schröders, regionale Anbieter und Handwerksbetriebe der PV-Branche aufzukaufen und damit führend in der Entwicklung von Technologie rund um Erneuerbare Energie zu werden. „Da die überregionalen Wettbewerber auf dem Markt massivste Probleme mit dem Fachkräftemangel haben, wollte er es anders machen: vor Ort sein mit Handwerkspersonal und Showrooms, um flächendeckend einen kompletten Service bedienen zu können“, erklärt Thorsten Kempkens. Es ist 1KOMMA5° wichtig, ausschließlich Ausbildungsbetriebe zu übernehmen, um so langfristig in Personal zu investieren, auch die Belegschaft bleibt möglichst im Betrieb, um bestehende Netzwerke aufrecht zu erhalten.

So ein Netzwerk haben Thorsten Kempkens und sein Partner Markus Beinhauer in den letzten Jahren aufgebaut, pflegen beispielsweise guten Kontakt zu diversen Stadtwerken. Ab Ende des Jahres werden sie mit Vertrieb und Showroom auch im EUREF-Campus am Düsseldorfer Flughafen zu finden sein; die 70 Mitarbeiter aus der Montageabteilung bleiben in Erkrath. Dass Kempkens und sein Team expandieren, weist auf eine positive Entwicklung des Markts hin, obwohl das Geschäft mit den PV-Anlagen in den letzten Jahren erheblichen Schwankungen unterworfen war: Nach einem Boom in den Jahren 2010 bis 2012 sei der Markt zwei Jahre später massiv eingebrochen. „Viele Firmen haben seinerzeit aufgehört, andere sind ins Ausland abgewandert. Deutschland und seine Hersteller waren zuvor technologisch ganz weit vorne. Ab 2015 hat sich der Markt zwar erholt, ist aber nie auf das Niveau von 2010 zurückgekehrt. Auch wenn es zu Beginn des Ukrainekriegs einen deutlichen Schub auf PV-Anlagen gab, hat sich die Nachfrage jetzt wieder normalisiert“, erzählt er.


Das Alleinstellungsmerkmal von 1KOMMA5°: der intelligente Energiemanager „Heartbeat“, der alle elektrischen Komponenten miteinander vernetzt und immer den niedrigsten Strompreis von der Börse abnimmt.

Das hofft auch das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein- Westfalen (MWIKE). Mona Neubaur, Wirtschafts- und Energieministerin NRW, wirbt daher bei Industrie und Handwerk für die Umstellung: „Genau wie Wind, stellt auch Sonne keine Rechnung. Erneuerbare Energien sind nicht nur aus ökologischer Sicht die Zukunft, sondern auch aus ökonomischer. Im ersten Halbjahr 2024 deckten Erneuerbare Energien fast 60 Prozent des deutschen Stromverbrauchs. Photovoltaik ist dabei ein wichtiger Baustein, bei dem wir noch nachlegen müssen. Und das tun wir in NRW.“ Als Entscheidungshilfe hat das Land NRW eine Offensive gestartet, die Informationsmaßnahmen, aber auch das Förderprogramm „progres.nrw-Klimaschutztechnik“ beinhaltet. Hierbei legt man den Fokus auf Photovoltaik auf Dachflächen, die in den letzten Jahren erheblich ausgebaut wurde. Ziel ist es, jedes geeignete Dach für eine PV-Anlage zu nutzen und die Bedingungen für Freiflächen- oder Agri-PV zu verbessern, die von der Landesregierung finanziell gefördert werden; außerdem startete das MWIKE die Kampagne „Mehr Photovoltaik auf Gewerbedächern“. All diese Maßnahmen werden offenbar gut angenommen: Im Jahr 2023 sind laut MWIKE über 850 Anträge mit einem Volumen von über 12 Mio. Euro bewilligt worden.


Schmincke stellt feinste Künstlerfarben her und setzt bereits seit 2010 auf Erneuerbare Energien mit Solarpaneelen auf dem Firmendach.

Ein Unternehmen, das sich schon lange mit dem Thema Erneuerbare Energien auseinandersetzt, ist die 1881 gegründete, mittelständische H. Schmincke & Co. GmbH & Co. KG. Hier werden feinste Künstlerfarben, von Öl über Aquarell und Acryl- bis hin zu Pastell- und Linoldruckfarben, hergestellt. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Pfeiler des Unternehmens: Das komplette Portfolio von Schmincke wird in Erkrath produziert und von hier in insgesamt 65 Länder vertrieben. „Wir verfolgen bereits von Anfang an Responsible Care und setzen uns für verantwortungsvolles Handeln in den Bereichen Umwelt, Sicherheit und Gesundheit ein“, erklärt Christiane Möller, Marketing Managerin bei Schmincke. Das Familienunternehmen, das bereits mehrfach als Marke des Jahrhunderts ausgezeichnet wurde, ist auch im lokalen Netzwerk in Erkrath und Düsseldorf aktiv und setzt bereits seit 2010 auf Photovoltaik. Seitdem sind auf einem Großteil des Daches der Produktionsstätte Solarpaneelen installiert, die ungefähr 70 Prozent des Stromverbrauchs von Schmincke generieren, von 2018 bis zum Jahr 2021 entspricht das einer CO2-Einsparung von 93 Prozent. Um zu expandieren, hat man ein neues Firmengelände gekauft. „Mit dem neuen Grundstück und den Umbaumaßnahmen verfolgen wir ein Transformationskonzept, um CO2-neutral zu werden. Das betrifft sowohl Wärme, als auch die elektrische Versorgung. Dieser Ansatz ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch“, freut sich Christiane Möller. Bei der Umsetzung von Energieeffizienz geht man aber schon jetzt kreativ vor. „Wir werden dieses Jahr von November bis März im vierten Jahr in Folge den Betrieb auf eine 4-Tage Woche umstellen, um damit die Energiekosten in der kalten Jahreszeit zu senken. So konnten wir in den Vorjahren ohne großen Aufwand 15 bis 20 Prozent Energie einsparen.“ Ein Beispiel für Best Practise, dem auch andere Unternehmen problemlos folgen können. Zudem lohnt es, sich über die zahlreichen Fördermöglichkeiten des Landes NRW zu informieren. Die Umstellung auf Erneuerbare Energien zahlt sich nämlich definitiv aus – nicht nur für die Umwelt, sondern mittelfristig auch finanziell. •


Words: Katja Vaders
Pictures: MWIKE NRW/R. Sondermann, 1KOMMA5°, E4C NRW/B. Hickmann, Schmincke