Gaming is an Industry of the Future
Er ist ein Pionier der deutschen Gaming-Szene: Als Geschäftsführer von Ubisoft Blue Byte und Zone Managing Director ist Benedikt Grindel mitverantwortlich für die Entwicklung von weltberühmten Spielen wie „Die Siedler“ oder „Anno“. Mit VIVID-Herausgeber Rainer Kunst spricht er über die Faszination am Spielen, seine Karriereschritte, die Bedeutung der Gaming-Branche für die gesamte Wirtschaft und die besonderen Standortvorteile von Düsseldorf.
Was fasziniert Dich am Gaming?
Zum einen kann ich wie bei einem guten Film oder bei einem guten Buch allein eine spannende Geschichte erleben und mich sehr darin vertiefen. Durch die verschiedenen Möglichkeiten, dass man online mit anderen Menschen zusammenspielen und Herausforderungen gemeinsam lösen kann, gibt es auch eine starke soziale Komponente. Ich glaube, wenn Spiele langfristig erfolgreich sein wollen, dann brauchen sie vor allem diese soziale Funktion.
Welche Rolle spielt es, dass Menschen dabei in andere Charaktere schlüpfen können?
Eine sehr große Rolle! Das ist so ein bisschen ein „Larger than life-Moment”. Im Vergleich mit einem Buch oder Film kommt hier aber noch die Interaktion dazu, was es noch authentischer machen kann. Immer mehr Menschen übertragen das auch ins reale Leben: Beim Cosplay kostümieren sie sich live als Charaktere. Die Kreativität und der Aufwand bei den Kostümen sind teils sehr beeindruckend, wie man zum Beispiel auf der Gamescom oder auch bei unseren eigenen Events sehen kann.
Du bist schon seit 1998 bei Ubisoft tätig. Warum hast Du in dieser damals vielleicht noch etwas exotischen Gaming-Branche begonnen?
Ich habe damals zufällig ein Online-Stellenangebot bei Ubisoft gesehen und mich beworben. Bei einer Versicherung hatte ich mich auch beworben und sogar eine Zusage erhalten – was meine Eltern super fanden. Ich fand die Gaming-Firma aber cooler und bin deshalb nach positiver Zusage durch Ubisoft nach Düsseldorf gegangen. Für die englischen und amerikanischen Partner von Ubisoft habe ich dann Spiele in Deutschland vermarktet, also ganz klassisches Produktmarketing mit Verpackungsdesign, Anzeigenstrecken und so weiter. Daraufhin bin ich zu einer Schwesterfirma ins Business Development gewechselt. Bei dieser spannenden Aufgabe ging es darum, über die großen Mobilfunkprovider Handyspiele zu vermarkten.
ABOUT UBISOFT BLUE BYTE
Mit mehr als 35 Jahren Erfahrung sind die deutschen Ubisoft Studios Pioniere der hiesigen Spieleindustrie. 1988 als Blue Byte gegründet, umfasst das Netzwerk mittlerweile Standorte in drei deutschen Städten: Düsseldorf, Mainz und Berlin. Das Studio-Netzwerk beheimatet mit „Anno“ und „Die Siedler“ zwei berühmte Städtebau- und Strategiespiele. Der neuste Teil, Anno 117: Pax Romana, befindet sich aktuell bei Ubisoft Mainz in der Entwicklung und wird 2025 erscheinen. Außerdem unterstützen die Teams als Co-Entwicklungsstudios Tom Clancy's Rainbow Six Siege an allen drei Standorten und haben zuletzt an Spielen wie Avatar: Frontiers of Pandora, Assassin’s Creed Nexus VR und Skull & Bones gearbeitet. Neben Spielen arbeiten die Teams auch an einer breiten Palette von Plattformen, Diensten und Technologien wie Ubisoft Connect und der Snowdrop-Engine.
Im Jahr 2001, als Ubisoft den deutschen Entwickler Blue Byte übernahm, bist Du in die Produktentwicklung gegangen. Wie kam dieser Wechsel zustande?
Im Grunde brauchte man eine Person, die Ubisoft gut kennt und die Verbindung zu den Entwicklungsexperten bei Blue Byte ist. Ich hatte zwar noch nie ein Spiel vorher entwickelt, aber durfte mich dann ganz viel ausprobieren und dazulernen. Das fand ich total motivierend, vor allem in einem Team, mit dem man gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen ist. In den Jahren als Producer habe ich insgesamt drei große Spiele und einige kleinere mit verantwortet. Ab 2011 habe ich dann den Bereich Live Operations aufgebaut – da haben wir Die Siedler Online als größten Erfolg betrieben. Und im Jahr 2014 habe ich dann die Leitung der deutschen Studios übernommen.
Welche Entwicklung hat Ubisoft Blue Byte in den letzten Jahren gemacht?
Zu den Anfangszeiten von Blue Byte hat sich die Firma auf den deutschen Markt konzentriert. Dort wurde der Großteil des Umsatzes gemacht, weil Strategiespiele sehr beliebt waren und es heute noch sind. Andere große Gaming-Märkte wie etwa die USA, England oder Frankreich haben schon viel früher als wir damit begonnen, für die ganze Welt zu produzieren. Für unser Business war es daher sehr wichtig, dass wir uns in den letzten Jahren auch internationaler aufgestellt haben. Indem wir einerseits die Spiele aus Deutschland international erfolgreicher machen und andererseits auch Spiele für den globalen Markt entwickeln. Dafür haben wir die Zusammenarbeit mit den anderen weltweiten Ubisoft-Entwicklungsstudios intensiviert und weitere Teams hierzulande aufgebaut. Um unsere Ziele verfolgen zu können, rekrutieren wir Fachkräfte aus Deutschland und aus der ganzen Welt.
Wie geht es der Gaming-Branche aktuell und wie sieht die zukünftige Entwicklung hierzulande aus?
Die Corona-Pandemie war ein Booster für die Branche, weil viele Menschen zuhause bleiben mussten und dort das Gaming für sich entdeckt haben, auch um virtuell miteinander verbunden zu sein – was wiederum die soziale Bedeutung untermauert. Aktuell sehen wir weltweit eine Marktkonsolidierung, weil die Branche insgesamt zu schnell gewachsen ist in den letzten Jahren. Das heißt aber nicht, dass wir nicht langfristig noch weiterwachsen werden. Denn die Zielgruppe wird immer größer: Mehr ältere Menschen werden zu Gamern und auch neue Absatzmärkte, vor allem in Südamerika und Afrika, entdecken ihre Begeisterung fürs Spielen. Wir sehen in Deutschland von der Entwicklungsseite her eine sehr hohe Kompetenz in vielen Bereichen, die wir nicht einfach woanders bekommen. Wir haben hier einen sehr attraktiven Standort, sowohl für unsere deutschen Mitarbeitenden als auch für die Mitarbeitenden, die aus dem Ausland zu uns kommen.
ABOUT BENEDIKT GRINDEL
Benedikt Grindel ist nach einem Studium der Mathematik und BWL und einem Berufseinstieg in der Textilbranche seit 1998 bei Ubisoft tätig. Zunächst arbeitet er in Marketing und Business Development, bevor er 2001 (als Ubisoft den deutschen Entwickler Blue Byte übernahm) in die Entwicklung ging. Dort war er zunächst Producer und baute anschließend den Bereich Live Operations auf. 2014 übernahm er die Leitung der deutschen Studios. Seit 2023 ist er als Zone Managing Director bei Ubisoft für die Entwicklung in England, Deutschland, Serbien, Bulgarien und der Ukraine verantwortlich.
Welche wirtschaftlichen Chancen bietet die Gaming-Branche dem Land NRW insgesamt?
Das Land NRW sieht einerseits die spezifischen Möglichkeiten der Gaming-Branche: ihre Kreativität, die Interdisziplinarität, mit der wir arbeiten, und natürlich das große Digitalisierungs-Know-how. Auf der anderen Seite schätzt das Land die Brückeneffekte auf die klassische Industrie, denn NRW ist ja das Industrieland in Deutschland. Hier gibt es noch sehr viel Potenzial zu heben, denn Gaming ist eine Zukunftsbranche, in die es sich zu investieren lohnt. Das versteht auch die Politik zunehmend und ist dabei entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Um den Transfer von Gaming in andere Branchen zu fördern, wurde in Düsseldorf der Fusion Campus gegründet, an dem wir beteiligt sind. Dies ist eine Agentur, deren Aufgabe darin besteht, Unternehmen – insbesondere aus der klassischen Industrie – zu vermitteln, wie sie Gamification für ihr Business nutzen können und Synergien zwischen den verschiedenen Branchen herzustellen.
Welche Rolle spielt der Faktor Mensch in diesem Tech-Business?
Rund 90 Prozent unserer Jobs sind festangestellte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen – da unterscheiden wir uns von anderen Kreativbranchen sehr. Denn so eine Projektlaufzeit bei der Entwicklung eines großen Spiels sind mehrere Jahre, in denen wir viele Millionen Euro investieren. Der Wert unserer Firma liegt also in den kompetenten Menschen, die möglichst langfristig für uns arbeiten. Weil Gaming ein sehr komplexes konstrukt ist und sich viele Dinge schnell weiterentwickeln, müssen die Teams gut funktionieren. Und dafür müssen sie zusammenwachsen. Das ist also eine langfristige Investition in Menschen.
Welche Standortvorteile hat Düsseldorf für Euch?
Düsseldorf ist einfach eine sehr internationale und weltoffene Stadt, in der sich unsere Mitarbeitenden wohl fühlen. Für unsere französischen Kolleg:innen zum Beispiel sind gute Restaurants sehr wichtig und davon gibt es in Düsseldorf mehr als genug. Auch die große japanische Community, zu der in Gamer-Kreise eine hohe Affinität besteht, ist sicher ein Standvorteil. Und wir sind in gutem Austausch mit der Stadt und mit der Wirtschaftsförderung. Ich finde die größte Stärke, die wir hier haben, um unsere Branche voranzubringen, geht aber noch über Düsseldorf hinaus: Wir haben diese riesengroße, kreative Kultur- und Metropolregion Rhein Ruhr im direkten Umfeld.
Du würdest Dir also noch mehr interkommunale Zusammenarbeit wünschen?
Ja! Unsere Branche lebt von Clustern. Wenn wir einen Düsseldorfer Cluster haben und vielleicht einen Kölner Cluster und einen Ruhrgebiets-Cluster, würden wir eine gute Vernetzung schaffen, durch die auch andere Gaming-Unternehmen angezogen werden. Dann entstehennoch nachhaltigere Effekte. Ich hoffe, dass wir diesen Schritt gehen können. •
Interview: Rainer Kunst, Words: Tom Corrinth
Pictures: Celine Al-Mosawi