Kunst trifft Louisa Clement
Louisa Clement hat ihre Arbeiten bereits in zahlreichen Ausstellungen rund um den Globus präsentiert und wurde mit einigen Preisen geehrt, zuletzt mit dem Bonner Kunstpreis. VIVID-Herausgeber Rainer Kunst sprach mit ihr über die Ausbildung bei Gursky, über den Umgang mit Druck und der eigenen Verletzlichkeit, die Kraft von Kunst in der Welt und den Kunst-Standort Düsseldorf.
Was wolltest Du werden, als Du klein warst?
Vor allem Künstlerin! In meiner Familie war das Thema präsent und deswegen habe ich das nie hinterfragt. Es gab mal eine Phase, da wollte ich Architektur machen, was natürlich auch sehr präsent in meiner Familie war. Dann hab ich mal gedacht, dass ich besser Modedesign mache. Es blieb aber bei der Kunst. Wie hast Du damals den Platz an der Düsseldorfer Kunstakademie bekommen? Eigentlich wollte ich in London Kunst studieren, fand das Bachelor- und Master-System dort aber nicht so gut. Das hätte auch bedeutet, mit 100 Leuten in einem Kurs zu sitzen. Deswegen bin ich in Deutschland geblieben. Erst bin ich nach Karlsruhe gegangen und dann, als Andreas Gursky 2010 in Düsseldorf angefangen, habe ich mich für seine Meisterklasse beworben – und wurde genommen!
Was hat Dich an Andreas Gursky fasziniert?
Erstmal war das, was er gemacht hat, etwas ziemlich Neues. Mich hat vor allem diese total strenge Struktur, wie er die Fotos macht, dieser Perfektionismus, fasziniert. Und auch sein weiter Blick auf die Welt: Andreas Gursky sieht eher das Ganze – und das fand ich ziemlich spannend. Wir brauchen Kunst, die sich nicht nur um sich selbst dreht – und Andreas dreht sich nicht um sich selbst.
Wie hat er Dich geprägt?
Auf jeden Fall in meiner Denke, dass ich mich mit dem Zeitgeschehen auseinandersetze und das in der Kunst reflektiere. Und auch hinsichtlich der Qualität im Bild. Ich habe einen riesigen Respekt davor, wie Gursky das Inhaltliche mit dem optischen Anspruch verbindet – und habe davon auch etwas mitgenommen. Geprägt hat mich auch seine Haltung: Dass man kompromisslos seine Arbeit macht und dafür auch einsteht.
Du beschäftigst Dich in Deiner Kunst unter anderem damit, was die Digitalisierung mit dem Individuum macht. Was kann Kunst in Deinen Augen dazu beitragen und leisten, um als Individuum oder auch als Gesellschaft mit diesem Phänomen umzugehen?
Kunst ist dafür da, um einerseits eine Brücke zu bauen zu Dingen, die vielleicht nicht gut zu artikulieren sind wie Gefühle. Und Kunst ist dafür da, um Denkanstöße zu geben und auf Dinge hinzuweisen. Wie gehen wir miteinander um? Das ist glaube ich zum Beispiel eine wichtige Frage, die wir gerade im Digitalen noch beantworten müssen und wo wir auch vorsichtig sein müssen. Man sieht ja, wieviel Mobbing etwa virtuell bei der jüngeren Generation stattfindet. Wir müssen uns bewusster machen, dass KI zum Beispiel ein Manipulationsgenerator ist und nichts anderes. Wir müssen Herr unseres eigenen Denkens bleiben und uns nicht komplett leiten lassen. Angst muss man in meinen Augen nicht haben vor KI, solange wir unsere Empathie, unsere Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit als unsere menschlichen Stärken erkennen und behalten. Kreativität und das Um-die-Ecke-denken können sind ebenso Eigenschaften, die wir uns erhalten müssen – das kann keine KI und wird sie auch nie können!
Du hast Dich für Deine Arbeiten teilweise sehr geöffnet und hast auch sehr viel Privates mit eingebracht. Vielleicht mit den Repräsentantinnen, die Deinem Ebenbild nachgebaut und mit persönlichen Informationen gefüttert wurden, in extremster Form. Und Du zeigst ja auch die Verletzlichkeit in den Arbeiten. Was macht das mit Dir?
Du weißt, dass es relevant ist und dass Du das machen musst. Und sicherlich kann man einige Reaktionen schon voraussehen. Aber ja, es ist in der Tat schwierig damit umzugehen. Zwei Jahre nach der Produktion “Repräsentantinnen” habe ich mich einerseits daran gewöhnt, weiß aber auch, dass ich da durch einen ziemlichen Tiefpunkt gegangen bin. Ich kann aber nicht sagen, dass ich es nicht wieder tun würde. Kunst ist eben kein bequemer Weg, sie kann hart und anstrengend sein. Und dann steigert man sich natürlich mit jeder Arbeit und muss gucken, dass man nicht komplett daran kaputt geht. Es ist immer wieder dieses Reingehen, Rauskommen und dann Stabilisieren. Mit jeder Arbeit werde ich aber auch stabiler.
Andy Warhol war selbst als weltweit be- und anerkannter Künstler immer in Sorge, dass die nächste Ausstellung künstlerisch und finanziell ein Flop wird. Wie gehst Du als Künstlerin mit dem inhaltlichen und monetären Druck um?
Ich glaube, das ist auch eine Typfrage: Wie kritisch ist man mit sich selbst, wie sicher oder unsicher ist man? Ich habe jetzt gerade erst wieder eine Ausstellung mit zwei neuen Arbeiten gehabt. Mir geht da der Arsch auf Grundeis, muss ich ganz ehrlich sagen – obwohl das mit nur zwei Arbeiten ja eigentlich eine relativ entspannte Situation war. Erreicht man jemanden mit den Arbeiten oder nicht? Nur weil ich es für relevant halte, heißt das ja nicht, dass die Betrachter:innen es für relevant halten. Wenn ich Arbeiten zeige, die vorher schon mehrfach gezeigt wurden, bin ich sicher etwas entspannter. Aber diese Selbstkritik werde ich wohl nie ablegen.
Wie machst Du Dich in der Arbeit an einem Werk frei von diesem Druck? Wenn du wirklich konsequent durcharbeitest im Atelier, ist der Markt draußen. Da konzentriere ich mich auf das Arbeiten und entwickle das Werk. Und wenn das richtig ist, dann wird es irgendwann funktionieren. Sobald die Arbeiten draußen sind oder angefangen wird, über die Arbeiten zu kommunizieren, dann ist der Markt auch Thema und dann muss man auch drüber nachdenken: Wie verkauft man das? Aber das ist Gott sei Dank nicht mein Job. Ich glaube, der größte Fehler ist, wenn Du die Sachen für den Markt machst und diese Blase dann platzt. On the long run musst Du dein Ding konsequent durchziehen!. Hat sich die Käuferschaft verändert? Ja. Durch die Krise hat sich viel verändert – wie man Kunst kauft und was man für Kunst kauft. Die Leute sind auch vorsichtiger geworden. Da ist ein wahnsinniger Wandel drin gerade.
Deine Arbeiten sind in den letzten 10 Jahren schon in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt worden. In Galerien, Sammlungen und Museen in Deutschland, aber auch international von Tokio bis Los Angeles. Was willst Du noch erreichen?
Man will natürlich noch mehr zeigen und noch mehr entwickeln können, um auch selber die Welt zu verstehen. Die Arbeiten sind ja eine Sprache, die man spricht. Ausstellungen sind ein Teil dieser Sprachentwicklung. Und je mehr man ausstellt, vor allem international, desto mehr entwickelt man sich weiter, denn die Arbeiten werden in unterschiedlichen Kulturen auch unterschiedlich wahrgenommen – und das bringt einen dann wieder weiter. Kunst ist ein Hebel in der Welt, dessen Kraft nicht zu unterschätzen ist. Und den möchte ich auch nutzen, um Menschen zu bewegen.
Wie würdest du Erfolg beschreiben?
Erfolg ist für mich, wenn Du zufrieden sein kannst mit dem, was du erreicht hast, aber trotzdem noch eine Vision nach vorne hast.
Was macht die Stadt Düsseldorf für dich als Künstlerin so besonders?
Einerseits natürlich dieses Netzwerk an Künstler:innen, die hier vor Ort sind. Natürlich auch die Prägung durch die Kunstgeschichte, die hier an vielen Orten noch zu spüren ist. Die Kunstakademie und die vielen Institutionen und Galerien machen die Stadt besonders. Es ist halt nicht Berlin, wo sich alles verläuft, sondern es ist irgendwie nahbarer und familärer als in einer sehr großen Metropole. Düsseldorf ist ein Ort, wo man immer noch merkt, dass es einen Zusammenhalt gibt und dass die Kunst der Stadt etwas gibt. •
ABOUT LOUISA CLEMENT
• Born 1987 in Bonn, lives and works in Bonn
• 2007-2010 Studied painting and graphic art, class of Prof. Leni Hoffman, Academy of Fine Arts Karlsruhe
• 2010-2015 Studied Fine Art, class of Prof. Andreas Gursky, Kunstakademie Düsseldorf
• 2014 Master student of Prof. Andreas Gursky PRIZES AND SCHOLARSHIPS (SELECTION)
• 2023 Bonn Art Prize
• 2019 Scholarship of the Villa Aurora, Los Angeles
• 2017 Trustee EHF 2010 Scholarship of the Konrad Adenauer Foundation
• 2016 Award of the State of North Rhine-Westphalia for Fine Arts Cité des International des Arts, Paris Artist in residence at the 6th Marrakech Biennial, Morocco
• 2013 Max Ernst Scholarship, Brühl SOLO EXHIBITIONS (SELECTION):
• 2024 Kunsthalle Rosstock (September) Cassina Projects, Milan (September) Getting lost, Kunstmuseum Bonn
• 2023 human error, Paula Modersohn Becker Museum, Bremen compression, Eigen + Art Gallery, Berlin
• 2022 In residence, Casino Luxembourg
• 2021 Human Error, Kunst & Denker Contemporary, Düsseldorf Double Bind, Kunsthalle Gießen Resonating Cavity, ZAZ10GT Gallery, New York
INTERVIEW RAINER KUNST ____ TEXT TOM CORRINTH
PICTURES MIMO KHAIR