"You can set a lot in motion here in Terms of Fashion"
Seit wenigen Monaten ist Sarah Vieten neue Geschüftsführerin des Fashion Net e.V. Mit VIVID-Herausgeber Rainer Kunst sprach sie unter anderem über den Modestandort Düsseldorf, die Vorhaben und Visionen ihrer Netzwerkarbeit, Faszination für die Fashion-Industrie und das Thema Scheitern.
Du bist jetzt (Ende Mai 2023) 100 Tage neue Geschäftsführerin von Fashion Net. Was ist Dein erstes Zwischenfazit?
Ich bin schon voll drin im neuen Job, mein Kalender ist ziemlich voll. Aber ich habe mir auch sehr viel vorgenommen. Für die erste Zeit möchte ich möglichst viele Mitglieder möglichst persönlich treffen und kennenlernen. Gerade das Persönliche finde ich essenziell, um in einem guten Austausch zu sein und die Ideen, die man hat, dann auch gemeinsam umzusetzen.
Kannst Du kurz skizzieren, was die genaue Aufgabe von Fashion Net ist?
Wir sind die Branchenvertretung für den Modestandort Düsseldorf, als Verlängerung der Wirtschaftsförderung. Unsere Vereinsmitglieder kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen – zum Beispiel Privatwirtschaft, Hochschulen, Showrooms, Messe. Also Menschen, die in Düsseldorf Mode kreieren oder repräsentieren und in der Mode oder rund um die Mode arbeiten.
Was möchtest Du anders machen als Deine Vorgänger:innen?
Ich knüpfe auf jeden Fall an das Erbe von Angelika Firnrohr an. Vor ihrer Arbeit und ihren Errungenschaften für den Modestandort Düsseldorf habe ich den allergrößten Respekt. Darüber hinaus bringe ich dadurch, dass ich ein paar Jahre in der Mode oder auch im weitesten Sinne im Modebereich gearbeitet habe, ein riesiges Netzwerk mit. Vielleicht bin ich so eine Art neue Generation, die noch ein kleines bisschen mehr über den Tellerrand schaut. Die neben der weiterhin guten Betreuung der Big Player und bekannten. und sichtbaren Brands auch die noch mehr im Blick hat, die noch nicht viel Sichtbarkeit haben, wie den kleinen Designer im Hinterhof-Atelier. Denn alle diese Player ergeben das Gesamtbild, das sich zusammenfügt als Modestadt.
Welche Rolle spielt die Modestadt Düsseldorf denn heute noch?
Düsseldorf ist eine sehr ästhetische Stadt und auch eine wirtschaftlich sehr starke Stadt mit viel Kaufkraft. Und da ist die Mode auf jeden Fall einer der wichtigsten Pfeiler. Damit einher gehen auch die Bereiche Beauty und Lifestyle. Hier gibt es über 1000 Labels sowie 600 Showrooms, die teilweise das ganze Jahr geöffnet haben, also nicht nur zu den Peaks im Januar und Juli. Man kann hier sehr viel bewegen in puncto Mode.
Du hast selbst Erfahrung im lokalen Einzelhandel gesammelt. Wie muss er sich in Deinen Augen heute aufstellen, um erfolgreich zu sein?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kunden ein Shopping-Erlebnis suchen, wo sämtliche Sinne angesprochen werden. Also zum Beispiel durch die Haptik, das Material der Ware oder vielleicht auch die Möglichkeit einen Kaffee zu trinken vor Ort. Dazu gehört auch ein sehr guter persönlicher Service, den es im E-Commerce in dieser Form noch nicht gibt. Bei der persönlichen Begegnung mit Stammoder Bestandskunden kennen die Verkäufer:innen die Bedürfnisse häufig ganz gut und können auch persönliche Empfehlungen aussprechen. Außerdem wird das Customized Shopping immer wichtiger. Im Luxussegment zum Beispiel werden Handtaschen gerne personalisiert mit Initialien oder Sneaker-Anbieter kreieren auf Wunsch Sneaker nach dem eigenen Geschmack. Und es ist auch wichtig, dieses personalisierte Einkaufserlebnis mit dem Digitalen zu verbinden. Indem man sich zum Beispiel Produkte aussuchen kann per Touchscreen, die dann in die Umkleidekabine gehängt werden.
Wie geht das zusammen – den lokalen Einzelhandel stärken und gleichzeitig die digitalen Services vorantreiben und damit im weltweiten Wettbewerb stehen? Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Nein, denn beides ist wichtig. Gerade wenn man sich als Marke etablieren und eine gute Reichweite generieren will über die lokalen Grenzen hinaus. So können auch Menschen aus anderen Städten auf das jeweilige Angebot aufmerksam werden und in den Shop nach Düsseldorf kommen. Und der digitale Auftritt ist ja auch eine Infoplattform und Visitenkarte, die weit über den eigentlich Verkauf hinausgeht. Außerdem kann Bindung mit Kunden aufgebaut werden, die nicht in der Stadt sind. Deswegen: Es ist wichtig, sowohl stationär als auch online gut aufgestellt zu sein.
Warum bist Du in der Fashion-Industrie gelandet? Was ist hier so spannend für Dich?
Es ist vor allen Dingen diese besondere Mischung, die auch das Fashion Net bestimmt: Man hat sowohl Kontakt hat zu jungen Designer:innen und zu Start-ups mit ganz vielen kreativen Ideen als auch zu etablierten Unternehmen, die sehr viel Erfahrung haben und von denen man noch viel lernen kann. Darüber hinaus ist Mode eine sehr schöne Materie. Es macht mir einfach Spaß, mich mit schönen Dingen zu umgeben und dabei die persönlichen Begegnungen mit den Menschen dahinter zu haben. Menschen mit Ideen und Visionen, die einfach ihren Traum verfolgen. Es ist gar nicht so oberflächlich in der Modebranche, wie viele denken. Hinter jedem Kleidungsstück oder hinter jeder Kollektion steckt auch Herzblut und Leidenschaft. Und das ist das, was mich auch inspiriert.
Wie gehst Du mit Rückschlägen oder mit dem Thema Scheitern um?
Natürlich können Rückschläge erstmal ein bisschen runterziehen. Aber danach wieder aufzustehen – Krönchen richten, sagt man ja so schön – ist das, was mich motiviert. Vielleicht ist es so eine Art “Jetzt erst recht-Mentalität”. Ich glaube, das ist sowohl bei meinem Bruder als auch bei mir Erziehungssache. Uns wurde gezeigt, dass es eigentlich kein Scheitern gibt, sondern “You live, you learn” und dass es immer weitergeht. Und das ist letzten Endes mit einem krassen Urvertrauen verbunden. So kann Dir nichts wirklich Schlimmes passieren im Leben, weil du immer aufgefangen wirst, immer behütet und beschützt bist, auch von da oben. Ein Rückschlag oder ein Scheitern kann auch immer eine Chance für eine Bestandsaufnahme sein. Es gibt immer einen Grund, warum Dinge passieren.
Was wünschst Du Dir für das Fashion Net in den nächsten Jahren? Wie sähe Erfolg für Dich aus?
Ich wünsche mir, dass das Fashion Net weiter wächst und dass hier tolle neue Projekte in der Stadt entstehen. Neulich hat mir ein Mitglied berichtet, dass sie bei unserem After Work Cocktail einen neuen Kontakt geknüpft und dadurch einen neuen Job gefunden hat – sowas kann auch passieren und das macht mich happy! Ich wünsche mir, dass die Menschen noch mehr erkennen, dass das Fashion Net für alle da ist, die etwas bewegen möchten in der Stadt – in der Mode, in Beauty und Lifestye, in den angrenzenden Gewerken, aber auch in der Kunst und Kultur. Und dass man gemeinsam viele neue Ideen kreieren kann. Das ist eine tolle Aussicht zu wissen, dass es eigentlich niemals aufhört, denn Kreativität ist einfach unerschöpflich. Es wird immer wieder neue Leute in der Stadt geben und es wird auch immer wieder eine neue Generation geben, die nachrückt.
Du bist in Mönchengladbach geboren. Dein Bruder ist sogar Stadionsprecher von Borussia Mönchengladbach. Siehst Du Düsseldorf als Deine Heimat?
Ich lebe hier mittlerweile länger als in meiner Geburtsstadt Mönchengladbach. Und auch schon vorher, als Jugendliche, bin ich viel in Düsseldorf unterwegs gewesen und habe es lieben gelernt. Düsseldorf ist ganz klar meine Heimat. Hier ist mein Herz und hier ist meine Base. •
Interview Rainer Kunst / Text Tom Corrinth
Pictures Andreas Endermann