Shapers of Finance

Wie funktioniert ihr Geschäftsmodell? Wie gehen sie mit aktuellen und zukünftigen Herausforderungen um? Was tragen sie zum Wirtschaftsstandort Düsseldorf bei? Das und noch viel mehr wollten wir wissen von 3 wichtigen Entscheidungsträgern der Düsseldorfer Finance-Szene. Mit dabei: eine Genossenschaftsbank, eine Förderbank für das Land NRW und eine Sparkasse.  

Rainer Mellis, Vorstandssprecher der Volksbank Düsseldorf-Neuss

Rainer Mellis, Vorstandssprecher der Volksbank Düsseldorf-Neuss

VIVID: Der Genossenschaftsgedanke (Regionalität, Nachhaltigkeit, Solidarität etc.) umfasst Werte, die in der aktuellen Situation doch eigentlich verstärkt Zuspruch bekommen müssten. Wie erleben Sie dies im Tagesgeschäft als Genossenschaftsbank? 

Rainer Mellis: Werte sind heute in aller Munde, allerdings häufig nur dort! So interessiert sich angabegemäß ein Großteil der Bevölkerung für Nachhaltigkeit bei Finanzinstrumenten, entscheidet sich aber in der Praxis meist - wie schon immer - für (schnelle) Rendite. Das kann man sehr einfach beim Verhalten der aktuellen Mini-Trader bei den sich rasant verbreitenden Billig-Smartphonebrokern nachvollziehen. Das sind in meinen Augen meist keine nachhaltigen und seriösen Anlagemodelle. Regionalität, also das Betreiben des Filialgeschäftes mit ausgebildeter Mannschaft vor Ort, wie wir es tun, kostet Geld, ist aber, falls man es jeden Tag transparent und mit Empathie macht, ein vom Kunden gerne angenommenes Geschäftsgebaren. Dieses Geschäft zwischen „echten“ Menschen vor Ort hört sich nach Old-School-80ern an, ist aber einer unserer stabilen Erfolgsgaranten, auch für die Zukunft! Denn Menschen schauen zwar gerne Preisvergleiche im Internet, nutzen für einfache Transaktionen ihr Smartphone, suchen aber für ihre Finanzen kompetente, menschliche Qualitätsberatung mit individuellen Lösungen. Und das kann kein Robo-Advisor leisten! Vor allem, was ist, falls mal etwas unplanmäßig verläuft? Versuchen Sie dann einmal den Roboter via Chat-Bot zur erreichen. Bei uns ist selbst der Vorstand täglich nah am Geschehen und genau das wird von unseren Mitgliedern und Kunden und Mitarbeitenden geschätzt.

Sie fühlen sich insbesondere dem Mittelstand verpflichtet. Was sind in der aktuellen Situation die wichtigsten Kundenbedürfnisse und -themen? (Stand: 15. März 2022)

Derzeit beschäftigt uns alle natürlich der Russisch-Ukrainische Krieg und seine Auswirkungen besonders. Wir haben alle Geschäftsverbindungen unserer Kunden aus / mit diesen Staaten und zusätzlich Weißrussland gescreent und befinden uns aktuell in Analysegesprächen zu den effektiven und möglichen Auswirkungen auf deren Geschäfte. Derzeit sieht die – uns bekannte Situation – für unseren Kunden eher unproblematisch aus! Des Weiteren beobachten wir die Finanzmärkte mit unseren genossenschaftlichen Partnern täglich sehr eng, um über unsere Berater unseren Anlagekunden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und mögliche Risiken und / oder Risikoreduzierungsstrategien für die Depots aufzuzeigen. Auch die Pandemieentwicklung im Hinblick auf Mitarbeiterverfügbarkeit von Unternehmen ist weiter ein großes Thema. Wir unterstützen mit enger Begleitung und intensiver Beratung, damit alle so gut wie möglich durch diese bemerkenswerten und hoffentlich einmaligen Zeiten kommen.

Warum ist das genossenschaftliche Modell auch ein Modell für die großen Herausforderungen der Zukunft? 

Genossenschaften und Genossenschaftsbanken sind im 19. Jahrhundert in schweren Krisenzeiten als Selbsthilfeorganisationen unter dem Motto „Was der Einzelne nicht schafft, das schaffen viele GEMEINSAM!“ von Menschen für Menschen gegründet worden. Schönwetterskifahren können viele, aber wer sollte besser für die derzeitige Krisensituation durch COVID-19 und für eventuelle zukünftige kritische Szenarien gerüstet sein als Volksbanken oder Raiffeisenbanken? Wenn uns denn die Aufsicht, die Politik oder der Verbraucherschutz weiter Gutes tun lässt und uns nicht ausreguliert...!


Eckhard Forst, Vorstandsvorsitzender der NRW.BANK

Eckhard Forst, Vorstandsvorsitzender der NRW.BANK

VIVID: In der Corona-Pandemie ist Ihr Angebot vermutlich so gefragt wie nie. Was sind typische Förderanfragen von Banken bzw. deren vermittelten Unternehmen und mit welchen Maßnahmen und Programmen unterstützen Sie diese? Und: Mit welchen Förder-Volumina haben Sie im Rahmen der Corona-Hilfe die Wirtschaft unterstützt? Und wie unterstützt die NRW.BANK in der Ukraine-Krise? 

Eckhard Forst: In den Anfangsmonaten der Pandemie stand die Sicherung der Liquidität für die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen klar im Zentrum unserer Förderaktivitäten. Später dann ging es auch um Finanzierungen bspw. für digitale Erweiterungen des Geschäftsmodells. Die NRW.BANK erweiterte ihre Produktpalette und passte bestehende Förderprogramme an. Um die konjunkturelle Entwicklung angesichts der anhaltenden Pandemie zu stützen und Investitionen in die Zukunft zu fördern, hat die NRW.BANK ihre Corona-Hilfsprogramme bis 30. April 2022 verlängert. Ziel ist es, zusätzliche Impulse für wirtschaftliches Wachstum in NRW zu setzen und die Wirtschaft bei der notwendigen digitalen und nachhaltigen Transformation zu unterstützen. Die NRW.BANK hat 2020 im Förderfeld Wirtschaft ihre Förderung mehr als verdoppelt und 5,6 Milliarden Euro zugesagt. Im Vorjahr waren es noch 2,7 Milliarden Euro. Alleine die Nachfrage nach Corona-induzierten Hilfsprogrammen der KfW Bankengruppe im Durchleitungsgeschäft lag bei 3,5 Milliarden Euro. 2021 hat die NRW.BANK Fördermittel in Höhe von 12 Milliarden Euro vergeben. Ein Thema, von dem zu befürchten ist, dass es uns mindestens im Jahr 2022 und wahrscheinlich auch darüber hinaus beschäftigen wird, ist die aktuelle Situation in der Ukraine und die daraus zu erwartenden wirtschaftlichen und sozialen Notsituationen. Wir beobachten das Thema intensiv und sind hierzu auch mit unserem Auftraggeber, dem Land NRW, im Austausch. Das ist vielleicht das Gute, was wir aus vergangenen Krisen wie der Corona-Pandemie mitnehmen: Wir wissen, dass wir in der Lage sind, innerhalb kürzester Zeit ein passgenaues Förderangebot an den Markt zu bringen und umzusetzen. Und genau das werden wir auch tun, sobald wir gefordert sind, in dem Thema zu unterstützen.

Düsseldorf ist eine sehr international ausgerichtete Stadt mit vielen ausländischen Unternehmen und deutschen Firmen mit internationalen Niederlassungen. Was macht die NRW.BANK, um Firmen mit Expansionsbestreben zu unterstützen? 

Die NRW.BANK berät und unterstützt kleine und mittlere Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen mit Förderprogrammen bei allen Finanzierungsvorhaben. Dazu gehören auch Vorhaben im Ausland. Ein wichtiges Förderprogramm in diesem Zusammenhang ist der NRW.BANK.Universalkredit. Mit diesem zinsgünstigen Darlehen unterstützen wir Betriebsmittel- und Investitionsfinanzierungen auch für Auslandsinvestitionen. Die Außenwirtschaftsförderung der NRW.BANK bietet Unternehmen neben Förderprogrammen auch einen umfassenden, kostenfreien und wettbewerbsneutralen Beratungsansatz, der sich auf das individuelle Vorhaben des Unternehmens bezieht. Dabei fokussieren wir unsere Beratung auf die öffentlichen Fördermöglichkeiten für Unternehmen in allen Phasen ihrer Auslandsmarktaktivitäten. Das fängt an mit der Beratungsförderung für die unternehmensinterne Entwicklung einer Außenwirtschaftsstrategie und mündet bei Investitionsvorhaben im Ausland in einer Übersicht aller möglichen öffentlichen Fördermöglichkeiten auf regionaler, nationaler und EU-Ebene sowie einer Fördermittelrecherche für das Zielland.  

NRW und speziell Düsseldorf hat eine rege Gründerszene. Was machen Sie konkret, um innovative Ideen in der Region anzuschieben? Was ist ggf. noch ausbaufähig, um weiter als Start-up-Standort an Bedeutung zu gewinnen? 

Nordrhein-Westfalen ist ein Gründerland und es gibt viele Gründerinnen und Gründer, die mit ihren Geschäftsideen die Wirtschaft in unserem Land stärken. Als Förderbank für Nordrhein-Westfalen unterstützen wir Gründungsvorhaben mit einem breiten Spektrum an Förderinstrumenten wie zinsgünstige Darlehen oder Eigenkapitalfinanzierungen. Die Arbeit von Förderbanken geht jedoch über das bloße Bereitstellen von Kapital hinaus. Auch die Beratung von potenziellen Gründern gehört dazu. Institutionen wie die win Business Angels Initiative der NRW.BANK vermitteln Investoren, die nicht nur mit Geld, sondern auch mit ihren Kenntnissen und ihrem Netzwerk das Unternehmen zum Erfolg führen. Wettbewerbe wie der GRÜNDERPREIS NRW bieten jungen Unternehmen eine Plattform und die Möglichkeit ihre Geschäftsidee einem breiten Publikum bekannt zu machen. Um das Gründungsgeschehen in Nordrhein-Westfalen noch besser zu unterstützen, hat die NRW.BANK ihr Venture Capital-Geschäft unter dem Namen NRW.Venture gestärkt und marktkonformer aufgestellt. NRW.Venture fördert Start-ups und junge Unternehmen mit NRW-Bezug bei der Entwicklung und Vermarktung innovativer Technologien und Geschäftsmodelle sowie dem schnellen Ausbau ihres Geschäfts. Wir holen uns jetzt über ein externes Expertengremium verstärkt Wissen ins Haus. Außerdem haben wir intern ein Investment-Komitee mit Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen gegründet und verschlanken operative Prozesse in der Bank. Wir entscheiden damit ähnlich schnell wie private Venture-Capital-Fonds, genauso agil und mit vergleichbarem Aufwand. Ziel ist, ein stärkeres ‚Venture-Capital-Mindset‘ in der Ansprache und den internen Prozessen zu etablieren und weitere Investoren dazu zu motivieren, sich hierzulande zu engagieren.


Karin-Brigitte Göbel, Vorstandsvorsitzende der Stadtsparkasse Düsseldorf

VIVID: Wie wird Nachhaltigkeit in Ihrem Haus konkret umgesetzt und gelebt? 

Karin-Brigitte Göbel, Vorstandsvorsitzende der Stadtsparkasse Düsseldorf

Karin-Brigitte Göbel: Das Prinzip Nachhaltigkeit ist mittlerweile allgegenwärtig in der Stadtsparkasse Düsseldorf – sie ist tief in unserer Haltung, in unseren Produkten und auch unseren gesellschaftlichen Initiativen verankert. Um die ökologische, ökonomische und soziale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft aktiv voranzutreiben, haben wir uns dem Ziel Klimaneutralität 2035 der Stadt Düsseldorf verschrieben. Ein internes Nachhaltigkeits-Team bei der Stadtsparkasse koordiniert die dafür notwendigen umfassenden Maßnahmen. Das fängt an bei der sukzessiven Umstellung unserer Finanzprodukte. Wir haben bereits vor vielen Jahren mit den ersten nachhaltigen Fonds angefangen und bauen unser Portfolio weiter Richtung Nachhaltigkeit aus. Das betrifft zum Beispiel auch den Bereich Immobilienfinanzierung, etwa beim Neubau von Eigenheimen oder bei der Sanierung von Gewerbeimmobilien, wo wir ebenso großen Wert auf Klimaneutralität legen. Als regionaler Partner von vielen Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen in Düsseldorf wissen wir auch: Nicht alle Unternehmen können in demselben Tempo und Umfang Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzen. Deswegen schauen wir gemeinsam genau hin, wo und wie wir den Weg Richtung Nachhaltigkeit, etwa bei Neuinvestitionen, begleiten können. So unterstützen wir die regionale Wirtschaft und nähern uns gleichzeitig, Schritt für Schritt, gemeinsam den Nachhaltigkeitszielen. Alles, was wir in puncto Nachhaltigkeit machen, wird für die Öffentlichkeit zugänglich in unserem Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert und seit über zwei Jahren werden wir auch einem entsprechenden Rating unterzogen. Das heißt: Nachhaltigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch unser Unternehmen bis hin zu den Kunden, für die das Thema ebenfalls immer wichtiger wird.

Sie tragen das Wort Sparen im Unternehmensnamen und das Sparbuch ist Ihr bekanntestes Produkt. In Zeiten von Negativzinsen und hoher Inflation ist das allerdings weniger attraktiv geworden, andere Anlageformen – insbesondere Aktien und ETFs – werden verstärkt von Experten empfohlen. Wie positionieren Sie sich zu diesem Thema? 

Sparen bedeutete über viele Jahrhunderte hinweg und für viele Menschen auch heute immer noch: Das Geld kommt auf das Sparbuch. Will man sein Geld vermehren, reicht es vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen aber nicht mehr aus, es ausschließlich dort zu parken. Als Universalbank suchen wir gemeinsam mit unseren Kunden daher nach einer passenden Mischung für die Geldanlage. Dafür klären wir in persönlichen Gesprächen zum Beispiel, wie die Verfügbarkeit des angelegten Geldes sein soll oder wie die eigene Risikoaffinität aussieht. Welche Ziele werden mit der Anlage verfolgt? Wie nachhaltig soll sie sein? Aus all diesen Faktoren erstellen wir dann ein individuelles Portfolio, das neben dem Sparbuch und Tagesgeldkonto von Aktien und ETFs über Gold und Silber, Immobilien bis hin zu gemischten Fonds und Depotmandaten reichen kann. Auch wenn das Sparbuch gerade keine Zinsen abwirft, hat es Vorteile wie zum Beispiel seine Verfügbarkeit – das sollte man nicht vergessen! Für viele, gerade ältere Menschen hat das Sparbuch auch eine Art symbolische Bedeutung für ihr Geld. Ein kleines rotes Buch in Zeiten, wo alles digitaler wird, ist vielleicht auch so etwas wie ein analoger Anker. Ob das in 20 Jahren auch noch so sein wird, kann ich nicht einschätzen, aber noch erfreut sich das klassische Sparen großer Beliebtheit.

Was braucht Düsseldorf, um auch weiterhin ein starker Standort für die Finanzwirtschaft zu sein?

Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine haben sich häufig im Fokus stehende übergeordnete Zielsetzungen stark verändert. Wichtig ist im Moment vor allem, den Zusammenhalt der Menschen zu stärken und denen zu helfen, die unverschuldet in Not geraten sind. Die Stadtsparkasse Düsseldorf wird, wie in anderen Notsituationen auch, die Helferinnen und Helfer unterstützen, um die Not zu lindern. Und ich sehe uns alle als Bürgerinnen und Bürger in der Pflicht, den Menschen bestmöglich zur Seite zu stehen. In meinen Augen ist es auch enorm wichtig, dass wir diesen tollen Mix der Wirtschaft erhalten aus den vielen Start-ups, Kleinunternehmen, Mittelständlern und Großindustrie – und zwar branchenübergreifend. Wir brauchen auch eine hohe Attraktivität unserer Stadt, damit Fachkräfte Düsseldorf interessant finden und die hohe Kaufkraft bleibt. Die Finanzwirtschaft ist immer ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Aktivitäten. Wir untereinander brauchen einen Wettbewerb, um uns zu messen und zu entwickeln. Als Vorsitzende der Bankenvereinigung kann ich aber auch sagen, dass wir sehr gut partnerschaftlich zusammenarbeiten, um gemeinsam den Standort zu stärken. Ich sehe die Rolle der Finanzwirtschaft auch darin, Start-ups, FinTechs und etablierte Unternehmen zusammenzubringen und innovative Services und Produkte daraus zu entwickeln, was wiederum den Wirtschaftsstandort vielfältiger macht und stärkt. Als Sparkasse sind wir sehr gut vernetzt mit allen relevanten Playern in der Stadt und sehr nah dran am Geschehen, digital wie örtlich. So können wir den Prozess gut aktiv mitgestalten. •


Alle Interviews wurden zunächst vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs geführt und später an entsprechender Stelle zum Thema ergänzt.


Words Tom Corrinth
Pictures Volksbank Düsseldorf Neuss eG, NRW Bank, Michael Lübke