”Theatre is a high-performance sport“

 

Moritz Führmann ist TV- und Theaterschauspieler und am Schauspielhaus Düsseldorf ein bekanntes Gesicht. Ein Gespräch über Proben in Corona-Zeiten, neue Projekte und den Trip seines Lebens.

 
 

Moritz, wie geht es dir als Schauspieler in diesen Zeiten, in denen Theater ja immer wieder nur unter Einschränkungen arbeiten können und auch Dreharbeiten mit Mehraufwand verbunden sind? 

Der Aufwand, den die Theaterhäuser und auch die Fernsehsender seit Beginn der Pandemie betreiben, ist tatsächlich enorm. Ich kann die Wattestäbchen schon gar nicht mehr zählen, mit denen ich meine Nase bisher malträtiert habe. Aber im Ernst: Ich bin dankbar, dass trotz schwieriger Bedingungen doch so vieles möglich ist und umgesetzt wird. Ich hatte das Glück, dass ich 2020 vor allem fürs Fernsehen viele Aufträge bekommen habe und weiterarbeiten durfte. Anfangs war es natürlich ungewohnt, dass wir bis zum Take immer mit Maske geprobt haben. Da wird dir dann sehr deutlich, was es bedeutet, wenn der Kern – das Gesicht, die Mimik eines Schauspielers – verborgen bleibt. Wie wichtig also auch die Körpersprache ist. Abgesehen von den Aufnahmen und Proben waren die letzten Monate für mich als Künstler aber auch eine Zeit der Einkehr, in der tolle kreative Prozesse in Gang gekommen sind …

Dazu möchten wir natürlich mehr erfahren! 

2021 habe ich das Drehbuch für einen eigenen Kurzfilm geschrieben. Titel: „Letzte Ausfahrt Oberhausen“. Auf die Idee bin ich mit einem guten Freund gekommen. Wir lieben beide das Genre Ruhrpottkomödie. Dass meine Frau (die Schauspielerin Anna Schudt, Anm. d. Red.) just im Dortmunder Tatort die Rolle der Kommissarin Bönisch spielt, hat sicher zu meiner Begeisterung für die Gegend beigetragen. Wir haben das Thema Ruhrpott dann weitergesponnen und wollten zuerst einen Roman draus machen. Aber irgendwann habe ich gemerkt: Nein, das muss ein Film werden! Und inzwischen ist er das auch geworden. Jetzt arbeiten wir daran, wann und wo er gezeigt wird. 

„Abgesehen von den Aufnahmen und Proben waren die letzten Monate für mich als Künstler aber auch eine Zeit der Einkehr, in der tolle kreative Prozesse in Gang gekommen sind …“

Als Regisseur und Produzent bist du damit also auch in gewisser Weise unternehmerisch tätig: Wie gefällt dir das? 

Mir gefällt der Gedanke einer Unternehmung, im ganz klassischen Sinne. Ich finde, es hat etwas damit zu tun, dass man mit ganzem Herzen hinter einer Idee steht und alles daran setzt, sie zu verwirklichen. Es ist also etwas sehr Aktives und zugleich sehr Authentisches. Gleichzeitig braucht man die richtigen Partner, um eine solche Unternehmung ideell, aber auch finanziell auf die Beine zu stellen. Glücklicherweise haben sich für mein Filmprojekt tatsächlich viele gute Freunde gefunden, die mit mir daran glauben und das Ganze mit mir tragen. Überhaupt diese Lust und diese Begeisterung, die gemeinsam entsteht, wenn eine Idee Gestalt annimmt! Irgendwann gibt es diesen Point of no Return – dann sind alle so beseelt von der Sache, dass man einfach weitermachen muss. Das ist fantastisch. Ich würde fast sagen, die letzten Monate waren der Trip meines Lebens.

Seit 2009 bist du Ensemblemitglied am Schauspielhaus Düsseldorf. Hier hast du unter anderem in Stücken wie „Die Entdeckung des Himmels“, „Die Tage, die ich mit Gott verbrachte“ oder auch als „Mephisto“ sehr eindrucksvoll gespielt. Wie unterscheidet sich die Arbeit als Filmschauspieler von der Arbeit am Theater – handwerklich, aber auch für dich persönlich und durch das, was du von dir zeigst?

Theater ist Hochleistungssport. Man läuft kreuz und quer über die Bühne, man hängt an Seilen unter der Decke. Man müht sich mit dem Text ab und muss dabei so laut sprechen, dass die Zuschauer auch in der letzten Reihe noch alles verstehen. Jeden Kostümwechsel, jeden Musikeinsatz, jede Lichteinstellung muss man auf den Punkt genau kennen – dabei aber auch immer mit Unwägbarkeiten rechnen. Bei meinem ersten festen Engagement am Hans Otto Theater in Potsdam sollte ich in einem Stück ein Pferd trensen, es satteln und dann von der Bühne reiten. Sechs Wochen lang hatte ich das geübt und mich wirklich nicht leicht getan damit. Dann kam die Premiere. Das Licht ging an, ich auf die Bühne. Nur: Da war kein Pferd. Das Tier hatte sich einfach losgemacht. Also stand ich da, schaute in 500 leere Gesichter und sagte den Satz: „Wie verzweifelt ist meine Lage!“. Das gehörte ohnehin zu meinem Monolog, aber die Worte habe ich wohl nie wieder so ehrlich ausgesprochen wie an diesem Premierenabend. Damit will ich sagen: Im Theater ist man gewissermaßen ausgeliefert – auf eine sehr belebende Weise, da man immer auch die einmalige Situation und die Atmosphäre aus dem Publikum mit aufnimmt. Im Film ist das ein bisschen anders: Da gibt es für jeden Schauspieler diesen Moment, wenn der Regisseur „Bitte!“ sagt. Und dann kommt es vor allem bei Emotionen auf jede Nuance an. Die Kamera ist hier wie ein Vergrößerungsglas. Im Theater hingegen ist das schon schwieriger. Da gilt es, Emotionen regelrecht „über die Rampe zu drücken“. Beides ist eine große Herausforderung. Und bezogen auf deine Frage, was ich von mir zeige, kann ich sagen: Für beides muss man als Schauspieler eine gewisse Lockerheit besitzen und bereit sein, sich vom Publikum bis zu einem bestimmten Grad in die Seele gucken zu lassen.

„Im Theater ist man gewissermaßen ausgeliefert – auf eine sehr belebende Weise, da man immer auch die einmalige Situation und die Atmosphäre aus dem Publikum mit aufnimmt.”

Bei der Beschäftigung mit einer Figur arbeitet man ja sicher permanent auch an sich selbst. Was ist es zum Beispiel, was du in der Zeit, in der der du nun Schauspieler bist, über dich gelernt hast? 

Man lernt eine ganze Menge über sich, das ist wahr. Starke Emotionen, zum Beispiel Wut, die ich privat kaum kenne, kann ich auf der Bühne austesten und ausleben. Einmal musste ich mich von einem Gasometer, der Teil des Hans Otto Theaters in Potsdam ist, abseilen und mich meiner Höhenangst stellen. Oder nehmen wir wieder das Pferdebeispiel: Meine Angst vor Pferden wurde mir durch die Arbeit in Potsdam nochmal besonders deutlich. Und so gibt es immer mal wieder Dämonen, denen ich mich auf der Bühne stellen muss.

 

Wann können wir dich denn wieder im Rheinland auf der Bühne sehen? 

Als nächstes steht eine Lesung im Rahmen des Salonfestivals an, in der ich in die Rolle des „Felix Krull“ von Thomas Mann schlüpfe (siehe Kasten), darauf freue ich mich sehr.

Du hast vorhin von einer Zeit der Einkehr gesprochen, die die Krise unter anderem mit sich bringt. Wo verbringst du denn eine solche Zeit? Was ist hierfür ein geeigneter Ort in Düsseldorf? 

Der Rhein ist natürlich ein idealer Ort dafür. An den Rheinwiesen entlang spazieren zu gehen, das ist Entspannung pur – für mich allein, aber auch zusammen mit meiner Familie. Von der Kultur ganz zu schweigen: Hier hat Düsseldorf so viel zu bieten. Vom Theater bis hin zur Kunstszene. In der Stadt weht einfach ein sehr kultureller Geist, der Menschen zusammenbringt und den ich unheimlich schätze. •

 

About Moritz Führmann

Moritz Führmann studierte bis 2004 Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig. Sein erstes festes Theaterengagement hatte er von 2004 bis 2009 am Hans Otto Theater Potsdam. Anschließend bekam er ein Engagement am Düsseldorfer Schauspielhaus. 2013 und 2016 wurde er mit dem Düsseldorfer Theaterpreis „Gustaf“ als Bester Schauspieler ausgezeichnet. Seit 2002 arbeitet er auch für Film und Fernsehen. Seit 2018 ist er als freier Schauspieler tätig.


Words Elena Winter
Pictures Nils Schwarz and Thomas Rabsch