Turning old into different
Um Platz, vor allem für Wohnraum, im kompakten und wachsenden Düsseldorf zu schaffen, ist das Umnutzen von Bestandsimmobilien eine wichtige Option. Überall in der Stadt werden jetzt und in Zukunft kreative Projekte realisiert.
Aus Kirchen werden Moscheen oder umgekehrt, aus Palästen entstehen Bibliotheken: Die Umnutzung von Gebäuden hat eine sehr lange Geschichte, damals fand sie insbesondere bei Machtwechseln statt. Heute gibt es vor allem ökonomische, ökologische und soziale Gründe dafür. Sofern das Umbauen von Bestandsimmobilien baurechtlich und auch in Bezug auf die Bausubstanz (Statik etc.) Sinn macht, hat es gegenüber dem Neubau einige Vorteile. Es ist in der Regel umweltfreundlicher als der komplette Abriss, weil z. B. Bauschutt nur schwer zu recyclen ist. Häufig geht die Umnutzung auch schneller und günstiger vonstatten, weil zum Beispiel die Arbeit am Rohbau wegfällt und bestehende Infrastruktur wie Versorgungsleitungen genutzt werden können. Ein weiteres Argument, das gern bei denkmalgeschützten Konversionsprojekten angebracht wird: Das Stadtbild wir bewahrt und Kultur wird geschätzt, wenn Strukturen wiedererkennbar bleiben. Besonders attraktiv wird all das, wenn Städte solche Maßnahmen finanziell fördern.
Dass zentrales, grünes und gleichzeitig vergleichsweise preiswertes Wohnen in Düsseldorf umsetzbar ist, soll ein aktuelles Projekt auf der Corneliusstraße im Stadtteil Friedrichstadt zeigen. Im Rahmen von „Cornelius City Living“ entstehen aus dem ehemaligen Hauptsitz der Werbeagentur Grey derzeit 20 Eigentumswohnungen und zwei Gewerbeeinheiten. Das Niedrigenergiehaus soll ab Frühjahr 2026 bezugsfertig sein. Die frühere Gebäudestruktur hat die Projektentwickler dabei vor eine große Herausforderung gestellt: „Dadurch dass die Agentur ständig gewachsen ist und immer mehr Fläche im Bestand brauchte, wurden kontinuierlich zum Beispiel Durchbrüche gemacht und Etagen erweitert. Teilweise musste man auf derselben Etage eine Treppe runter und an anderer Stelle wieder eine Treppe hochlaufen, um einen bestimmten Gebäudeteil zu erreichen.
Was zu einer kreativen Arbeitsstätte sicherlich gepasst hat, war für das Projekt weniger geeignet“, erklärt Erik Sassenscheidt, Geschäftsführer der Sassenscheidt-Gruppe mit Hauptsitz in Düsseldorf, der an dieser Stelle als Service-Developer aktiv ist. Deswegen wurde das Gebäude vom Bauherrn, der Living Stones GmbH, komplett entkernt, nur die Hülle inklusive Dachstuhl blieben als Umbaubasis übrig. „Da der Rohbau erhalten bleibt, können wir die Wohnungen zu attraktiveren Preisen anbieten als andere Neubauten in vergleichbarer Lage“, erklärt David Pluhm von der Deutschen BauFinanz, verantwortlich für den Vertrieb. Fast die Hälfte des 600-Quadratmeter-Grundstückes werden zudem mit Dach- und Fassadenbegrünung ausgestattet und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach soll Allgemeinstrom, beispielsweise für den Fahrstuhl und die Treppenhausbeleuchtung, liefern. Außerdem bekommt jede Wohnung einen Balkon oder eine Terrasse. „Wir hoffen, dass dieses Konversationsprojekt Vorbild für weitere innerstädtische Projekte sein kann. Vor allem in Düsseldorf, wo Wohnraum Mangelware ist“, sagt Erik Sassenscheidt.
HEADQUARTERS TO BECOME RESIDENTIAL COMPLEX
Die ehemalige Unternehmenszentrale der SMS Group (Maschinen- und Anlagenbau) an der Eduard-Schloemann- Straße in Düsseltal wird einem umfassenden Transformationsprozess unterzogen. Auf Basis von Planungen des Architekturbüros HPP sollen dort 400 barrierefreie Wohnungen, darunter auch öffentlich geförderte Studierendenappartments, entstehen – teils in Holz-Hybrid- Bauweise und mit Fassadenbegrünung. Ebenso geplant sind eine Kita, Einzelhandel, Co-Working-Büros, Veranstaltungsräume und ein Fahrradverleih.
Einige Kilometer nordwestlich der Corneliusstraße, an der Grenze von Düsseldorf-Heerdt und Meerbusch, findet sich ein weiteres Beispiel für smarte Umnutzung – aber mit ganz anderer Ausrichtung und Größendimension: Das Areal Böhler, einst Zentrum der Stahlproduktion, hat sich im letzten Jahrzehnt zu einem bedeutenden Gewerbe-, Messe- und Veranstaltungsstandort entwickelt. Auf 230.000 Quadratmetern denkmalgeschützter Industriearchitektur bilden heute renommierte Messen wie Art Düsseldorf, Polis Convention und Cyclingworld Europe das Herzstück. Im „RheinRiff“ können sich Surfer:innen und Beachvolleyballer:innen austoben und Partyreihen wie die „Kiesgrube“ stattfinden. Und regelmäßige Veranstaltungen wie der Böhler Weihnachtsmarkt oder ManufakTOUR Pop-up haben sich ebenfalls etabliert. „Für die Zukunft haben wir aber noch viele weitere Pläne, um aus dem Ort für Maschinen einen Ort für Menschen zu machen“, sagt Luca Tito, Teamleiter Creative & Marketing beim Areal Böhler. Ein Baustein ist die Verbesserung der Aufenthaltsqualität durch neue Grünflächen und einen besseren Zugang zum Gelände. „Dafür wollen wir zum einen Flächen entsiegeln und Wald und Wiesen schaffen. Zum anderen werden wir Teile der geländeumschließenden Mauer einreißen, um mehr Zugangspunkte zum Areal zu haben“, ergänzt er. Noch ungenutzte Industriehallen sollen außerdem revitalisiert werden. „Wir wollen einen lebendigen Kultur- und Innovationsraum schaffen, an dem auch Synergien genutzt werden können. Zum Beispiel für interessante Unternehmen und Start-ups, die Innovation fördern, für Labore und Forschungsinstitute. Auch ein Food Court und eine Markthalle sind denkbar.
Da ist noch viel Luft nach oben“, so Tito. Für Unternehmen, die sich auf maßgeschneiderten Flächen einmieten können, sieht er einen Vorteil in puncto Fachkräftemangel: „Wer will heute schon noch ins klassische Büro? Bei uns dagegen bekommt man einen ganz besonderen Vibe beim Arbeiten: einzigartige Architektur, eine tolle Restaurantlandschaft direkt vor der Tür und ein vielfältiges Workshopangebot.“
Dies sind nur zwei Beispiele von vielen (siehe Info-Kasten), die derzeit und in Zukunft in Düsseldorf realisiert werden. Man darf gespannt sein, welche kreativen Ansätze noch entstehen nach dem Motto „Turn old into different“. •
Words: Tom Corrinth
Pictures: PR, Vision Reality, HPP Architekten GmbH, Andreas Endermann, Arne Piepke, Natasha auf'mKamp