Digital Wear

 

Von Produktion bis Präsentation: Digitalisierung revolutioniert die Fashionbranche in rasender Geschwindigkeit – mit hybriden Showrooms, virtuellen Stoffen und KI als Creative Director.

 

Digitale Replik: Virtueller Sneaker von Alexander McQueen.

Hinter den Kulissen haben digitale Prozesse die Abläufe und Produktion der Modebranche in den letzten Jahren optimiert. Entwürfe am Rechner mit 3D-Softwareprogrammen wie CLO 3D und Optitex ermöglichen es Designern mittlerweile, Kleidung auf eine ressourcensparendere und nachhaltigere Weise zu entwerfen und so den Abfall und die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren. Das Supply Chain Management vieler Fashion Brands ist komplett digitalisiert. Und dank Big Data und. Analytics können Modeunternehmen strategisch erfolgreicher sein, die Verbrauchererfahrung verbessern und effektiver auf Kundenwünsche reagieren. Aber auch die Touchpoints mit dem Endverbraucher werden von Digitalisierung bestimmt – allen voran natürlich der Verkauf. Neben dem Onlinehandel verfolgen immer mehr Fashion Brands hybride Verkaufsmodelle und somit die Verschmelzung der digitalen und analogen Welt. Analoge Serviceangebote wie hauseigene Maßateliers treffen dabei auf digitale Kassensysteme, Click&Collect und Features wie Tablets, Screens und smarte Spiegel und machen stationäre Stores so zum Point of Experience. Sowohl Einzelhändler wie P&C als auch Modemarken wie Esprit setzen zudem online auf interaktive Live Shopping Formate, in denen Styling-Experten im Live-Stream die neuesten Trends und Kollektionen präsentieren. Kunden können sich dabei in Echtzeit inspirieren lassen, Fragen stellen. – und per One-Click ihren Warenkorb füllen.

Auch den B2B Bereich hat Digitalisierung durchdrungen. Digitale Messen, virtuelle Showrooms und Orderplattformen wie Fashioncloud ermöglichen Modeeinkäufern eine 24/7 Order im Netz. Agenturen laden zu digitalen Fashion Days. Programmierte Prozesse wie Smart Replenishment bieten Marken und Einzelhändlern eine automatische Wiederauffüllung von Waren und sorgen somit für weniger Risiko für Einzelhändler und mehr Umsatz für Marken. Auch in vielen der über 500 Showrooms in Düsseldorf werden digitale Assets eingesetzt. Virtuelle Samples, 360

Ein Kleid aus Sternenstaub, ein
Anzug aus Wunderkerzen oder Sneaker aus Feuer? Coding macht möglich, was in der analogen Welt nicht existiert.

Die s.Oliver Group hat 2021 in Düsseldorf ihren ersten hybriden Showroom eröffnet –Modeeinkäufer können hier die Kollektion analog oder durch ein digitales Tool bestellen.

Grad-Screens, Order per Touchpad und digitale Kollektionsbücher: Showrooms von Tommy Hilfiger und Scotch&Soda im Medienhafen oder der kollektive Auftritt der s.Oliver Group in der Halle 29 in Derendorf verfolgen den Ansatz einer digitalen Liveorder vor Ort. Das Fashionlabel Alpha Tauri setzt sogar einen selbst entwickelten Roboter als selbstfahrenden Showroom- Assistenten ein. Der Roboter verfügt über eine frei bewegliche, hochauflösende Kamera, die mittels Zoom-Funktion ermöglicht, Materialen und Verarbeitung einzelner Kleidungsstücke aus der Nähe zu betrachten – und das bequem aus dem Büro aus zugeschaltet. „Ziel war es bei der Entwicklung unseres innovativen Showroom-Assistenten physische Orderprozesse virtuell abzubilden, ohne die Interaktivität und die zwischenmenschliche Komponente zu verlieren – im Fokus steht die optimale Verblendung von realem und digitalem Fashionretail“, sagt Ahmet Mercan, CEO Alpha Tauri.

Ein treibender Faktor für das hybride Orderkonzept der Modebranche ist Nachhaltigkeit und die Reduktion von Musterteilen. So ist es in vielen Fällen nicht mehr nötig, jeden Artikel der Kollektion in jeder Farb- und Qualitätsausführung im Showroom selbst zeigen zu müssen. Mit Hilfe neuer Technologien kann die Kollektionsentwicklung durch digitale Erfassung kontinuierlich geplant werden, Überhang auf dem Markt lässt sich so einfacher vermeiden.

Aber auch um ihrer kreativen Selbst wird Mode virtuell. Digital Fashion entwickelte sich in rasanter Zeit von spleeniger 3DKunst und Gaming-Asset zum Milliardengeschäft und zur kreativen Plattform für Luxusbrands und Jungdesigner. Luxushäuser wie Louis Vuitton, Gucci, Burberry und Balenciaga haben bereits virtuelle Kleidung und Accessoires als Zusatzgeschäft entdeckt. Avatare sind zu begehrten Models und Influencern geworden und Fashion Shows finden im Metaverse statt. Düsseldorfer Kreativagenturen wie Onomoto erschaffen rein digitale Produkte und Customer Experiences – etwa einen virtuellen Sneakerlaunch für den Kultstore Asphaltgold. Virtuelle Kleidungsstücke sind nicht durch Material, Größe, Geschlechternormen. oder Schwerkraft begrenzt. Digitales Design ermöglicht es gerade jungen Designern, Kollektionen zu zeigen, ohne in Materialien, Atelierräume oder teure Ausrüstung investieren zu müssen. Ein Kleid aus Sternenstaub, ein Anzug aus Wunderkerzen oder Sneaker aus Feuer? Coding macht möglich, was in der analogen Welt nicht existiert.

Das Modelabel Alpha Tauri setzt in seinen Showrooms in Düsseldorf und Salzburg einen selbstfahrenden Roboter als Assistenten ein.

Virtuelle Mode verschiebt die Grenzen des Kreativen. Sie hebt Einschränkungen in Bezug auf die Formbarkeit von Materialien, ein humanoides Farbspektrum und sogar die Schwerkraft auf. Junge Designtalente widmen ihre Kreativität bereits ausschließlich digitalen Entwürfen, wie Iris van Wees oder das Londoner Digital Couture-Haus Auroboros. Sneakerbrands mit kryptischen Namen wie ISDKV und RTFKT zeigen digitale Drops aus Bits and Bytes. Und immer mehr Online-Stores wie Replicant Fashion und DressX kuratieren das wachsende Angebot rein digitaler Kleidung. H&M hat einen virtuellen Showroom ins Leben gerufen, Zara und Mango verkaufen virtuelle Kollektionen und About You setzt mit Hypewear auf eine Plattform für digitale Bekleidung.

Fashion Brands wie Tommy Hilfiger präsentieren sich ganz selbstbewusst im Metaverse.

Und mit Künstlicher Intelligenz wartet the next big thing darauf, auch die gesamte Modebranche zu revolutionieren. Vom einzelnen Muster für ein Kleid bis zu einer gesamten Kollektion – von KI generierte Kleidung ist der neueste Hype. Simon Graff, Gründer der Metaverse-Agentur "For Real?!" hat Mithilfe von ChatGPT und Midjourney bereits die rein digitale Brand DNSYS gegründet und weitere dürften folgen. Abgesehen vom kreativen Potential von KI in den Bereichen Design und Vermarktung wird sie die Kommunikation der Modebranche revolutionieren und allen voran wohl den Kundenservice. Die Online Fashionplattform Zalando kündigte jüngst bereits die Beta-Version eines neuen Fashion Assistant auf Basis von ChatGPT an. Mit dem neuen Fashion Assistant können Kundinnen und Kunden zukünftig in eigenen Worten nach Produkten suchen, bekommen individuelle Produktempfehlungen ihrer Lieblingsmarken und zusätzliche Beratung. Jeder, der sich schon mal durch das schier unendliche Angebot der Welt des Onlineshoppings gescrollt hat, dürfte für diesen blitzschnellen persönlichen Stylisten dankbar sein. •


Words: Karolina Landowski
Pictures PR, The Fabricant, s.Oliver, Alpha Tauri, Auroboros, Tommy Hilfiger