Digital durch die Krise

In Zeiten von Corona zeigt sich auch, wofür die Digitalisierung eigentlich gut ist: Sie kann Arbeitsprozesse vereinfachen und trotz „Social Distancing“ dafür sorgen, dass wir einander begegnen und uns austauschen.

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Die Umsätze: rückläufig. Die Abiturprüfungen: verschoben. Nachmittage bei Fortuna: vorerst undenkbar. COVID-19 wirkt sich auf sämtliche Bereiche unseres Lebens aus. Um einer rasanten und unkontrollierbaren Verbreitung des Virus etwas entgegenzusetzen, tun wir etwas scheinbar Paradoxes. Etwas, das unsere Leistungsgesellschaft kaum noch kennt: Wir nehmen das Tempo raus. Die berühmte, oft herbeigesehnte Entschleunigung – jetzt bekommen wir sie sogar offiziell verordnet. Wir bleiben zu Hause, richten uns dort unser Büro ein und strukturieren unseren Alltag völlig um.

Manche kommen mit dieser neuen Situation bislang ganz gut zurecht. Das liegt zum großen Teil daran, dass uns heute jede Menge Technologien zur Verfügung stehen, durch die wir uns trotz Kontaktverbot und Social Distancing angebunden fühlen. Wir telefonieren wieder mehr, verabreden uns zum Video-Chat, „besuchen“ via Livestream ein Konzert oder kaufen online ein. Nach Angaben von Vodafone seien Anrufe in Deutschland infolge der Corona-Krise um 50 Prozent gestiegen, der Internet-Datenverkehr um 40 Prozent. Die Onlinebibliothek der Stadt ist eine weitere Möglichkeit, die Zeit zu Hause zu verbringen: Bürger können rund um die Uhr elektronische Medien ausleihen und Fachdatenbanken nutzen. Bis zum Ende der Schließungszeit bieten die Stadtbüchereien Düsseldorf hierfür ein befristetes kostenfreies digitales Abo. 

„Im Homeoffice fühlt man sich oft isoliert und neigt dazu, sich schnell ablenken zu lassen. Daher findet unser Konzept vom ‚Großraumbüro in der Cloud‘ nun besonderen Anklang.“

Auch beruflich stehen uns zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung: von der sicheren Anbindung ans Unternehmensnetzwerk bis hin zu Tools für digitale Konferenzen, Workshops und Vorträge. Das Düsseldorf Start-up Lyno beispielsweise hat eine Kollaborationsplattform entwickelt, die räumlich getrennte Teams virtuell an einem Ort zusammenbringt. Über Voice Channels können Teammitglieder erkennen, welche Kollegen gerade im Gespräch sind. „Im Homeoffice fühlt man sich oft isoliert und neigt dazu, sich schnell ablenken zu lassen. Daher findet unser Konzept vom ‚Großraumbüro in der Cloud‘ nun besonderen Anklang“, sagt Giovanni Cascio, Geschäftsführer und Mitgründer von Lyno. Er glaubt, dass die Akzeptanz vom Homeoffice nach der Krise anhält und dass Kollaborationstools entsprechend stärker nachgefragt werden. Ähnlich schätzt er auch die generelle Entwicklung der Digitalisierung ein: „Aktuell zeigt sich deutlich, dass sie in allen Branchen dazu beiträgt, die Wirtschaft auch in Ausnahmesituationen entscheidend zu stützen.“

„In der aktuellen Situation sind Tools gefragt, die Unternehmen helfen, auch digital ihre Kunden bestmöglich zu beraten.“

Foxbase macht ebenfalls seine Erfahrungen mit der Krise. Das Düsseldorfer Start-up hat eine Software entwickelt, mit der User eine digitale Produktberatung bekommen. Die Empfehlungslogik dabei orientiert sich an möglichen Fragen, die ein Verkäufer im Kundengespräch in der Regel stellen würde, und ermittelt Produkte, die zu den Bedürfnissen des Kunden passen. „Wir erleben gerade zwei unterschiedliche Szenarien. Die einen Unternehmen schließen alle Schranken, reagieren mit Invest-Stopp und wollen erst einmal den Markt beobachten. Die Mehrzahl aber hat jetzt noch mehr Interesse an der Digitalisierung ihres Vertriebs“, sagt Benjamin Dammertz, Mitgründer und CEO von Foxbase. „In der aktuellen Situation sind Tools gefragt, die Unternehmen helfen, auch digital ihre Kunden bestmöglich zu beraten.“

Auch Schulen und Schüler brauchen jetzt noch mehr Unterstützung. Die Stadt hat hierfür eine digitale Lernplattform mit dem Namen „It's learning“ bereitgestellt, die von eigenen Endgeräten zu Hause angesteuert werden kann. Zusätzlich stehen 15.000 Tablets bereit, die zu den bislang 8.500 eingesetzten Geräten hinzukommen. So können Schüler trotz Schulschließungen auf Unterrichtsmaterialien zugreifen und mit ihren Lehrern kommunizieren. „Der Medienentwicklungsplan der Landeshauptstadt Düsseldorf ist darauf ausgerichtet, in den kommenden Jahren analoges Lernen 1:1 durch digitales Lernen zu ersetzen und zudem auch die entsprechenden notwendigen Techniken, Geräte und Finanzmittel zur Verfügung zu stellen“, sagt Stadtdirektor Burkhard Hintzsche. Die Stadt will hierfür in den kommenden Jahren 100 Millionen Euro investieren. Wegen der aktuellen Lage werden einige Maßnahmen des Medienentwicklungsplans nun vorgezogen.

Der aktuell wichtigste Bereich ist aber mit Sicherheit das Gesundheitswesen. Hier bringen digitale Lösungen ebenfalls große Chancen mit sich: Sie helfen enorm dabei, Prozesse in Kliniken, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen zu verbessern und Patienten zu schützen. Letzteres geschieht zum Beispiel durch Videosprechstunden. Mitte März kündigte die Kassenärztliche Bundesvereinigung an, dass angesichts der weiteren Ausbreitung des Coronavirus die Begrenzungsregelungen hierfür vorerst für das zweite Quartal aufgehoben sind. Normalerweise dürfen Ärzte und Psychotherapeuten pro Quartal maximal jeden fünften Patienten ausschließlich per Video behandeln, ohne dass dieser in die Praxis kommen muss. Auch die Menge der Leistungen, die in Videosprechstunden durchgeführt werden dürfen, ist gewöhnlich auf 20 Prozent begrenzt. Für den Rest ist ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt erforderlich. Corona macht all diese Reglungen nun hinfällig – und digitale Technik macht möglich, dass Patienten dabei auch „mit Abstand“ gut betreut und versorgt werden. • 

www.lyno.io
www.foxbase.de
www.itslearning.com/de


Text: Elena Winter