Düsseldorf´s industry in transition
Das produzierende Gewerbe in der Landeshauptstadt ist eines der wirtschaftlich stärksten in ganz NRW. Erst recht, wenn man das gesamte Netzwerk aus Kernindustrie, Dienstleistern und Tech-Startups betrachtet. Ein Masterplan soll dieses Netzwerk in eine Zukunft voller Perspektiven führen.
Schreibtisch des Ruhrgebiets – so wurde und wird Düsseldorf noch gerne bezeichnet. Die Metapher rührt aus einer Zeit, als viele produzierende Firmen aus dem Ruhrpott hier ihren Verwaltungssitz eröffneten. Heutzutage arbeiten sogar 86 Prozent aller Beschäftigten im Dienstleistungssektor, keine andere deutsche Großstadt kann eine solche Quote aufweisen. Was viele Menschen aber nicht unbedingt vermuten würden: Düsseldorf ist ebenso einer der stärksten Industriestandorte in NRW!
Für geballte Produktions-Power sorgen zahlreiche, meist auch international agierende Unternehmen. Zu den Größeren und Bekannteren zählen Teekanne, Löwensenf, Komatsu Mining (siehe S. 22), Hakle, BASF, Vallourec und Daimler mit seinem Sprinter-Werk (siehe S. 60) – um nur einige zu nennen. Sie und viele weitere Player machen unseren Alltag überhaupt erst möglich, denn „Industrie ist nicht alles, aber ohne Industrie ist alles nichts“. Unterstützt werden sie durch jede Menge industrienaher Dienstleister, die etwa outgesourcte Prozesse übernehmen, und Start-ups, die Produktionsprozesse innovieren (siehe S. 18). Am Standort Düsseldorf schätzen sie alle vor allem die zentrale Lage und gute Infrastruktur mitten in Europa, gut qualifizierte Beschäftigte sowie ein hocheffizientes Businessnetzwerk.
Gleichzeitig wächst die Stadt stetig, die Nachfrage nach Wohnraum ist enorm. Weil das Flächenangebot an seine Grenzen stößt, stehen Nutzungsansprüche wie Arbeiten, Wohnen, Freizeit und Verkehr in starker Konkurrenz zu einander. Wie bekommt man es also hin, eine derart lebenswerte Stadt wie Düsseldorf so ausgewogen und nachhaltig wie möglich zu planen und zu entwickeln? Und wie schafft man es, die dabei so wichtige Industrie mit ins Boot zu holen?
Beispielsweise mit einem Masterplan Industrie. Bereits im Jahr 2011 haben sich Stadt, IHK, Industrieunternehmen und Verbände dafür zusammengetan. „Der Masterplan Industrie ist eine Initiative mit dem Ziel, Düsseldorf als wichtigen Industriestandort nachhaltig zu sichern und zukunftsfähig zu machen. Dazu gehört es, den ansässigen Unternehmen Planungssicherheit und Perspektiven für die Zukunft zu bieten. Unsere Stadtplanung ist in diesem Prozess wichtiger Akteur, ohne sie könnten wir als Wirtschaftsförderung konkrete Maßnahmen nicht umsetzen“, sagt Theresa Winkels, Amtsleiterin der Wirtschaftsförderung Düsseldorf.
Düsseldorf als wichtigen industriestandort nachhaltig sichern und zukunftsfähig machen.
In Arbeitsgruppen haben die Akteure Themen identifiziert und Grundlagen erarbeitet. Das Bewusstsein für die Bedeutung von Industrie wurde geschärft und die Politik eingebunden. Alle zusammen haben auf diese Weise wichtige Infrastrukturprojekte angestoßen. Ein konkretes Beispiel ist die Eisenbahnunterführung an der Bamberger Straße: Der notwendige Transportweg der großen Kranteile der Firma Konecranes oder der Maschinen von Komatsu zum Rhein führt bis dato über die Gleise der Bahn – sobald die Strecke für den Rhein-Ruhr-Express (RRX) genutzt wird, ist das nicht mehr möglich. Gemeinsam hat man sich daher für eine Tieferlegung der Bamberger Straße entschieden, an der gegenwärtig gebaut wird. Diese Maßnahme hat den Standort einiger Industrieunternehmen im Düsseldorfer Süden gesichert.
Die Akteure des Masterplans Industrie begleiten konkrete Projekte – und sie konzentrieren sich auf zwei Schwerpunkte: Flächenmanagement und Industrieakzeptanz. „In Düsseldorf müssen wir sowohl gut leben als auch arbeiten können. Dafür müssen wir in Politik und Bevölkerung die Bedeutung von industrieller Produktion erklären und für die dafür notwendigen Wirtschaftsflächen in urbanen Zentren werben“, so Theresa Winkels. Rückenwind in puncto Planungssicherheit bekam die Düsseldorfer Industrie Ende 2018: Der Rat der Stadt beschloss eine „Flächenstrategie“, mit der die Standorte der Industrie- und Handwerksbetriebe zusätzlich gestärkt werden. Dabei müssen natürlich rechtliche Rahmenbedingungen wie etwa Immissions- oder Planungsrecht berücksichtigt und die konkreten Projektpläne damit in Einklang gebracht werden.
Das Herzstück dieser Flächenstrategie ist die sogenannte Kernzonenkarte mit unterschiedlichen Kategorien für Industrie- und Gewerbegebiete. „In den Kernzonen machen wir, je nach Ausgangssituation, grundsätzlich zwei Dinge: Wir schützen diese Flächen oder wir aktivieren sie“, erklärt Theresa Winkels. Aktivieren kann wiederum bedeuten: Brachflächen werden neu genutzt oder bestehende Flächen effizienter gestaltet, indem man zum Beispiel auch im gewerblichen Bereich mehrgeschossig baut, wie etwa an der Theodorstraße angedacht. Hier gab es im September 2019 einen öffentlichen Workshop mit dem Ziel Leitlinien für die zukünftige Entwicklung zu definieren. „Ich wünsche mir, dass es an solchen Orten einmal campusartige Strukturen gibt, wo Produktion, Handwerk und auch Forschung Hand in Hand arbeiten und dadurch auch höhere Wertschöpfung zustande kommt. Die einzelnen Bausteine von Industrie also, die wir digitalisieren und innovieren wollen“, sagt Theresa Winkels.
Hybride Strukturen, in denen Büroflächen, produzierendes Gewerbe und etwa auch Gastronomie und Naherholung intelligent und kreativ an einem Ort verbunden werden, könnten auch zu einer höheren Akzeptanz von Industrie bei den Düsseldorfer Bürgern beitragen. Denn diese Industrieakzeptanz ist noch ausbaufähig, weiß Marion Hörsken, Geschäftsführerin der IHK Düsseldorf, aus ihrer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema zu berichten: „Es ist noch ein dickes Brett zu bohren. Deswegen wollen wir zukünftig für noch mehr Transparenz sorgen und zeigen, dass die Düsseldorfer Industrieunternehmen einen wichtigen Beitrag leisten, dass es Düsseldorf so gut geht. Gerade in turbulenten Zeiten wie diesen kann die Industrie Motor für den Aufschwung sein. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Fragen rund um den Klimaschutz ist es wichtig zu zeigen, dass die Industrieunternehmen die Themen Klima- und Ressourcenschutz sehr ernst nehmen.“ Dass Industrie spannend ist, kann die Öffentlichkeit zum Beispiel bei der „Langen Nacht der Industrie“ erleben. Eigentlich hätte die Veranstaltung in diesem Jahr die 10. Auflage in Düsseldorf und in der Region Rhein-Ruhr gefeiert, coronabedingt wird die Veranstaltung auf Oktober 2021 verschoben. Die IHK Düsseldorf ist seit Beginn Partner der bundesweit größten Langen Nacht der Industrie. „Es ist toll zu sehen, wie begeistert Menschen von Industrie sind, wenn sie diese erst einmal erleben und Einblicke in die Produktion gewinnen. Sie sehen, wo die Produkte hergestellt werden, die sie im Alltag nutzen. Und dieses ‚Begreifen‘ trägt ganz viel zur Akzeptanz von Industrie bei“, so Hörsken.
Um die örtliche Industrie bestmöglich unterstützen zu können, muss man auch ihre Struktur genaustens kennen. Und die hat sich in den letzten Jahren – auch getrieben durch die digitale Transformation – stark verändert. So lagern Industriebetriebe zum Beispiel zunehmend bestimmte Aufgabenfelder an externe Dienstleister aus, um sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können. Bisherige Wirtschaftsstatistiken bilden diese komplexen Verflechtungen aber noch nicht ab. Das hat die IHK Düsseldorf dazu veranlasst, jüngst eine Studie mit dem Titel „Netzwerk Industrie“ durchzuführen, deren Ergebnisse seit November 2019 vorliegen (siehe Grafik!).
„Düsseldorf ist der Prototyp eines städtischen, von industriellem Outsourcing geprägten Standortes.“
„Die rein ‚klassische‘ Betrachtung der Industrie hilft hier nicht weiter, denn insbesondere in den städtisch geprägten Räumen hat sich das produzierende Gewerbe längst zu einem Gefüge aus produzierenden Unternehmen, industrienahen Dienstleistern und vermehrt auch technologieorientierten Gründungen gewandelt“, erklärt Marion Hörsken. Auf Basis der Beschäftigtenzahlen wurde für das Düsseldorfer „Netzwerk Industrie“ errechnet, dass dort fast 95.000 Menschen arbeiten, davon allein 50.900 im produzierenden Gewerbe. Diese Zahlen belegen, dass Düsseldorf der Prototyp eines städtischen, von industriellem Outsourcing geprägten Standortes ist. Das Netzwerk Industrie treibt hier Innovationen, neue Geschäftsfelder und neue Geschäftsmodelle voran. Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie: Industriebetriebe und ihre Dienstleister sind häufig auch räumlich eng miteinander verbunden. „Dies ist ein klarer Standortvorteil für unsere Region“, so Hörsken. •
Words: Tom Corrinth
Pictures: PR