Eat, move, dress: with a sense of community
Wie ein roter – nein, grüner – Faden zieht sich Nachhaltigkeit durch Düsseldorfs Wirtschaft. VIVID hat sich in einigen Branchen umgeschaut.
Bereits bei der Stadtplanung wird Nachhaltigkeit groß geschrieben in der Landeshauptstadt: Das Entwicklungskonzept „Raumwerk D“ sucht Antworten auf Fragen wie: Wie soll das schnell wachsende Düsseldorf möglichst ausgewogen und gemischt weiter gebaut werden? Wie kann es dabei noch grüner werden? Und wie lässt sich der Verkehr reduzieren bzw. nachhaltig gestalten? Vorbildliche Lösungen für die letzte Frage liefern zahlreiche Unternehmen. ABC Logistik etwa bündelt mit seinem Konzept „Incharge“ vorhandene Warenströme, indem es nur einmal täglich die teilnehmenden Unternehmen in der Stadt mit Elektro-Fahrzeugen konsolidiert beliefert – Emissionen und innerstädtischer Verkehr werden auf diese Weise reduziert. Das Energieunternehmen Uniper befasst sich im aktuellen Projekt MOVE mit mobilen Schnelladesäulen für E-Fahrzeuge: „An den mobilen Tankstellen kann man in rund zehn Minuten eine Reichweite von 100 Kilometer laden. Gespeist werden sie über Batterien – man braucht also kein Netz. Die Batterien werden an zentralen Netzknotenpunkten geladen und können dort auch als Stromspeicher dienen“, erklärt Georg Oppermann, Pressesprecher bei Uniper. Einsetzbar ist MOVE zum Beispiel bei Konzerten und Festivals, aber auch für Restaurants, Tankstellen, Supermärkte oder auch Städte und Gemeinden. Denn die setzen ebenso auf klimafreundliche Mobilität, wie der Fahrservice CleverShuttle oder der E-Roller eddy bei den Stadtwerken Düsseldorf zeigen. Auch die Zukunftstechnologie Wasserstoff ist in der Landeshauptstadt ein Thema: Air Liquide etwa bietet öffentliche Tankstellen dafür an.
“For us sustainability also means an organic company growth, by the way.”
Das derzeit wohl bekannteste Beispiel für nachhaltige Architektur in Düsseldorf liefern ingenhoven architects mit dem „Kö-Bogen 2“: Insgesamt 8 Kilometer Hainbuchenhecken zieren die Fassade des Gebäudekomplexes und machen es damit zu Europas größter Grünfassade. Sie verbessert das Mikroklima der Stadt und ist eine klare Antwort Düsseldorfs auf den Klimawandel. Etwas weiter im Norden, nahe des Düsseldorfer Flughafens, entsteht aktuell ein weiteres Vorzeige-Gebäude in puncto Nachhaltigkeit: der EUREF-Campus Düsseldorf. Wie in einem Reallabor sollen sich auf dem CO2-neutral gebauten Campus einmal Start-ups, etablierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen vernetzen. Dank regenerativer Energie, intelligenter Gebäudetechnik und viel Grün soll die Stadt hier zum „internationalen Schaufenster der Energiewende“ werden.
Für Annelen Schmidt, Geschäftsführerin des 2016 gegründeten Architektur- und Projektentwicklungsbüros Nidus, bedeutet nachhaltige Architektur auch, Gebäudebestand möglichst zu erhalten. „Denn der ist grundsätzlich sehr gut in Düsseldorf.“ Besonders Bauten aus den 1950er-Jahren mit ihrer „gewissen Leichtigkeit“ haben es dem Team um Annelen Schmidt und Ana Vollenbroich angetan: Derzeit saniert Nidus zum Beispiel im Zooviertel ein Mehrfamilienhaus (Baujahr 1955) des bekannten Düsseldorfer Architekten Bruno Lambart, nachhaltig umgestaltet ist bereits eine ehemalige Armaturenfabrik in Oberbilk zum Bürokomplex. „Nachhaltigkeit heißt für uns übrigens auch organisches Unternehmenswachstum. Langsam, aber gesund und refinanziert durch Projekte“, so Schmidt.
Unmittelbar selbst steuern kann man eine nachhaltige Lebensweise über den eigenen Konsum. Über das
gesamte Stadtgebiet verteilt gibt es dafür in Düsseldorf Initiativen und Angebote – von vegetarischen bzw. veganen Lieferservices über verschiedene Unverpacktläden bis hin zu Reparaturcafés und Gemeinschaftsgärten mit eigenem Anbau.
Speziell bei der Entwicklung nachhaltiger Food-Lösungen ist der Düsseldorfer Handelsriese METRO ganz vorne dabei. Schon seit Jahren testet die Geschäftseinheit NX-Food innovative Konzepte wie Vertical Farming, Nahrungsmittel aus Insekten oder aus dem 3D-Drucker – und fördert dabei auch erfolgreich Start-ups. Im März 2019 war die METRO zudem eines der Gründungsmitglieder des Bundesverbandes Alternative Proteinquellen BALPro. Dieser Verband sitzt im Coworking-Space SUPER7000 – in unmittelbarer Nachbarschaft zum Foodhub NRW und zahlreichen Food-Start-ups. Verbandschef ist Fabio Ziemßen, Director Food Innovation bei der METRO: „In unserem Experten-Netzwerk stellen wir Mitgliedern transparente und klare Informationen rund um nicht-konventionelle Proteinquellen – also etwa pflanzen-, algen- oder pilzbasiert – zur Verfügung.“ Ziemßen beobachtet, dass es sich dabei längst nicht mehr um ein Nischenthema handelt und das Interesse seitens der Konsumenten kontinuierlich steigt: „Wir erleben gerade die Transformation zu einem alternativen Food-Universum.“
„Wir erleben gerade die Transformation zu einem alternativen Food-
Universum.“
Ein anderer großer Düsseldorfer Player hat sich speziell das Thema Lebensmittelverschwendung auf die Fahne geschrieben: Zusammen mit der Welternährungsorganisation FAO und den UN hat die Messe Düsseldorf bereits 2011 die Initiative SAVEFOOD ins Leben gerufen. Gemeinsam vernetzt man Akteure aus Wirtschaft, Politik und Forschung, um nachhaltige Lösungen zu finden, damit Lebensmittel nicht verderben bzw. unnötig entsorgt werden. Immer mehr gastronomische Betriebe, Supermärkte, Cafés und Hotels in der Landeshauptstadt treten zudem dem dänischen Food-Start-up „Too Good to Go“ bei: Überschüssige Lebensmittel, die sonst entsorgt würden, können zu einem reduzierten Preis gekauft werden.
Düsseldorf ist ebenso Fashion-Hochburg – mit einer wachsenden Anzahl an Start-ups, Unternehmen und Initiativen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Der Wirtschaftsförderung ist es ein besonderes Anliegen, diese zu vernetzen, sie zu unterstützen und ihnen Präsentationsmöglichkeiten zu geben. Zum Beispiel beim neu konzipierten Eventformat „the eco experience“, bei der die Wirtschaftsförderung Kooperationspartner ist. Im November 2019 machte ein Mix aus Sustainable Fashion Market, Talks und Workshops nachhaltige Mode in Düsseldorf auf 1.000 Quadratmetern erlebbar. Im Jahr 2018 startete zudem die globale Bewegung „Fashion Revolution“ auch in Düsseldorf (siehe auch Seite 54). Mit Vorträgen, Diskussionsrunden und Filmvorführungen würdigt sie diejenigen, die eine ethische und nachhaltige Zukunft der Mode vorantreiben wollen.
Quer durch alle Branchen in Düsseldorf zeigt sich eindrucksvoll: Ein Wandel hin zu einer nachhaltigen Zukunft ist machbar – viele Unternehmen und Initiativen machen es vor! •
Questions about sustainability to ...
… Hans Jürgen Hohnen, Staatssekretär a. D. Er hat über 40 Jahre Erfahrung in leitenden Funktionen in Polizeibehörden, Regierungspräsidien und Ministerien. Heute ist er Geschäftsführer der Beratungsfirma Reconcilia, die Unternehmen, Institutionen und Verwaltungen rund um die Themen Krisenbewältigung und Resilienz unterstützt.
Wie gehen Sie als Berater in diesen Zeiten vor?
Derzeit identifizieren wir vor allem die Infektionsrisiken der Pandemie. Wir analysieren Kernprozesse und Risiken im Unternehmen und entwickeln Wege, damit unsere Kunden das geschäftliche Leben wieder voll aufnehmen und schneller und vor allem sicherer zur „neuen“ Normalität zurückkehren können. Parallel hierzu bereiten wir sie auf neue Krisen vor. Ich glaube bei den Unternehmen ist das Verständnis dafür gewachsen, dass ein sorgsames Krisen-Management heute unerlässlich ist.
Inwiefern kann und sollte sich ein Unternehmen heute grundsätzlich resilient und gleichzeitig nachhaltig aufstellen, um sich gegen Krisen bestmöglich zu wappnen? Und was könnten erste Schritte sein auf diesem Weg?
Ein Unternehmer sollte zunächst identifizieren, was das Wertvollste im und für den Betrieb ist. Dann gilt es zu untersuchen, was diese „Kronjuwelen“ gefährden könnte. Das mag die Abhängigkeit von einer Lieferkette oder einem Lieferanten, das Risiko des Ausfalls der Belegschaft durch Erkrankung, eine Sabotagehandlung in der Produktion oder in der IT sein. Resilienz und damit Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, nicht Betriebsstillstand oder gar Ruin durch mangelnde Prävention zu riskieren. •
Reconcilia GmbH
Büro Korschenbroich
Raderbroich 143
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Words: Tom Corrinth
Pictures: PR