Information technology without emotions doesn’t work
Andrea Hendrickx ist die personifizierte Neugier. Die 52-Jährige leitet die deutschen Geschäfte des indischen Technologieunternehmens Infosys. Privat macht sie sich für Umweltschutz und Entwicklungshilfe stark – und sammelt medizinische Laser. Das hat wiederum VIVID neugierig gemacht. Zeit für ein Gespräch!
Frau Hendrickx, Ende 2019 haben Sie die Deutschlandleitung für das indische Unternehmen Infosys übernommen. Vorher waren Sie knapp 20 Jahre lang beim IT-Berater Capgemini auch in leitender Position tätig. Was hat Sie an Ihrer neuen Aufgabe gereizt?
Ich war von Anfang an sehr fasziniert von dem Unternehmen. Die Umsatzrendite von Infosys ist im Vergleich zu anderen IT-Unternehmen doppelt so hoch. Ich habe schnell gemerkt, dass es an der Kombination liegt aus einer wahrhaftig global aufgestellten Firmenorganisation und der ganz besonderen Energie der Mitarbeiter weltweit. Die Lernfreude und das Engagement innerhalb der Infosys-Familie sind enorm – und das wirkt sich natürlich auch auf den Unternehmenserfolg aus. Infosys hat sich, obwohl es schon fast 40 Jahre am Markt ist, seine Start-up-Mentalität bewahrt. Auch die Innovationslust ist vergleichsweise hoch: Eine halbe Milliarde US-Dollar wird hier in neue Technologien und Innovationen investiert. Dass ein indisches Unternehmen so erfolgreich ist, ist aber auch nicht weiter verwunderlich, denn in der IT geht es heutzutage nicht mehr ohne das Know-how aus Indien. Durch meine vorherige Tätigkeit war mir die indische Kultur bereits vertraut. Es passt einfach alles sehr gut für mich. Also habe ich zugesagt, als man mir das Angebot gemacht hat.
Im November 2019 haben Sie das neue Technologie- und Innovationszentrum von Infosys im „Fürst und Friedrich“ an der Friedrichstraße bezogen. Was soll auf dieser Fläche in Zukunft passieren?
Die erste Säule hier am neuen Düsseldorfer Standort ist das Projektgeschäft. Dabei geht es neben klassischen IT-Services um Themen wie Künstliche Intelligenz, Big Data oder Hybrid Cloud. Ebenso um neue Fließbandtechnologien für Kunden aus dem Industrie- und Automobilbereich, um Smart-City-Konzepte für den Public Sector und um viele weitere IT-Innovationen. Das zweite Standbein sind Trainings und Schulungen. Als drittes bieten wir Exhibitions und Showcases an, um Kunden zu zeigen, wie sie IT für ihre Zwecke einsetzen können. Ein Beispiel, das ich persönlich sehr spannend finde, ist eine Software zur Messung von Gehirnströmen. Diese Technologie könnten etwa bewegungseingeschränkte Menschen eines Tages zur Steuerung ihres Rollstuhls nutzen. Solche Innovationen lernen unsere Kunden gleich hier vor Ort kennen.
„Infosys hat sich, obwohl es schon fast 40 Jahre am Markt ist, seine Start-up-Mentalität bewahrt.“
Wie ist bisher die Resonanz seitens Experten und Hochschulabsolventen, bei Infosys am Düsseldorfer Standort einzusteigen?
Wir haben hier auf etwa 5.000 Quadratmetern Platz für 300 Beschäftigte und wir sind bereits zur Hälfte ausgebucht. Das ist für die wenigen Monate, die wir erst hier sind, eine tolle Resonanz. Wir stehen im engen Austausch mit der Heinrich-Heine-Universität, der Hochschule Düsseldorf und anderen Hochschulen in der Umgebung, um weitere engagierte Kräfte zu gewinnen.
Die COVID-19 Pandemie erschütterte die Weltwirtschaft nur wenige Monate nach der Eröffnung des Düsseldorfer Standorts. Wie erleben Sie die Krise und welche Auswirkungen machen sich bemerkbar?
Das Corona-Virus stellt Unternehmen und ganze Branchen weltweit vor eine beispiellose Herausforderung, die wir so bisher nicht kannten. Auch wir mussten schnell reagieren und uns an die neuen Umstände anpassen, etwa durch mobiles Arbeiten – der Schutz der Mitarbeiter, Kunden und Partner steht neben dem Aufrechterhalten des Betriebs an oberster Stelle. Die Krise birgt allerdings auch Potenzial, insbesondere in Sachen Digitalisierung. Gerade in Deutschland stehen viele Unternehmen noch am Anfang ihrer digitalen Transformation und müssen nun schnell umdenken, Strategien entwickeln und digitale Technologien einführen, um in der „neuen Normalität“ wettbewerbsfähig zu sein. Damit einher geht das notwendige „Upskilling“ der Mitarbeiter, das heißt die Belegschaft muss im Umgang mit neuen Technologien wie Robot Process Automation, künstlicher Intelligenz, Machine Learning, Cloud Computing etc. regelmäßig weitergebildet werden. Dies gilt nicht nur für Unternehmen, sondern auch für den öffentlichen Bereich wie Behörden oder auch Schulen und Universitäten.
Was ist Ihr Eindruck von der indischen Arbeitsmentalität? Und inwiefern ergänzt sie sich womöglich gut mit der deutschen?
Ich glaube, wir bringen hier das Beste von zwei Nationen zusammen. Deutschland ist ja bekannt für seine Gründlichkeit. Die macht sich oft noch neun Stellen hinter dem Komma bemerkbar (lacht)! Unternehmen aus Indien sind bekannt für ihren ausgeprägten Ehrgeiz und für Qualität. Zusätzlich bringen viele indische Unternehmer und Angestellte einen sehr großen Elan, eine Agilität und eine Lebensfreude mit – Dinge, die uns hier in Deutschland leider manchmal fehlen …
Sie haben Wirtschaftswissenschaften studiert. Wie sind Sie zur IT gekommen?
Mein erster Job nach dem Studium war in der Versicherungsbranche. Schon hier fielen IT-Projekte in meinen Aufgabenbereich. Von dort bin ich in die Unternehmensberatung gegangen. So fing alles an. Viel Kalkül oder Planung steckte nicht dahinter, um ehrlich zu sein. Meine erste Stelle war die einzige, um die ich mich beworben habe, danach wurde ich jeweils immer gefragt: Willst du diese oder jene Aufgabe übernehmen? Das war natürlich eine sehr komfortable Situation. Auch heute noch ist es so: Nur wenn ich wirklich das sichere Gefühl habe, dass es passt, sage ich „ja“.
Würden Sie sich also eher als emotionalen Menschen bezeichnen?
Ich bin ein Zahlenmensch und ich bin eine Frau – das ist doch eine gute Kombination, oder? IT ohne Emotionen funktioniert ja auch gar nicht mehr: Früher ging es um Bits und Bytes – heute wollen Kunden Kauferlebnisse, heute diskutieren wir über User friendliness und ähnliche Dinge. Hier spielen also emotionale Faktoren eine ganz große Rolle.
Welche Themen liegen Ihnen neben Ihrem Beruf am Herzen?
Medizinische Themen interessieren mich sehr. Ich habe eine Ausbildung zur Heilpraktikerin gemacht, aber die amtliche Zulassung muss durch meine neue Position nun erst einmal warten. Eine Zeitlang habe ich die Patenschaft übernommen für ein Kind in Ecuador, aktuell für eine Familie in Bangladesch. Sobald die Zeit es erlaubt, werde ich sie auch besuchen. Darüber hinaus habe ich mich früher selbst aktiv im Katastrophenschutz bei der Hilfsorganisation ADRA engagiert, heute kann ich sie aus zeitlichen Gründen leider nur noch monetär unterstützen. Des Weiteren bin ich Waldpatin beim Naturschutzbund und unterstütze die Pflanzung von Bäumen auch in Ruanda und Äthiopien. Ach so, und eine Sammelleidenschaft habe ich auch: Ich sammle medizinische Laser.
Das müssen Sie erklären!
Das sind Laser, die man zum Beispiel einsetzen kann, um Tattoos zu entfernen oder Narben zu mildern. Ich weiß, das klingt sehr speziell, aber die Möglichkeiten der medizinischen Lasertechnolgie begeistern mich. Vielleicht liegt es daran, dass ich als Kind gerne Star Wars gesehen habe … In der Eifel, wo ich lebe, habe ich eine kleine Praxis für Laserbehandlungen eingerichtet, aber das ist ein Projekt für einen hoffentlich unruhigen „Ruhestand“. Jetzt freue ich mich erst einmal auf meine neuen Aufgaben bei Infosys! •
Facts and figures
Infosys ist ein weltweit tätiges IT-Unternehmen mit fast 250.000 Beschäftigten. Es wurde 1981 von sieben Informatikern gegründet und hat seinen Hauptsitz in Bangalore (Indien). In Deutschland war die Firma bisher an sechs Standorten und über 30 Kundenlokationen aktiv, u. a. in Berlin, Erlangen, Frankfurt, München, Stuttgart und Walldorf. Im November 2019 eröffnete sie in Düsseldorf ein neues Technologie- und Innovationszentrum im „Fürst und Friedrich“ an der Friedrichstraße. Unterstützt und betreut wurde sie dabei von der Wirtschaftsförderung Düsseldorf.
Words: Elena Winter
Pictures: Melanie Zanin