Inspirations from India
Seit Jahren sind indische IT-Firmen in Düsseldorf aktiv. Sie bringen viel Expertise an den Rhein und gestalten die digitale Zukunft entscheidend mit.
Wer Nachrichten über Indien verfolgt, bekommt häufig zwei ganz unterschiedliche Eindrücke. Auf der einen Seite Chaos, Armut, Umweltverschmutzung und nicht zuletzt die humanitäre Katastrophenlage angesichts hoher Infektionszahlen. Bilder, die betroffen machen.
Auf der anderen Seite zeigt sich Indien, die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, aber auch als Ort des Wachstums und des Fortschritts. Das Wirtschaftsmagazin Business Insider schrieb noch im November 2020, dass Indien „auf dem Sprung zur Supermacht“ sei und bald schon China eingeholt haben könnte. Zahlreiche Firmen und Organisationen setzen verstärkt auf indische Talente, gerade im IT-Bereich. Allen voran Schwergewichte wie Microsoft und Google, die von Managern mit indischen Wurzeln geleitet werden.
Auch viele IT-Firmen, die in Indien gestartet sind, gehören weltweit zu den Großen. Und: Sie haben längst auch einen Sitz in Nordrhein-Westfalen. Von der Zusammenarbeit profitieren beide Seiten: „Die nordrhein-westfälische Wirtschaft kann ihr herausragendes Ingenieurs- und Produktions-Know-how in die Partnerschaft einbringen, die indische Seite ihre starke und dynamische IT-Industrie“, sagte Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart im September 2020 bei einem Besuch des indischen Generalkonsuls.
Eines von vielen Beispielen für diese Partnerschaft ist Wipro Limited, ein weltweit tätiger Dienstleister für Informationstechnologie, Beratung und Geschäftsprozesse. Das Unternehmen ist mit der Übernahme einer IT-Einheit der Metro dabei, in Düsseldorf einen „Digital Innovation Hub“ einzurichten. Er soll nach Unternehmensangaben als „Wipros Flaggschiff-Zentrum in Europa“ dienen und Firmen in Deutschland Expertise bei der digitalen Transformation bereitstellen. Auch die Förderung von Talenten steht auf der Agenda: In Zusammenarbeit mit Institutionen und Universitäten in NRW sollen Programme und Karrieremöglichkeiten für Absolventen entwickelt werden.
„Je digitaler ein Unternehmen aufgestellt ist, desto besser übersteht es Krisenzeiten.“
Bhuwan Agrawal, Managing Director, TCS Germany
Eine weitere Partnerschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und Indien besteht mit der Tata-Gruppe, der größten multinationalen Unternehmensgruppe Indiens. Eine Tochterfirma, Tata Consultancy Services (TCS), mit Hauptsitz im indischen Mumbai ist seit 2008 in Düsseldorf aktiv und betreibt hier ein regionales Delivery Center. Mit ihrem Digital Hub unterstützt sie ihre Kunden bei der digitalen Transformation. Speziell für Mittelständler hat das Unternehmen modulare IT-Services und -Lösungen im Programm. Der Bedarf daran war gerade in den letzten Monaten hoch: „Wir haben eng mit unseren Kunden zusammengearbeitet, um wichtige Prozesse weiterzuführen und das Digitalisierungstempo zu erhöhen, etwa bei der Umstellung auf Remote Work oder der Einführung neuer IT-Lösungen“, sagt TCS-Deutschlandchef Bhuwan Agrawal. „Je digitaler ein Unternehmen aufgestellt ist, desto besser übersteht es Krisenzeiten. Und digitale Technologien sind von entscheidender Bedeutung, um auch bei künftigen Krisen widerstandsfähiger zu sein.“ Dass viele Unternehmen nun das Tempo bei der Digitalisierung anziehen, bestätigt eine eigens gestartete Umfrage von TCS und Bitkom Research (siehe Kasten). TCS selbst ist 2020 in Deutschland um mehr als zwölf Prozent gewachsen.
Auch auf die Arbeitsweise von Angestellten wirkt sich Corona selbstverständlich aus. Bei TCS arbeiten 97 Prozent der weltweit über 500.000 Beschäftigten derzeit von zu Hause. Und auch in Zukunft will das Unternehmen das flexible Arbeiten fortsetzen: 2025 sollen nach Plänen von TCS die Beschäftigten nur noch ein Viertel ihrer Arbeitszeit im Büro verbringen. „Zwar wird es künftig weiterhin einen großen Bedarf an Büros geben. Nur werden diese dann nicht mehr jeden Tag auf die gleiche Weise genutzt“, so Agrawals Prognose. Das Büro der Zukunft werde eher zu einem Ort der Begegnung und des Austauschs.
Was passiert, wenn dieser Austausch stattfindet, wenn wie bei TCS also die indische und die die deutsche Kultur aufeinandertreffen? Vor Corona veranstaltete das Unternehmen zum Beispiel eine Weihnachtsfeier, die mit dem indischen Lichterfest Diwali kombiniert wurde. Auch Familienmitglieder werden zu solchen Veranstaltungen eingeladen, sagt Agrawal. „Die indische Kultur ist sehr warmherzig und soziale Aspekte sind enorm wichtig.“ Während der Pandemie habe es zudem verschiedene virtuelle Veranstaltungen gegeben, darunter Kochkurse, Yoga-Sessions und Bollywood-Tanzstunden.
„Unterschiedliche Kulturen sind ein Segen: Wir lernen voneinander, indem wir die Stärke der Kulturen wie auch der Individuen nutzen, um uns gegenseitig zu inspirieren und uns als ein Team weiterzuentwickeln.“
Andrea Hendrickx, Country Head, Infosys Deutschland
Wie bereichernd es sein kann, in einem und für ein multinationales Unternehmen zu arbeiten, weiß auch Andrea Hendrickx, Leiterin von Infosys Deutschland: „Unterschiedliche Kulturen sind ein Segen: Wir lernen voneinander, indem wir die Stärke der Kulturen wie auch der Individuen nutzen, um uns gegenseitig zu inspirieren und uns als ein Team weiterzuentwickeln.“ Das IT-Unternehmen Infosys hat seinen Hauptsitz im indischen Bangalore. In Deutschland war die Firma bisher an sechs Standorten und über 30 Kundenlokationen aktiv. Im November 2019 eröffnete sie in Düsseldorf ein neues Technologie- und Innovationszentrum. Hier fokussiert sie sich derzeit auf sogenannte Poly-Cloud-Lösungen und auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, 5G-Technologie und Gamification, also der Anwendung spieltypischer Elemente in bestimmten Unternehmensbereichen.
Wie für andere Dienstleister aus der Branche brachten die vergangenen Monate auch für Infosys einen wirtschaftlichen Schub: „Die Pandemie zwang viele Unternehmen, ihre digitale Transformation zu beschleunigen“, sagt Hendrickx. Insbesondere in den Bereichen Digital, Cloud, Daten und Analytics habe es eine wachsende Nachfrage gegeben. Auch für Infosys selbst war es „eine große betriebliche Herausforderung, auf Homeoffice umzustellen und sicherzustellen, dass 250.000 Mitarbeiter weltweit Zugang zu einer sicheren Internetverbindung und Laptops hatten“. Für die Anpassung an die neue Normalität seien Cloud-Technologien und Kollaborations-Tools unverzichtbar geworden. Nach der Pandemie möchte das Unternehmen seinen Angestellten weiterhin ermöglichen, von Hause oder vom Büro aus zu arbeiten. •
www.wipro.com
www.tcs.com
www.infosys.com
Trendstudie: Corona und die Digitalisierung
Die Corona-Pandemie hat bei Unternehmen in Deutschland zu einem Digitalisierungsschub geführt. 75 Prozent der Firmen haben aufgrund der Erfahrungen ihre Investitionen in digitale Geräte, Technologien und Anwendungen erhöht. Das ist ein Ergebnis einer im November 2020 veröffentlichten Umfrage von Bitkom Research im Auftrag des IT-Dienstleisters Tata Consultancy Services unter knapp 1.000 Unternehmen mit 100 oder mehr Beschäftigten in Deutschland. Praktisch keines von ihnen (0,2 Prozent) gibt an, dass Corona keinerlei Auswirkungen auf die Digitalisierung gehabt hat. 39 Prozent der Unternehmen erleben, dass sich seit Ausbruch der Pandemie der Umgang der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit digitalen Technologien positiv verändert hat.
Words Elena winter
Pictures iStock, Tata Consultancy Services, Infosys/Rafal Niewienda, Infosys