Retail of the Future
Der Einzelhandel ist Schnittstelle von nachhaltigen Produkten und Konsumenten. Wie gehen Unternehmen in der Region mit dem Thema um? Und welche Nachhaltigkeitskonzepte finden sich in der Düsseldorfer Retail-Landschaft?
Nachhaltigkeit ist längst kein Trendthema mehr – im Gegenteil: Heutzutage ist es ein No-Go für Unternehmen, nicht auf klimafreundliche und nachhaltige Konzepte zu setzen. In einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung GfK vom Juli 2019 gaben 31 Prozent der Deutschen an, Wert auf einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil zu legen; im Jahr 2014 waren es noch 18 Prozent. Dabei sind besonders die Unternehmen gefragt: Hersteller wurden zu 40 Prozent als verantwortlich für die Kontrolle und Begrenzung von Umweltschäden angesehen.
Der Global Player Henkel mit Sitz in Düsseldorf-Holthausen geht hier mit gutem Beispiel voran. „Henkel treibt das Thema Nachhaltigkeit schon seit Jahrzehnten voran. Es bildet einen der fünf Unternehmenswerte und ist damit fest in der Unternehmenskultur verankert“, so Mareike Klein, Global Sustainability Manager. Besonders wichtig sei der Einsatz für den Klimaschutz: Bis 2040 möchte man ein klimapositives Unternehmen werden, bereits 2030 soll der CO2-Fußabdruck der Produktionsstandorte um 75 Prozent reduziert und 100 Prozent des für die Produktion benötigten Stroms aus erneuerbaren Quellen bezogen werden.
Für die Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteln nutzt man vermehrt nachwachsende Rohstoffe. Auch im Bereich Beauty Care reagiert Henkel auf das steigende Interesse an Naturkosmetik mit Marken und Produkten, deren Inhaltsstoffe zu mindestens 98 Prozent natürlichen Ursprungs sind. Bis 2025 möchte Henkel Kunststoffe aus fossilen Quellen um 50 Prozent reduzieren. Darüber hinaus sollen dann 100 Prozent der Konsumgüterverpackungen recyclebar oder wiederverwendbar sein.
Elementarer als bei Kosmetik ist das Thema Nachhaltigkeit definitiv bei der Produktion von Lebensmitteln, insbesondere in der Landwirtschaft. Über dreißig Jahre bewirtschaften Petra Graute-Hannen und Heiner Hannen den Lammertzhof in Kaarst, der seit 1864 in Familienbesitz ist, nach Bioland-Richtlinien.
„Wir wollen CO2-neutral werden und bald 45 Prozent unserer GemüseKisten mit dem E-Lastenrad ausliefern.“
In der Generation von Heiner Hannens Vater spezialisierte sich der Betrieb auf Schweinemast; der große Energieeinsatz, die Nitratgehalte im Grundwasser durch intensive Düngung, aber auch die Art der Schweinehaltung brachten Petra und Heiner Hannen irgendwann zum Umdenken. 1989 lief die Schweinemast aus, und man stellte die Felder auf Bio um. Die Erntemengen stiegen daraufhin derart an, dass die Verkaufsmöglichkeiten erweitert werden mussten. So entstand die Idee des Gemüse-Abos: 1994 begann der Lammertzhof mit der Auslieferung der ersten Gemüsekisten, bereits 2000 hatten sie sich zum Bestseller entwickelt – bis heute. „Vor Corona haben wir 1800 wöchentlich beliefert, momentan sind es 2600 Kunden die Woche“, freut sich Heinrich Hannen.
Für die Auslieferung setzt man selbstverständlich auf klimafreundliche Mobilität. „Wir wollen CO2-neutral werden und bald 45 Prozent unserer Gemüse-Kisten mit dem E-Lastenrad ausliefern.“ Das nächste große Projekt auf dem Lammertzhof ist die Umstellung auf eine Kühlung mit klimafreundlichen Kältemitteln. Bei der Wärmeerzeugung benutzt man nur noch in Ausnahmezeiten Heizöl und hat ansonsten auf Holzpellets umgestellt.
Industrie und Landwirtschaft legen vor, um den Anforderungen einer klimaneutraleren Gesellschaft gerecht zu werden. Wie sieht das mit dem Einzelhandel aus?
Der Supermarkt Zurheide betreibt insgesamt sieben Standorte, zwei davon in Düsseldorf. Die Filiale im The Crown an der Berliner Allee ist mit einer Fläche von 12.000 m² und mehr als 60.000 Artikeln eine der größten Supermärkte Deutschlands. Für Geschäftsführer Rüdiger Zurheide hatte das Thema Nachhaltigkeit schon immer einen hohen Stellenwert, „weil wir selbst ständig daran arbeiten, unsere Supermärkte und Produkte nachhaltiger zu machen sowie Ressourcen zu schonen“, erklärt er. Das beginnt mit dem Angebot von Alternativen zur Plastiktüte, geht über die permanente Suche nach umweltfreundlichen Verpackungen oder die Abgabe von Lebensmitteln an Organisationen für Bedürftige bis hin zur Umstellung der Kühltheken auf ein klimafreundliches System.
Insbesondere bei den Produkten legt man bei Zurheide einen Fokus auf Nachhaltigkeit. „Aber Bio ist nicht gleich nachhaltig. Wir beziehen die Bio-Produkte wenn möglich von unseren regionalen Bauern, mit denen wir eine langjährige und vertrauensvolle Partnerschaft pflegen.“ Auch beim Thema Fleisch und Fisch arbeitet man mit regionalen Partnern, die sich besonders für Tierschutz und artgerechte Haltung einsetzen. Sieht so der Supermarkt der Zukunft aus? „Ich denke, dass der nachhaltige Supermarkt der Zukunft vor allem ein lernendes System ist, das sich immer wieder den Bedürfnissen der Zeit anpasst. Mit viel Aufklärungsarbeit und dem Willen, neue Alternativen zu finden, können wir dem anspruchsvollen Ziel näherkommen.“
Während die einen in die Zukunft schauen, wissen andere, dass früher nicht alles schlechter war: Sabrina Ceccherini, Inhaberin des Vintage Fashion Stores Stewardress auf der Lorettostraße in Unterbilk, verkauft nicht nur Mode aus der Vergangenheit. Auch das Konzept ihres Ladens verfolgt einen wichtigen, in Zeiten von Onlinehandel zuweilen vergessenen Aspekt der Nachhaltigkeit: Den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen. „Jeder Kunde, der reinkommt, soll sich wohlfühlen und bekommt ein Getränk angeboten. Dieser Service und eine persönliche Beratung gehören für mich dazu“, erzählt sie.
Neben den einzigartigen Looks der von ihr angebotenen Vintage-Designermode schätzt Sabrina Ceccherini vor allem deren gute Qualität. „Mit Fast Fashion von Ketten wie H&M komme ich überhaupt nicht klar. Viele Konsumenten denken leider nicht darüber nach, unter welchen Bedingungen diese Sachen hergestellt werden. Wir verkaufen hauptsächlich Mode Made in Italy oder France, weil ich einen sehr hohen Anspruch an die Wertigkeit habe. Es ist besser, sich ein gutes Teil zu kaufen, das man viele Jahre trägt, als Mode, die ein Wegwerfprodukt ist“, appelliert sie. Ihre ausgewählten und hochwertigen Stücke schätzen Stammkund:innen auch weit über die Grenzen von Düsseldorf hinaus. Sie selbst schwört ebenfalls auf die Nachhaltigkeit ihrer Mode-Schätze. „In meinem persönlichen Fundus befindet sich ein Pucci-Kleid, das ich schon 30 Jahre lang habe, und es sieht immer noch aus wie neu, obwohl ich es bestimmt schon 100-mal gewaschen habe.“ •
Words Katja Vaders
Pictures iStock, Lammertzhof, Zurheide / RUHR MEDIEN
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