Shopping as an Experience
Verlieren Stores durch den Online-Handel an Relevanz? Nicht unbedingt, denn wer in der Stadt shoppt, möchte Produkte auch anfassen, an- und ausprobieren, sich inspirieren lassen – und: etwas erleben. Retailer mit innovativen Konzepten machen das möglich. Nuts Factory, Vorwerk und Wacom zum Beispiel. VIVID-Redakteur Dominik Deden hat live dort vorbeigeschaut.
Wer an der verglasten Front des Geschäfts- und Bürohausensemble KII, auch als Kö-Bogen II bekannt, vorbeispaziert, wird wahrscheinlich vor der Nuts Factory Halt machen. Das liegt an den überdimensionalen Zahnrädern, die sich hoch über dem Eingang drehen – begleitet von eindringlichen Knackgeräuschen, die man bereits von draußen vernehmen kann. Sie sind Teil des Konzepts, das „Factory“- und Phantasiewelt kombiniert: „Bei uns gibt es Nüsse, Trockenfrüchte und Süßwaren aus aller Welt. Hier kommen viele verschiedene Aromen, Düfte und Farben zusammen. Das allein hat etwas Phantasievolles, was wir durch die Gestaltung des Stores verstärken möchten“, erklärt Geschäftsführer Argyrios Tserlidis, der sich dabei von Besuchen im Disneyland und in anderen Themenparks inspirieren ließ.
Nüsse, Trockenfrüchte und Süßwaren aus aller Welt.
Die erste Nuts Factory-Filiale außerhalb Griechenlands, wo es bereits seit ein paar Jahren Läden in Thessaloniki und Athen gibt, ist thematisch an „Charlie und die Schokoladenfabrik“ angelehnt. Willy Wonka, in der Geschichte Hersteller ausgefallener Süßigkeiten, lacht von einem Großbildschirm, eine futuristische Popcornmaschine produziert fleißig Nachschub. Direkt daneben fallen hunderte frische Mandeln aus großen Behältern und werden vor Ort geröstet. Die Nuts Factory kreiert auf rund 200 Quadratmetern eine kleine fantastische Welt, die laut Store-Leiter Petros Miskos nicht nur Kinder und Fans von Süßigkeiten, sondern auch ernährungsbewusste Kunden anlockt, die sich mit Energieriegeln aus Nüssen und Trockenfrüchten versorgen.
Etwas weniger magisch, dafür aber wie in den eigenen vier Wänden, geht es im Vorwerk Store zu – in einer wohnlichen Atmosphäre, die der Laden in der Flinger Straße nahe der Altstadt bewusst vermitteln soll. Vorwerk Stores wurden erst in den letzten Jahren in ganz Deutschland eröffnet. Dort können Kunden die verschiedenen Produkte von Thermomix, Kobold und die Teemaschine von Temial in einem nachgebauten Wohnraum mit Küche und Wohnzimmer ausgiebig testen: „Wir möchten, dass die Leute bei uns was erleben und dabei erfahren, wie ihnen unsere Produkte im eigenen Zuhause das Leben leichter machen“, erklärt Katja Rick, Visual Merchandising Managerin bei Vorwerk.
Wie im eigenen Wohnzimmer: der Vorwerk Store in der Düsseldorfer Altstadt.
Das funktioniert, weil Besucher die Geräte im Store wie in echten Alltagssituationen nutzen können. Der Besserwischer von Kobold saugt und wischt gleichzeitig auf unterschiedlichen Hartböden. An der „Schmutzbar“ können mithilfe verschiedener Aufsätze Oberflächen zum Beispiel von Staub oder Sand befreit werden. Und eine integrierte Fensterscheibe lässt sich vom Kobold Fensterreiniger säubern. „Wir verbinden reale Lebens- mit Produktwelt und schaffen so ein echtes Markenerlebnis, das die Besucher mitnimmt. Das merken wir auch an den langen Verweildauern“, beschreibt Store Managerin Sandra Grazikowske die Idee hinter dem neuen Konzept, das im Düsseldorfer Store vor knapp 1,5 Jahren realisiert wurde. Teil davon ist auch eine große Küchenzeile, in der der Thermomix im Mittelpunkt steht. Zukünftig sind hier auch Kochshows mit Unterstützung der bekannten Küchenmaschine geplant. Grundsätzlich wird das Store-Konzept kontinuierlich weiterentwickelt, um auf neue Entwicklungen und Herausforderungen dynamisch reagieren zu können.
„Wir sind uns sicher, dass es diese Angebote ohne klassische Verkaufsfläche in Zukunft braucht, um sich als Marke erlebbar zu machen.”
Der neue Treffpunkt für Kreative im Medienhafen: das Wacom Experience Center.
Von der Düsseldorfer Innenstadt geht es in den Medienhafen. Hier hat vor wenigen Wochen Wacom ein Experience Center eröffnet. Wacom ist weltweit vor allem als Hersteller von Grafiktablets bekannt, die unter anderem von Kreativen bei der Arbeit genutzt werden. Wer sich ein neues Tablet anschaffen möchte, kann es im Wacom Experience Center ausgiebig ausprobieren, jedoch nicht kaufen: „Der Medienhafen sieht rechtlich gar keine Verkaufsflächen vor. Das ist aber nicht schlimm, denn wir wollen hier ein echtes Markenerlebnis schaffen und mit unseren Hauptzielgruppen, der kreativen Community und Treibern der digitalen Transformation in Austausch kommen“, erklärt Stefan Kirmse, Senior Vice President Brand & Corporate Communication Wacom Europe GmbH. Das Konzept: In einer gemütlichen Atmosphäre im vorderen Teil des Ladens – es gibt eine Bar und eine Lounge – können die Produkte ausgiebiger getestet werden als in einem Elektronikfachgeschäft. Darüber hinaus gibt es im hinteren Bereich viel Platz und hochmoderne Technik für Zusammenarbeit, zum Beispiel in Form von Workshops mit Künstlern und Kreativen. Das Highlight ist ein eigener Kinosaal, in dem Ende September das Düsseldorfer Trickfilm Festival 2021 stattfand. Auch ein Raum für Podcast-Produktionen wird im frisch bezogenen Center in Kürze fertiggestellt.
Vorbild für den Düsseldorfer Standort ist das Wacom Experience Center Portland, das bereits vor einigen Jahren entstand und sich zu einem der angesagtesten Orte für die dortige Kreativszene entwickelt hat. Stefan Kirmse ist zufrieden mit den Besucherzahlen nach der Eröffnung im Medienhafen, gibt aber zu, dass das etwas andere Erlebnis-Konzept in Deutschland ein wenig Zeit und etwas Überzeugungskraft benötige: „Wir beobachten schon, dass der ein oder andere von draußen hineinschaut, sich dann aber doch nicht traut hereinzukommen. Aber auch das wird sich ändern. Wir sind uns sicher, dass es diese Angebote ohne klassische Verkaufsfläche in Zukunft braucht, um sich als Marke erlebbar zu machen.“
Angesprochen werden sollen davon nicht nur Kreative, sondern unter anderem auch Lehrkräfte. Durch die Pandemie hat sich das digitale Lehren schneller entwickelt als erwartet, aber es gibt noch Nachholbedarf. Workshop-Angebote im Wacom Experience Center sollen Lehrerinnen und Lehrer für den Umgang mit Tablets und anderer Hardware weiter sensibilisieren. •
Words Dominik Deden
Pictures iStock, Nuts Factory, Vorwerk SE & Co. KG, Wacom Europe GmbH / Michael Marczok