Strong Pulse of the Healthcare Industry
Die Gesundheitswirtschaft ist eine der bedeutendsten Branchen Düsseldorfs – mit sehr hoher Innovationskraft. Um dieses Potenzial auch zukünftig zu nutzen, sind vor allem digitale Lösungen gefragt. Und ein effizienter und schneller Transfer von Wissenschaft und Wirtschaft.
Steigendes Gesundheitsbewusstsein, eine alternde Gesellschaft und der medizinisch-technische Fortschritt machen die Gesundheitswirtschaft zu einem konjunkturunabhängigen Beschäftigungs- und Umsatzmotor in Deutschland – übrigens weitaus bedeutender als die Automobilindustrie. Neben dem klassischen „ersten Gesundheitsmarkt“, zu dem etwa Krankenhäuser oder Apotheken zählen und der größtenteils durch die gesetzliche und private Kranken- und Pflegeversicherung finanziert wird, wächst seit einigen Jahren noch ein privat finanzierter „zweiter Gesundheitsmarkt“ heran: Dazu gehören zum Beispiel Anbieter aus den Bereichen Wellness oder Gesundheitstourismus. Laut Statistik IT-NRW ist die Wirtschaftsleistung dieses Megamarkts im bevölkerungsreichsten Bundesland von 44,5 Mrd. Euro (8,6 Prozent der Gesamtleistung) im Jahr 2008 auf 63,4 Mrd. Euro (10 Prozent) im Jahr 2018 gestiegen. In Pandemie-Zeiten zeigt sich nun ein differenzierteres Bild: Während auf der einen Seite etwa Hersteller von Impfstoffen, Diagnostiktests und Schutzausrüstung ihre Umsätze steigern konnten, wurden auf der anderen Seite Operationen verschoben oder Lieferketten von medizinischen Produkten empfindlich gestört. Corona hat also auch die Gesundheitswirtschaft infiziert – und die Suche nach smarten und resilienten Lösungen weiter forciert.
„Die Gesundheitswirtschaft hat noch enormes Potenzial, vor allem bei der Entwicklung digitaler Lösungen.”
Düsseldorf ist ein guter Standort für solche neuen Lösungen. Rund 70.000 Beschäftigte erwirtschaften hier und im Kreis Mettmann rund drei Milliarden Euro jährlich in der Branche. „Die Mischung aus etablierten Unternehmen, innovativen Start-ups, der Heinrich-Heine-Universität und dem Universitätsklinikum, zahlreichen weiteren Forschungseinrichtungen sowie einigen ansässigen Verbänden und engagierten städtischen Akteuren bildet die Basis für eine starke Gesundheitswirtschaft. Sie bietet zudem eine attraktive Plattform für Fachkräfte“, erklärt Friederike Helle, Referentin Gesundheitswirtschaft der IHK Düsseldorf. So ist Düsseldorf zum Beispiel Sitz des Cluster Medizin.NRW, einer Kompetenzplattform für innovative Medizin, der Krankenhausgesellschaft NRW, des Leibniz-Instituts für umweltmedizinische Forschung IUF und des Deutschen Diabetes-Zentrum DDZ (Leibniz Zentrum für Diabetes-Forschung). Als Stimme der stark wachsenden Biotechnologie machen sich gleich zwei Verbände vor Ort stark: BIO.NRW und BioRiver. Internationale Bedeutung bekommt die Stadt auch durch viele Fach-Events, allen voran die internationale Leitmesse MEDICA (siehe Info-Kasten).
„Dass Stadt und Universität gemeinsam eine Struktur für diese Transferaktivität erschaffen, galt damals bundesweit als Vorbild.“
„Die Gesundheitswirtschaft hat noch enormes Potenzial, vor allem bei der Entwicklung digitaler Lösungen. Gleichzeitig ist sie in Deutschland immer noch stark reguliert. Das hat viele sinnvolle Gründe wie etwa beim Datenschutz, kann aber auch ein Innovationshemmnis darstellen und speziell Start-ups behindern. Die zukünftige Herausforderung wird sein, hier ein intelligentes Gleichgewicht zu finden, um wettbewerbsfähig zu bleiben und vor allem den Transfer von Wissenschaft in die Wirtschaft weiter zu beschleunigen“, so Helle.
Die Entwicklung dieses Transfers in den letzten vier Jahrzehnten am Standort Düsseldorf wird kaum jemand besser beurteilen können als Professor Dr. Dr. Detlev Riesner. Der international bekannte und vielfach ausgezeichnete Biophysiker gründete an der Uni Mitte der 1980er Jahre zusammen mit den drei Doktoranden Karsten Henco, Metin Colpan und Jürgen Schumacher Diagen, woraus später Qiagen entstand. Das nun in Hilden ansässige börsennotierte Unternehmen ist heute Weltmarktführer im Bereich molekulare Diagnostik. „Die Gründungszeit von Qiagen war geprägt von einer allgemeinen Aufbruchstimmung und Freiheit in der Biotechnologie“, erinnert sich der immer noch aktive 80-Jährige. In den 1990er-Jahren wurden unter dem damaligen Oberbürgermeister Joachim Erwin dann das LifeScience Center gebaut und die Düsseldorfer Innovations- und Wissenschafts-Agentur DIWA gegründet. „Dass Stadt und Universität gemeinsam eine Struktur für diese Transferaktivität erschaffen, galt damals bundesweit als Vorbild.“ Nachdem aus Sicht Riesners in den letzten Jahren die Düsseldorfer Politik eher einen Schwerpunkt im Bereich IKT setzte, freut sich der Wissenschaftler und Unternehmer, dass sich Ressourcen neuerdings auch wieder stärker Richtung LifeSciences verschieben.
Die Relevanz von Biotechnologie und LifeSciences innerhalb der Gesundheitswirtschaft zeigt sich besonders in der aktuellen Phase der Pandemie-Bekämpfung. Auch Professor Riesners „Baby“ Qiagen hat durch Corona enorme Auftragszuwächse verzeichnen können. „Es gibt viele Firmen, die Diagnosemethoden entwickelt haben, aber wir sind heute noch diejenigen, die virale RNA am besten reinigen können“, sagt er stolz. Im Laufe der Jahre war er an der Gründung einiger weiterer BioTech-Firmen beteiligt, die auch mit der HHU verbunden sind – Evotec oder New Lab zum Beispiel. Um der Wissenschaft etwas „zurückzugeben“, unterstützt er die Uni mit Mitteln aus einer eigenen Gründerstiftung. Seit Juli 2018 trägt zudem ein Gebäude der HHU seinen Namen: Das „Riesner-Building“ beherbergt das Biologisch Medizinische Forschungszentrum und das CEPLAS Exzellenzcluster für Pflanzenwissenschaften.
Life Science Center
Das Life Science Center ist ein Technologie- und Gründerzentrum in Düsseldorf-Bilk, das innovativen Unternehmen und Start-ups auf rund 21.000 m² Gesamtfläche sowohl Büro- als auch Laborräumlichkeiten bis Sicherheitsstandard S2 bietet. Aktuell sind über 50 Unternehmen dort angesiedelt. Thematische Schwerpunkte sind neben den Life Sciences (Biotechnologie, Bioinformatik, Biomedizin und Medizintechnik) auch angrenzende Technologiebereiche wie z.B. Werkstofftechnologie oder Nanotechnologie. Die Kooperation des Life Science Centers mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und dem Universitätsklinikum Düsseldorf bietet zusätzliche Synergien bei der Umsetzung innovativer Projekte.
„Die zukünftige Herausforderung wird sein, hier ein intelligentes Gleichgewicht zu finden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“
In puncto Digitalisierung hat die Gesundheitswirtschaft in den letzten Jahren ordentlich an Fahrt aufgenommen – und die wurde dank Corona noch einmal beschleunigt: Apps auf Rezept oder telemedizinische Beratungen etwa haben auch eine Gesundheitsversorgung „auf Distanz“ ermöglicht. „Es geht nicht nur darum, bestehende Strukturen digital darzustellen, sondern auch die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, um komplett neu zu denken“, betont Friederike Helle. Eines von vielen schönen Düsseldorfer Beispielen ist das Start-up Cureosity, seit Februar 2021 am Markt: ein auf Virtual Reality basierendes Therapiesystem, mit dem Menschen ihre kognitiven, sensorischen und motorischen Fähigkeiten trainieren und rehabilitieren können. Mit selbstlernenden, KI-basierten Technologien und dem vernetzten Internet of Things etwa könnten enorme Kosten gespart werden, ist sich Helle sicher. Und natürlich wertvolle Zeit, damit sich medizinische und pflegerische Fachkräfte wieder stärker auf das Wichtigste konzentrieren können: die Patienten.
Auch wenn sich in den letzten Monaten gefühlt 99 Prozent der öffentlichen Gesundheitsdebatte um Corona drehte, wurde in der medizinischen Fachwelt intensiv zu anderen Erkrankungen weitergeforscht. Gerade die großen Volkskrankheiten dürfen trotz weltweiter Pandemie nicht aus dem Blick geraten: Herzerkrankungen, Krebs, COPD, Diabetes, Depressionen – oder auch neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer. Die Erforschung letzterer ist Professor Riesner ein großes Anliegen, das er auch unterstützt: „Da sind wir an der Universität, vor allem in der Biologie, sehr gut aufgestellt. Ich bin sehr optimistisch, dass sich hier wieder etwas tut in Düsseldorf.“ •
RehaCare
World's largest trade fair for rehabilitation and care at Messe Düsseldorf
Figures for 2019: 38,600 visitors, 751 exhibitors from 43 countries
Products and services for people with disabilities, with care needs, in old age and with chronic diseases
2020 postponed due to pandemic, next date: 6 to 9 October 2021 in Düsseldorf
A+A
World's largest event for safety and health at work
Figures for 2019: 2,111 exhibitors from 61 nations, over 73,000 trade visitors (one in two of them from abroad)
Products and services for personal protection
(incl. corporate fashion), occupational safety
and health at work.Next date in Düsseldorf: 26 to 29 October 2021
Tomorrow’s healthcare market meets here
Düsseldorf ist Standort einiger weltweltweit führender Gesundheitsmessen. Neben dem Flaggschiff MEDICA sind das zum Beispiel die COMPAMED, die REHACARE und die A+A – ein Überblick
Schon seit 1969 ist sie eine feste Größe im Kalender aller internationaler Experten, die die Gesundheitswirtschaft mitgestalten und miterleben wollen. Aktuelle Schwerpunktthemen / Segmente der Weltleitmesse sind Medizintechnik, IT-Systeme und IT-Lösungen, Labortechnik/ Diagnostika, Physiotherapie / Orthopädietechnik und Bedarfs- sowie Verbrauchsartikel. Zusammen mit der COMPAMED, der weltweit führenden Fachmesse für Medizintechnik-Zulieferer, konnte im Jahr 2019, als beide Messen parallel in Präsenz stattfanden, eine neue Rekordbeteiligung verzeichnet werden: 5.500 Aussteller bei der MEDICA und fast 800 bei der COMPAMED – aus über 50 Ländern; von den gut 121.000 Fachbesuchern an vier Messetagen kamen rund zwei Drittel aus dem Ausland – aus insgesamt rund 170 Nationen.
MEDICA und compamed:
die größte Veranstaltung für die Medizinbranche weltweit
Pandemiebedingt fanden MEDICA und COMPAMED vom 16. – 19. November 2020 komplett virtuell statt. Trotz einer sehr kurzen Anmeldephase hatten sich insgesamt mehr als 1.500 Aussteller aus 63 Nationen mit ihren Online-Showrooms, einer Vielfalt von gut 18.300 Produktneuheiten sowie Live-Programm in über 100 Web-Sessions (mit in der Spitze bis zu 300 Teilnehmern) der Healthcare-Community präsentiert. Und die zeigte rege und zahlreich Interesse: Gut 45.000 Fachbesucher (Unique User) aus 169 Nationen nutzten die virtuellen Angebote und generierten 405.000 Seitenaufrufe (Page Impressions). Der Anteil internationaler Online-Besucher lag bei 78 Prozent.
Termin der nächsten MEDICA und COMPAMED:
15. bis 18. November 2021.
Words: Tom Corrinth
Pictures: PR, Messe Düsseldorf / ctillmann