Supermarket in your pocket

Online-Lieferdienste für Lebensmittel sind hierzulande wenig populär. Dem niederländischen Anbieter Picnic ist es trotzdem gelungen, den Markt in NRW zu erobern. VIVID sprach mit Frederick Knaudt, Founding Team Picnic Deutschland, über ein völlig neues Geschäftsmodell. 

Left: Name Stefan Kirmse Job Global Brand Activist Company WacomRight: Name Rainer Kunst Job Publisher of VIVID

Für viele Arbeitnehmer und Familien bedeutet der Einkauf von Lebensmitteln Stress – rund 20 Arbeitstage im Jahr wenden die Deutschen im Durchschnitt dafür auf und legen dabei um die 900 Kilometer in ihren Autos zurück. Ein Umstand, der die holländischen Softwareentwickler Joris Beckers und Frederik Nieuwenhuys zu einer innovativen Geschäftsidee inspirierte: eine App, über die man sich Lebensmittel nach Hause liefern lassen kann, zu möglichst günstigen Preisen und ohne Liefergebühren. Das Resultat heißt Picnic, ist seit 2015 auf dem niederländischen Markt und entwickelte sich zum Erfolgsmodell. Daher beschlossen die Holländer im Jahr 2018, ins Nachbarland zu expandieren. Sie wählten als Standort Neuss sowie Düsseldorf und holten Frederick Knaudt in ihr Founding Team Deutschland, der zuvor in diversen Start-ups sowie als Gründer im Foodsegment Erfahrung sammelte. „Was mich an Picnic sofort überzeugte, war die Zielsetzung, Lebensmittel online für jeden erschwinglich zu machen“, erzählt er. Kostenlose Lieferung und die gleichen Preise wie im stationären Einzelhandel – das hatte es online im Lebensmittelbereich zuvor noch nicht gegeben. 

„Was mich an Picnic sofort überzeugte, war die Zielsetzung, Lebensmittel online für jeden erschwinglich zu machen.“

Die zwei großen Picnic-Kühllager in Viersen und Herne bekommen jeden Morgen frische Ware.

Die zwei großen Picnic-Kühllager in Viersen und Herne bekommen jeden Morgen frische Ware.

Der Markt hat extrem viel Potential. Im Jahr 2019 erwirtschaftete der deutsche Lebensmitteleinzelhandel einen Gesamtumsatz von rund 125,3 Milliarden Euro, online sieht das derzeit aber noch anders aus: Lebensmittel haben hier zwar das höchste prozentuale Wachstum, aber nur einen Marktanteil von insgesamt 1,4 Prozent. „Der Online-Lebensmittelmarkt entwickelt sich gerade erst bzw. wir entwickeln ihn. Und da 80-90 Prozent der Kunden in Deutschland noch nie online Lebensmittel bestellt haben, sehen wir viele Möglichkeiten“, so Knaudt

Und diese versucht Picnic voll auszuschöpfen. „Wir betreiben keine Supermärkte und sparen daher sehr viele Kosten. Trotzdem geht es bei den Logistikketten um Effizienz an jedem Punkt.“ Die zwei großen Kühllager des Online-Supermarkts befinden sich in Viersen und Herne. Diese werden jeden Morgen mit frischer Ware beliefert, die von dort in insgesamt 14 Hubs in der Region ausgeliefert wird. Von hier gehen die Bestellungen dann direkt an die in Deutschland derzeit 130.000 registrierten Kunden. 

Bei Picnic wird Effizienz an jedem Punkt der Logistikkette großgeschrieben. Das gilt auch für das Beladen der Lieferfahrzeuge.

Bei Picnic wird Effizienz an jedem Punkt der Logistikkette großgeschrieben. Das gilt auch für das Beladen der Lieferfahrzeuge.

„Wir arbeiten nach dem Milchmannprinzip: keine individuellen Termine, sondern feste Fahrpläne, innerhalb derer man mehr Kunden in der gleichen Nachbarschaft mit einem Zeitfenster von nur 20 Minuten beliefern kann“, erklärt Frederick Knaudt. Dieses Konzept ist ein Alleinstellungsmerkmal von Picnic. „Wir hatten von Anfang an den Luxus, alles neu denken zu können. Daher haben wir auch ein eigenes Auto gebaut.“ Die von Picnic selbst entwickelten Fahrzeuge sind elektrisch, nur 1,35 Meter schmal und haben ein an der Seitenwand integriertes Rollo, um Ware möglichst schnell und einfach entnehmen zu können. Auch was das Sortiment betrifft, geht Picnic eigene Wege. In der Breite bietet das Unternehmen die gleichen Produkte an wie ein vollwertiger Supermarkt. „Bei uns bringen allerdings Kunden ihre Wünsche mit ein und entscheiden so über das Sortiment.“ Das Angebot bleibt dementsprechend dynamisch und enthält neben vielen regionalen, auch saisonale Angebote. Bei der Preisgestaltung gilt eine sogenannte Niedrigpreisgarantie: Das Unternehmen vergleicht seine Preise ständig mit denen der Wettbewerber und passt sich dann an den jeweils günstigsten Preis an.

Frederic Knaudt, Founding Team Picnic Deutschland

Frederic Knaudt, Founding Team Picnic Deutschland

E-Fahrzeuge, Sortimentsgestaltung durch die Kunden und hochdynamische Preise sind nicht die einzigen Innovationen bei Picnic. Was macht den Online-Supermarkt noch zu einem zukunftsweisenden Geschäftsmodell? „Bei Picnic kann man Lebensmittel ausschließlich auf dem Smartphone bestellen, und das macht für uns auch am meisten Sinn. Picnic ist wie ein Supermarkt in der Hosentasche, mit dem man überall bequem einkaufen kann.“ Zudem gelingt es dem Lieferdienst mit seinem Konzept, das Wegwerfen von Lebensmitteln zu vermeiden. „Unsere Kunden können bis 22 Uhr für den nächsten Tag ordern, was uns ermöglicht, ganz konkrete Bestellungen zum Beispiel beim Bäcker aufzugeben. In dem Moment, wo dieser uns sein Brot liefert, haben wir es schon verkauft“, freut sich Frederick Knaudt. Zudem versuche man vermehrt in Kooperationen mit Zulieferern, Plastikverpackungen zu vermeiden und zum Beispiel auf Papiertüten umzusteigen. Picnic liefert derzeit in insgesamt 38 Städten und ausschließlich in NRW aus, „aber wir wachsen langsam und kontinuierlich weiter“, so Knaudt. Während des Lockdowns konnte das Unternehmen die Zahl seiner registrierten Kunden mehr als verdoppeln, zeitweise waren sogar 90.000 Haushalte auf der Warteliste. „Das schöne ist, dass diese Kunden dabeigeblieben sind!“ Geblieben sind seit der Gründung auch der Unternehmensstandort in Neuss und das Headquarter in Düsseldorf. „Wir haben hier ein super Umfeld und eine gute Infrastruktur. Daher ist der Standort für uns weiterhin ideal“, ist sich Frederick Knaudt sicher. •


Words:  Tom Corinth

Pictures: PR