Die Netzwerkerin

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Als Chefin der Düsseldorfer Sparkasse gehört Karin-Brigitte Göbel zu den einflussreichsten Menschen der Stadt. Den Weg nach oben hat sie nie als Aufgabe begriffen, sondern als Chance.

Der Mann, der Karin-Brigitte Göbel in der Straßenbahn gegenübersaß, sah freundlich aus. Plötzlich sprach er sie an. „Er sagte, dass er Dekan der Fachhochschule Bochum sei und immer auf der Suche nach jungen Menschen, die Lust hätten, sich weiterzubilden. Ob ich nicht Interesse an einem Studium hätte?“ Karin-Brigitte Göbel steckte gerade in der Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Deutschen Bank, sie wollte nach dem Abitur etwas Handfestes, eine sichere Basis. Ein Studium obendrauf würde viel Mehrarbeit bedeuten, weniger Freizeit, büffeln bis spät in die Nacht. Die junge Bochumerin zögerte nicht. „Ich machte es, weil ich das Gefühl hatte, so schneller mein Ziel zu erreichen. Ich wollte gestalten, meine Talente ent-decken. Ich bin bis heute sehr dankbar über diese Zufallsbegegnung in der Bahn“, sagt die 59-Jährige und lacht. Von nun an setzte sie sich nach ihrem Arbeitstag in der Bank oder der Berufsschule hin und lernte für ihr BWL-Studium, von 17 Uhr nachmittags bis spät in die Nacht, an Samstagen und Sonntagen. Es liegt keine Verbissenheit in ihrem Blick, kein Ehrgeiz, wenn sie davon erzählt. Sie hat es genossen, mit den Kommilitonen zusammenzusitzen und gemeinsam dafür zu arbeiten, dass die nächste Klausur gelingt.

Karin-Brigitte Göbel gehört zu den Menschen, die Energie nicht erst mobilisieren müssen, sie ist einfach da, und sie scheut sich nicht, sie zu nutzen. Das Ergebnis war, dass sie ihr Studium mit Bestnote abschloss und ein Stipendium für ein Praxissemester in England bekam. Ein in vielerlei Hinsicht prägender Aufenthalt. „Es war natürlich spannend, mal etwas ganz anderes zu sehen, viele Menschen aus der ganzen Welt kennenzulernen.“ Einer davon war ihr heutiger Mann, Paramsothy Thamotharampillai-Göbel, ein Chemieingenieur aus Malaysia „Ich glaube vor allem an Menschen und ihre Talente” mit indischen Wurzeln. Zu ihm wollte sie zurück, als sie wieder nach Deutschland musste, so schnell es ging. Aber nicht irgendwie, sondern mit einem guten Job in England, einem, der Perspektive hatte, der nicht nur ihr Privatleben stabilisierte, sondern auch ihre Karriere. „Ich hatte immer einen festen Willen, das halte ich für unabdingbar. Du musst dein Ziel kennen, um die richtigen Wege zu finden, um es zu erreichen.“

In diesem Fall musste sie einen Anruf tätigen, beim Personalchef der Chase Bank in Frankfurt. Das Unternehmen hatte damals Anfang der 80er-Jahre ein Programm für Trainees in London, und Karin-Brigitte Göbel, Bankkauffrau und Betriebswirtin, war der Meinung, dafür wunderbar geeignet zu sein. Es gab nur einen Haken. „Sie nahmen damals nur Universitätsabsolventen, also musste ich als FH-Absolventin den Herrn am Telefon davon überzeugen, eine Ausnahme zu machen.“ Wieder lacht sie. Was für andere wie ein ziemlich kühner Plan klingt, war für sie das, was eben zu tun war, um weiterzukommen, privat und beruflich. Der Personalchef zögerte zunächst. Man lege ja schon Wert auf einen Uni-Abschluss, die internationalen Traineekollegen seien schließlich Absolventen von Oxford und Cambridge. Wie denn ihr Englisch sei? „Dann sagte ich: ,We can switch to English‘, erklärte ihm, dass ich genauso gut sei wie eine Uni-Absolventin, und kurze Zeit später hatte ich die Einladung zum Vorstellungsgespräch. Das werde ich nie vergessen.“ Tatsächlich war der Anruf lebensverändernd, denn in England festigte sie das, was sie zu einer der erfolgreichsten Persönlichkeiten in der Düsseldorfer Geschäftswelt machen sollte. Frei denken, Zwänge und vermeintliche Gewissheiten ignorieren, die in Deutschland so heiligen Hierarchien hinterfragen. „Von den vielen internationalen Kollegen in London, zum Beispiel den Amerikanern, habe ich gelernt, dass es nicht auf den Rang, sondern auf das Konzept ankommt. Wenn du gut bist oder eine gute Idee hast, sprich sie aus, wirb dafür und denke nicht darüber nach, ob du das nun darfst oder nicht, zum Beispiel, weil du eine Frau bist.“

Auch andere ungeschriebene Regeln, wie die, Berufliches und Privates zu trennen, konnte sie in England schnell vergessen, denn für Privates war überhaupt keine Zeit. „Wir haben buchstäblich unter dem Schreibtisch geschlafen, um das Lernpensum für das Traineeprogramm zu schaffen. Mit einer Kommilitonin habe ich verabredet, dass sie 30 Seiten eines Buches liest und ich die anderen 30 und wir uns dann gegenseitig erklären, was wir gelesen haben. Es war schon verrückt: Wir hatten eine wirklich luxuriöse Ausstattung mit Fitnessstudio und Pool, aber konnten kaum etwas davon nutzen, weil so viel zu tun war.“ Karin-Brigitte Göbel klingt kein bisschen so, als fände sie das schade. Sie klingt eher nostalgisch, weil es eine Zeit war, die zwar fordernd, aber auch befreiend war. Sie wusste nun besser denn je, dass sie erreichen konnte, was sie wollte. Sie durfte nur den Zweiflern keinen Raum geben. Zurück in Deutschland kannte ihre Karriere nur eine Richtung: nach oben. 

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„Wir brauchen Offenheit, in
allen Bereichen“

Von der Chase Bank – inzwischen war sie stellvertretende Direktorin – wechselte sie 1990 zur Frankfurter BfG-Bank, übernahm unter anderem die Leitung des Auslandsmarketings. Sechs Jahre später warb die Bankgesellschaft Berlin AG sie ab und machte sie zunächst zur Niederlassungsleiterin Firmenkunden in Frankfurt und dann zur Leiterin des Geschäftsbereichs Firmenkunden in Berlin. Im Jahr 2002 kam dann das Angebot, Mitglied des Vorstands der Taunus-Sparkasse in Bad Homburg zu werden. Für die Bankerin mit Stationen in London, Frankfurt und Berlin war das keineswegs abwegig, sondern besonders reizvoll. „Ich hatte immer den Mut, andere Wege zu gehen, und die Sparkasse ist anders. Wer dort arbeitet, ist viel näher am Kunden, aber auch an den Menschen in der Region, ihrer Kultur und ihren Traditionen. Man wird sozusagen vom Berater zum Partner. Weil ich weniger an Strukturen, sondern vor allem an Menschen und ihre Talente glaube, habe ich mich dort sehr schnell wohlgefühlt, auch wenn ich eine Quereinsteigerin in die Sparkassenwelt war“, erzählt Karin-Brigitte Göbel.

Es ist eine andere Welt, aber auch eine sehr vielschichtige, abwechslungsreiche. Es gibt knapp 400 Sparkassen in Deutschland. Als dann 2009 eine der zehn größten anklopfte, war da einfach nur Freude. „Der damalige Chef der Düsseldorfer Sparkasse, Peter Fröhlich, schlug mich für einen Posten im Vorstand vor. Es gab vier Vorstände, zwei Männer, eine Frau, und ich sollte die zweite Frau sein, eine Quote im Vorstand von 50 Prozent. Das war damals ein absolutes Novum“, erinnert sich Karin-Brigitte Göbel, und wieder umspielt ein Lachen ihr Gesicht. Aber es war nicht nur der Job selbst, es war auch die Stadt. „Als Bochumerin war ich in meiner Jugend oft in der Düsseldorfer Altstadt feiern. Es ist eine tolle Stadt. Und diese rheinische Fröhlichkeit hat mir tatsächlich immer ein bisschen gefehlt, egal, wo ich war.“ Fortan war sie für die Bereiche Unternehmen, Immobilien und Treasury zuständig, und je mehr sie in ihrem neuen Job bewegte, desto mehr wurde sie Teil der Stadt, ihrer Geschäftswelt, ihrer Kultur, ihrer Gesellschaft. Sie und ihr Mann fühlen sich hier wohl, ihre sieben Patenkinder besuchen sie oft, das älteste ist selbst schon Vater.

Im Herbst 2016 wählte der Verwaltungsrat der Sparkasse sie zur Vorstandschefin, am 1. Januar 2017 trat sie offiziell ihr Amt an, als erste Frau in rund 200 Jahren Unternehmensgeschichte. Doch solche Labels, „die erste Frau“, sind ihr gar nicht so wichtig. Sie nimmt das wahr, es ehrt sie auch, aber sie ist Praktikerin, sie hätte lieber, dass Frauen in der Arbeitswelt als das angesehen werden, was sie sind: unverzichtbar. „Bei erfolgreichen Frauen spielt es in der
Außenwahrnehmung immer noch eine Rolle, dass sie eine Frau sind. Berufstätige Mütter gelten gar als sogenannte Rabenmütter, das habe ich in anderen Ländern nie so erlebt. Unser Ziel sollte es sein, davon wegzukommen und zu begreifen, dass Frauen mit ihren häufig besseren Abschlüssen, ihrer Disziplin, aber auch ihrer Empathie für jedes Unternehmen ein absoluter Gewinn sind“, sagt die Chefin von rund 1.900 Mitarbeitern.

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„Ich hatte immer einen festen Willen, das halte ich für unabdingbar”

Sie selbst ist das beste Beispiel, sie definiert ihren Erfolg über Zahlen und konkrete Ergebnisse, nicht darüber, dass sie kein Mann ist. „Unsere Bilanzsumme liegt bei mehr als elf Milliarden Euro. Wir haben es geschafft, im vergangenen Jahr stark zu wachsen, insbesondere im gewerblichen Immobiliengeschäft, wo wir, genau wie beim Mittelstand, erster Ansprechpartner in der Region sind.“

Kundennähe schreibt Göbel groß. Es gibt einen Beirat, in dem sich mittelständische Unternehmen mit der Sparkasse und untereinander austauschen können. Zum alle zwei Jahre ausgerichteten Mittelstandstag treffen sich bis zu 600 Unternehmer. Beraten, begleiten, Ansprechpartner sein – diese Rolle ist der Vorstandsvorsitzenden wichtig. „Es macht mir Spaß, Brückenbauerin und Netzwerkerin zu sein. Was das Netzwerken angeht, können wir Frauen übrigens durchaus noch dazulernen. Wir sehen uns noch zu oft als Konkurrentinnen, statt zusammenzuhalten. Ich bin keine Anhängerin einer Quote, aber eine Anhängerin gemischter Teams. Wir brauchen Offenheit, in allen Bereichen.“ Schließlich kann schon eine Zufallsbegegnung in der Straßenbahn alles verändern.

Zwei Herausforderungen für die Sparkassenchefin

1. Eine einvernehmliche Regelung der Ausschüttung an die Stadt Düsseldorf mit dem Verwaltungsrat der Stadtsparkasse Düsseldorf

2. Die Absenkung der zu hohen Kosten im Personal- und Sachaufwand. Diese Senkungen sind zwingend notwendig, um die rückläufigen Erträge aus der wichtigsten Ertragsquelle, dem Zinsüberschuss, auffangen zu können. Hierbei spielen die ultra-lockere Geldpolitik der EZB sowie die regulatorischen Anforderungen eine bedeutende Rolle.


Stadtsparkasse in Zahlen

Mitarbeiter 1.900

Kunden 465.000

Sitz Düsseldorf

Gründung 1825

Bilanzsumme 11 Milliarden Euro


Text: Gesa van der Meyden
Fotos: Sabrina Weniger

Heft 02, PeopleVIVID Magazin