QVCs Start-Up Offensive

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Seit einem halben Jahr sind Gründer in den QVC-Rheinstudios immer häufiger zu Gast. Eine Kooperation mit dem Höhle-der-Löwen-Investor Ralf Dümmel und eine eigene Start-up-Initiative machen den Teleshopping-Sender interessant.

Willkommen in unserem Wohnzimmer“, sagt Silvia El Sheikh und hebt die Arme. Sie steht inmitten eines riesigen Fernsehstudios. Auf der einen Seite ein Laufsteg, auf der anderen ein Sofa. Darüber – zwischen den Scheinwerfern – hängt ein kleiner Kronleuchter. „Wenn Sie morgen kommen würden, könnte hier auch ein Bett stehen. Es herrscht permanenter Umbau.“ Silvia El Sheikh ist Broadcast Director in den Rheinstudios des Teleshopping-Senders QVC. Seit dem Start als „Garagenfernsehen“ in den Neunzigern ist sie Teil des Teams. Viel hat sich seitdem getan. Konnte man die Mitarbeiter anfangs an zwei Händen abzählen, arbeiten heute allein am Set 250 Menschen. „Veränderung“, sagt Silvia El Sheikh, „gehört zum täglichen Geschäft von QVC.“

Nun verändert sich das Unternehmen in eine Richtung, die Mathias Bork, CEO von QVC Deutschland, als „zurück zu den Wurzeln“ bezeichnet. „In den Anfängen war QVC selbst ein Start-up“, meint er. „Damals haben wir zunächst mit kleinen Unternehmen zusammengearbeitet, da wir für große Lieferanten mit unserem Volumen noch nicht interessant waren. Zudem war Teleshopping mit einem Stigma behaftet.“ So mancher potenzielle Zulieferer habe partout nicht mit ihnen kooperieren wollen. „QVC musste daher mit vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen starten“, sagt Bork. „Wir haben in Deutschland also als Start-up mit Start-ups begonnen und sind gemeinsam dank innovativer, einzigartiger Produkte groß geworden.“ 

Nun, 30 Jahre später, als umsatzstarkes Unternehmen, springt QVC mitten in die Start-up-Welt. Während der Düsseldorfer Startup-Woche lud das Unternehmen in die Rheinstudios ein – mit einer klaren Botschaft: Wir sind neugierig auf neue Ideen und wollen sie groß machen. 

Die Neugierde und das Interesse an Start-ups soll für QVC kein Trend sein, um das eigene Haus innovativer zu machen. An die eigene Kraft glaubt man fest. Schließlich gehöre Innovation in Form von neuartigen Produkten schon immer zum Geschäftsmodell. „Es ist wichtig, dass wir uns im Angebot von anderen Playern im deutschen Handel unterscheiden“, sagt Bork. „Dafür arbeiten wir stets daran, eigene Trends auszuprobieren und zu setzen.“ Erfolgsbeispiele, die Bork gerne nennt: die flammenlose Kerze aus Echtwachs oder die Mikrofaser-Bettwäsche. Beides laut QVC Produkte, für die damals weder ein Markt noch die Nachfrage vorhanden waren – bis QVC sie aufgriff und zum Kassenschlager machte – letztlich dann auch bei der Konkurrenz. Um weiterhin Vorreiter sein zu können, in der Lage zu sein, vorzulegen – dabei kann die Kooperation mit Start-ups QVC helfen. Denn auch Exklusivität gilt hier als Teil des Erfolgs. Produkte, die es nur bei dem TeleshoppingSender gibt oder die woanders längst vergriffen sind, sollen den entscheidenden Anreiz und Vorteil für den Kunden liefern. 

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„Wir müssen probieren, eigene Trends zu setzen"

So wie bei der Verkaufsshow, die an diesem Donnerstagnachmittag aus den Rheinstudios deutschlandweit ausgestrahlt wird. Theoretisch könnte der Sender in bis zu 40 Millionen Haushalten über den Bildschirm flimmern. Angeboten wird gerade ein Make-up-Set. Das Produkt ist ansonsten nicht im deutschen Handel zu bekommen. „Noch 300 Sets“, murmelt die Line-Producerin, eine Art Regisseurin, aus der Regie ins Mikrofon. Kurz darauf wiederholt die Moderatorin: „Noch 300 Sets haben wir heute im Angebot.“ Sie steht gemeinsam mit einem Model und der Frau vor der Kamera, deren Name auf dem Make-up-Set steht. Die schminkt das Model und plaudert locker mit der Moderatorin über das Produkt. Es wirkt wie ein Gespräch in der Schminkabteilung des Kaufhauses. Ein echtes, lockeres Gespräch – hier wird nicht abgelesen vom Teleprompter, sondern eben einfach über Make-up geplaudert. Und das mit der Erfinderin selbst – letztlich kann ja niemand überzeugter darüber sprechen. Für diese Art der Produktpräsentation sind Gründer prädestiniert. „Storytelling ist für uns ganz wichtig“, sagt Bork. „Und ein neues, innovatives Produkt von einem Start-up erzählt meist auch gleich eine spannende, emotionale Geschichte.“ Zudem besteht bei Start-ups häufig die Möglichkeit, dem Kunden ein Produkt exklusiv oder als erster großer Händler im Markt anbieten zu können. Die Produkte sind für viel mehr Menschen interessant, als sie erst mal erreichen – da kann QVC nachhelfen. „Es ist eine Win-win-Situation für beide – für die Unternehmen und für QVC“, meint Bork.

Trotz dieser sehr eindeutigen Vorteile für das Handelsunternehmen hat es gedauert, bis man beim Einkauf Start-ups für sich entdeckte. Seit Herbst 2017 treibt QVC allerdings gleich über zwei Kanäle die Kooperation mit Start-ups voran.  Zum einen landen Start-ups durch Handelsmogul Ralf Dümmel in den Rheinstudios. Als Investor bei der Gründershow „Die Höhle der Löwen“ hält er seit Herbst 2016 für die Start-ups nicht nur eine Beteiligung, sondern auch einen Vertriebsvertrag mit QVC bereit. Wer ein Investment von Dümmel annimmt, bekommt auch die Chance, sein Produkt bei dem Shoppingsender zu verkaufen. Dadurch kamen bereits 17 Firmen wie beispielsweise die Düsseldorfer Gründer von Mio-Olio in die Rheinstudios, um hier ihre Produkte zu verkaufen. 455.000 Gründerartikel gingen dadurch aus dem Lager in Hückelhoven zu Kunden deutschlandweit. Zum anderen streckt der Sender ganz direkt seine Fühler in die Szene aus. Im September 2017 launchte das hauseigene Projekt: QVC NEXT. Dazu gehört zunächst einmal eine Gründerplattform im Netz, auf der sich Start-ups informieren können. Zudem können Gründer darüber Kontakt zu den Einkäufern aufnehmen. „Mit QVC NEXT wollen wir mehr innovative Produkte frühzeitig erkennen, um so neue Lieferanten mit großem Potenzial in der Zukunft an QVC zu binden. Wir wollen eben schneller sein als unsere Mitbewerber“, beschreibt es Bork. 

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„Ich hoffe, dass sich QVC in der Start-Up-Szene als starker Partner einen Namen machen kann"

 

Eine aktive Suche der QVC-Einkäufer in der Start-up-Welt wird es allerdings vorerst nicht geben. „Wir starten gerade erst damit, uns in der Gründerszene zu bewegen und auf relevanten Events präsent zu sein.“ Dazu zählt die Teilnahme an Start-up-Events wie dem Hamburger Gründertreff „Start-ups @ Reeperbahn“, der Startup-Woche Düsseldorf oder dem „Food-Innovation-Camp“. Parallel dazu wirbt QVC NEXT dafür, dass Start-ups Initiative zeigen und sich bei dem Sender über die Gründerplattform bewerben. „Ich hoffe, dass sich QVC in der Start-up-Szene als starker Partner einen Namen machen kann“, sagt Bork. „Wenn wir unsere Initiative langfristig verfolgen und Erfolgsgeschichten erzählen, glaube ich, dass manch ein Start-up zukünftig auch von selbst auf uns aufmerksam wird.“ 

So wie Andrea Hadrian. Sie war eine der ersten Gründer, die sich über die Plattform bewarben. Auf die Frage, was sie sich von ihrem Auftritt im Teleshopping verspricht, antwortet sie in den Rheinstudios: „Da kann ich zeigen, wie einfach es ist!“ Ihr Start-up verkauft individuelle Bio-Brotmischungen für Brötchen, Burger-Buns, Baguettes oder Pizzateige – aus natürlichen Zutaten kontrollierter Herkunft, ohne Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe. Nach einem Casting und drei Coachings durch QVC fühlt sie sich bereit fürs Teleshopping. Sechs Paletten mit 5.000 Brotmischungen liefert sie für die erste Verkaufsrunde zu QVC. „Und ich will keine davon wieder mit nach Hause nehmen“, sagt Hadrian grinsend. Beim Gedanken an das Banner „Angebot begrenzt“ unter ihrem Produktangebot kribbele es, meint die Gründerin. „Ich glaube, ich werde da noch richtig zur Rampensau.“

Dabei war sie bei ihrer Bewerbung zunächst alles andere als überzeugt davon, dass QVC ihrem Start-up wirklich etwas bringen könnte. „Ich dachte, ich versuche es einfach mal und lass das Ganze auf mich zukommen.“ 

Hadrians Bild vom Teleshopping-Sender passte zunächst nämlich überhaupt nicht zu ihrem Produkt. Zu altmodisch, zu angestaubt –  „nur etwas für die alte Dame mit Katze auf dem Sofa vorm Fernseher“, beschreibt es Hadrian. Damit habe sie sich aber getäuscht, revidiert die Gründerin heute ihre Meinung. Seit sie mit QVC zusammenarbeite, sei ihr deutlich geworden, ihr Produkt könne genau dort die richtige Zielgruppe finden.

QVCs Durchschnittskunden sind Frauen um die 53 bis 55 Jahre mit einem Mittelklasse-Einkommen. Der Internetkunde ist etwa zehn Jahre jünger. Denn auch wenn der Onlineshop bei den Verkaufszahlen immer stärker wird, TV geht bei QVC noch immer vor. Das angestaubte Image, das Hadrian beschreibt, sieht CEO Bork differenzierter: „Wir sind uns gewisser Vorurteile bewusst, als angestaubt würde ich uns jedoch nicht bezeichnen. Wir arbeiten kontinuierlich an unserem Image – ob durch einen insgesamt jüngeren und frischen Auftritt, Kooperationen mit großen Marken oder ein innovatives Produktportfolio, das auch die Start-ups beleben“, sagt Bork.

„Wir wollen kein Amazon werden. Wir haben ganz andere Stärken"

Ein höheres Risiko sieht der QVC-Geschäftsführer nicht in der Zusammenarbeit mit den Gründern. „Die Kooperationen sind schon aufwendiger“, meint Bork. Es koste mehr Zeit, mehr Geld, mehr Arbeitskraft.  „Wir müssen beispielsweise häufig Grundlagen des Handels oder unseren Vertriebskanal erst einmal erklären“, sagt Bork. Wie jedes große Handelsunternehmen hat QVC Standardverträge, die allen Lieferanten vorgelegt werden. Bestimmte Konditionen dieser Verträge mussten für die Start-up-Kooperationen allerdings gekippt werden. So bietet QVC den Gründern kürzere Zahlungsziele an und verzichtet weitestgehend auf Rückgaberechte. Außerdem werden die Gründer anders vorbereitet als der „normale“ Protagonist, der seine Produkte vor der Kamera vorstellt. „Die Gründer sind dafür nicht alle Naturtalente“, umschreibt es Studioleiterin Silvia El Sheikh höflich auf der Studiotour. Start-ups bekommen deshalb ein kleines Coaching, die Dos and Don’ts vor der Kamera erklärt. Erst dann geht im Rheinstudio für sie das Aufnahmelicht an.

Warum sich dieser Aufwand für QVC lohnt, sagt Bork ganz direkt: „Weil wir innovative und einzigartige Produkte bekommen“, erklärt Bork. „Uns liegt viel daran, ein Start-up groß zu machen und mit ihm über Jahre erfolgreich zusammenzuarbeiten, anstatt dass es nach kurzer Zeit schon wieder aufgeben muss.“ Langfristiger Erfolg – den will QVC auch für sich. Das heißt nicht nur, immer wieder innovative Produkte zu finden, sondern auch die eigene Verkaufsstrategie weiterzudenken. Mittlerweile vermarktet sich das Unternehmen als „Multi-Channel-Händler“, für den sowohl TV als auch Online große Bedeutung hat. „Wir gehen davon aus, dass der Anteil unserer Bestellungen über den Webshop weiterhin steigen wird“, sagt Bork. Derzeit sind die Verkaufszahlen des Teleshoppings noch höher, Online nähere sich aber der 50-Prozent-Marke. Konkrete Zahlen darf QVC Deutschland nicht nennen – das gestattet der US-Mutterkonzern nicht. Die weltweiten Zahlen – die vor allem vom US-Markt geprägt sind – zeigen aber bereits, wohin es wohl auch in Deutschland gehen wird: Weltweit ist E-Commerce bei QVC bereits deutlich stärker als TV – und davon wiederum fast 60 Prozent über mobile Endgeräte. „Meine Vision ist, dass QVC in zehn Jahren weiterhin Marktführer in unserem Kerngeschäft sein wird und als einer der Top-Onlineshops in Deutschland angesehen wird“, sagt Bork.  

Das Geschäftsmodell, das das Teleshopping so erfolgreich machte, soll auch den Onlineshop prägen. „Bewegtbild im Internet gewinnt immer stärker an Bedeutung“, ist sich Bork sicher. Online-exklusive Video-Inhalte produziert QVC derzeit noch nicht. Aber das Verkaufsvideo aus dem TV bekommen Kunden auch im Onlineshop. „Das unterscheidet unseren Shop von anderen.“ An Selbstsicherheit mangelt es dem Düsseldorfer Handelsunternehmen jedenfalls nicht: „Wir wollen kein Amazon werden und benötigen auch kein Vollsortiment von 100.000 Artikeln“, sagt Bork. „Wir haben ganz andere Stärken.“ Für den CEO liegen diese Stärken vor allem in der Leidenschaft fürs Produkt, in der Innovationsfähigkeit QVCs und der guten Kundenbindung. Damit soll es gelingen, Start-ups anzulocken und QVC noch größer zu machen. Das Ziel ist klar: Deutschlands beliebtester Multi-Channel-Händler. Ob das gelingt, dafür werden das Onlinegeschäft und die Trends von morgen entscheidend sein. ●


Firma QVC Deutschland Plockstr. 30, 40221 Düsseldorf

Geschäftsführer Mathias Bork

Seit 1996

Umsatz letztes Geschäftsjahr 750 Millionen Euro 


Text: Katja Joho

Heft 02, BusinessVIVID Magazin