Die Innovationsmacher
Digitale Hörspiele für Kinder, ein Rundum-Service für Medikamente, ein bargeldloses Bezahlsystem fürs Parken: Das sind nur einige der Ideen, mit denen junge Unternehmenin Düsseldorf den Alltag ihrer Kunden erleichtern. Wir stellen sechs vor.
Pillbox
Es ist eine Zahl, die durchaus erschreckt: „Bis zu 500.000 Menschen müssen jedes Jahr wegen vermeidbarer Medikamentenfehler ins Krankenhaus“, sagt Pascal Evecek. Unter anderem deshalb hat er vor zwei Jahren mit seinem Geschäftspartner Christian Lenski das Unternehmen Pillbox gegründet. Die Idee: Patienten bekommen einmal im Monat für einen Festpreis von 19,95 Euro alle Medikamente, die sie benötigen, vorsortiert nach Hause geliefert. Pillbox arbeitet eng mit ausgesuchten Apotheken und den Ärzten der Patienten zusammen, um Risiken durch mögliche Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten auszuschließen. „Obwohl es um ein so zentrales Thema wie die Gesundheit geht, hapert es oft an der Kommunikation zwischen Patienten, Ärzten und Apothekern. Hier setzen wir mit unserem ganzheitlichen Konzept an. Unsere Kunden bekommen alle 28 Tage ihre Lieferung und können absolut sicher sein, dass diese alles beinhaltet, was sie brauchen“, sagt Evecek.
Im Herbst 2016 erhielten die ersten Patienten in Düsseldorf ihre auf sie zugeschnittene Medikamentenbox, inzwischen arbeitet Pillbox bundesweit. „Am Anfang sind wir noch selbst gefahren, nun arbeiten wir mit UPS zusammen“, erzählt der Gründer. Er erlebe immer wieder, welch eine Entlastung es für die Kunden sei, sich nicht mehr um jedes Rezept selbst kümmern zu müssen. „Häufig sind es Angehörige, die uns beauftragen, um ihre Eltern zu versorgen und sich auch selbst zu entlasten. Aber auch Berufstätige, die an einer chronischen Krankheit leiden und Zeit und Nerven sparen wollen, weil sie sich nicht mehr um die Rezepte oder den Gang zum Apotheker kümmern müssen, nutzen unseren Service.“ Das Team von Pascal Evecek besteht inzwischen aus fünf Leuten. „Unser nächstes Ziel ist es, unsere IT zu verbessern, sodass wir noch mehr Vorgänge automatisieren können.“
2. Boxine
Vor einigen Jahren merkte Patric Faßbender, dass in deutschen Kinderzimmern etwas fehlt: ein passendes Medium für Musik und Hörspiele. „Anfang 2013 realisierte ich bei meinen Töchtern (damals drei und fünf Jahre alt), dass CDs ein denkbar ungünstiges Medium für kleine Kinder sind, da sie schnell zerkratzen. Auf der Suche nach einer Alternative erkannte ich, dass es eigentlich kein wirklich kindgerechtes Audiosystem gibt, und entschied, es einfach selbst zu machen.“ Gemeinsam mit seinem Co-Geschäftsführer Marcus Stahl gründete er die GmbH „Boxine“, die eine Art digitales Abspielgerät samt Zubehör fernab von CD-Playern und alten Kassettenrekordern bietet. Das Abspielgerät ist die sogenannte Toniebox, ein würfelförmiges Gerät, das sich einfach bedienen lässt, per Akku aufladbar ist und als bunter Quader in verschiedenen Farben in jedes Kinderzimmer passt.
Um eine Audiodatei zu hören, werden auf die Box Tonies gesetzt, kindgerechte Figuren, die von der Box erkannt werden. Eine Benjamin-Blümchen-Figur sorgt dann zum Beispiel dafür, dass das Gerät eine Folge dieses Hörspielklassikers abspielt, das Ganze funktioniert per WLAN und ist in diversen Variationen möglich: Kinder-Hörspiele, Musik, Hörbücher, je nach Tonie und der auf dieser Figur gespeicherten Datei. Der Erfolg hat Patric Faßbender und Marcus Stahl, die sich über die gemeinsame Kita ihrer Kinder kennengelernt haben, überrascht. „Die Bilanz ist extrem positiv, der Umsatz lag 2017 bei rund 18 Millionen Euro. Durch das starke Wachstum der letzten Monate gilt es nun, vor allem uns als Unternehmen so aufzustellen, dass wir die Herausforderungen und Ideen, die vor uns liegen, auch stemmen können. Wir sind in recht kurzer Zeit auf über 70 Mitarbeiter angewachsen“, sagt Patric Faßbender.
3. Mapudo
Es gibt wohl wenige Branchen, bei denen der Zusatz „traditionsreich“ besser passt als bei der Stahlindustrie. Bis vor wenigen Jahren war sie sogar so traditionsreich, dass es nicht möglich war, Werkstoffe online zu bestellen.Vier Brancheninsider aus Düsseldorf haben diesen Mangel erkannt. „Wir haben festgestellt, dass es für kleinere Bestellungen keine effizienten Vertriebswege gab. Der Markt war intransparent, und die Interessenten mussten sich ihre Werkstoffe mühsam zusammensuchen und telefonisch oder per Fax bestellen“, sagt Niklas Friederichsen, Wirtschaftsingenieur und einer der beiden Geschäftsführer von Mapudo.
Auf ihrer Plattform gibt es nun anbieterübergreifend ein breites Angebot an Materialien rund um Stahl, das besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit bietet, sich ihren individuellen Werkstoff-Warenkorb zusammenzustellen. „Mapudo verbindet als Online-Marktplatz eine klassische Branche wie den Stahlhandel mit den modernen Möglichkeiten der Digitalisierung“, sagt Peter Güllmann, Bereichsleiter Unternehmens- und Infrastrukturfinanzierung der NRW.BANK, die zu den Investoren des Start-ups gehört. Das 2014 gegründete Unternehmen hat inzwischen15 Mitarbeiter.
4. Evopark
Sie hatten eine Vision, und wo ließe die sich besser umsetzen als in der Einkaufsstadt Düsseldorf? „Wir wollten den Parkvorgang digitalisieren und damit vereinfachen, sowohl für den Kunden als auch den Parkhausbetreiber“, sagt Marik Herrmann, Geschäftsführer des Unternehmens Evopark. Autofahrer können eine Parkkarte für die berührungslose Einfahrt und das bargeldlose Parken nutzen. „Wir sind eigentlich eine Kölner Firma, hatten zu dem Thema aber so viele Anfragen aus Düsseldorf, dass wir das System dort zuerst eingeführt haben“, sagt Herrmann. Inzwischen hat sich der Fokus vom Endkunden auf die Parkhausbetreiber selbst und Anbieter wie Porsche oder Mercedes verlagert. „Wir bieten nun ausschließlich B2B-Lösungen an. Die Parkhausbetreiber erhalten unsere Software, ähnlich wie Microsoft Office, und sie können ihre Vorgänge digitalisieren. Ein anderer Geschäftszweig sind Kooperationen mit Unternehmen wie zum Beispiel Porsche. Im neuen Cayenne ist unsere Software bereits integriert, und der Fahrer kann mit der Parkkarte Parkhäuser anfahren und dort bargeldlos parken.“ In Düsseldorf machen inzwischen 21 Parkhäuser mit, darunter Häuser an Carlsplatz, Schadow-Arkaden, Medienhafen, Kö und Flughafen.
5. NEU - Gesellschaft für Innovation
Nach mehr als 20 Jahren Berufserfahrung mit der eigenen Kommunikationsagentur war für Sabine Rings klar: Am besten funktionieren Ideen, wenn sie in den Unternehmen selbst entstehen und nicht von außen an sie herangetragen werden. „Wir haben es mehr als einmal erlebt, dass Ideen von externen Partnern im Unternehmen gescheitert sind. Deshalb haben wir beschlossen, unser Know-how zu bündeln und damit die Unternehmen zu befähigen, eigene Ideen zu entwickeln.“ Diese „Werkzeuge für Ideenkultur“ können ganz unterschiedlicher Art sein. Zum einen gibt es Workshops und Seminare, um die Mitarbeiter zu ermutigen, die eigene Kreativität besser zu nutzen, zum anderen diverse Hilfsmittel, die sich einfach in den Büroalltag integrieren lassen.„Um kreatives Denken ins Tagesgeschäft der Unternehmen zu bringen, setzen wir ein von uns entwickeltes Baukastensystem ein. Die einzelnen Bausteine basieren auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zur Ideenentwicklung. Einfach gesagt: Wir übertragen den Ideenprozess, der im Gehirn stattfindet, auf Abläufe und Arbeitsumgebungen im Unternehmen“, erklärt Sabine Rings. Dabei setzt NEU auf haptische Werkzeuge wie etwa ein White Board auf Rollen, magnethaftende Gegenstände oder Sitzsack und Hängematte. „Natürlich analysieren wir immer erst, was für eine Kultur in dem jeweiligen Unternehmen herrscht und was die Branche aufrütteln könnte“, sagt Rings, die zusammen mit ihrem Mann ein vierköpfiges Team führt.
6. Projektschmiede
Stadt muss sich also stetig neu erfinden? Wovon braucht sie mehr und wovon braucht sie weniger? Sie muss flexibel, aber auch funktional sein. Angemessener Wohnraum ist essenziell. Es braucht Grünflächen, kulturelle Begegnungsstätten und Naherholungsgebiete. Schaut man auf Düsseldorf, dann war der Stadtstrand „Monkey Island“ so eine Oase in der Stadt. 2006 musste es wegen des Hyatt-Hotels weichen. Noch heute wünschen sich die Düsseldorfer ihren Strand im Medienhafen zurück.
Und da kommt die Projektschmiede ins Spiel. Architekt Jan Hinnerk Meyer und Hagen Lippe-Weißenfeld verstehen sich als Berater und Dienstleister. Ihr erklärtes Ziel: die Stadt verschönern. Hauptberuflich leiten Meyer und Lippe-Weißenfeld ein Architekturbüro mit mehr als 50 Angestellten. Lippe-Weißenfeld war früher kaufmännischer Direktor der Kunstsammlung NRW, kennt sich also im kulturellen Bereich bestens aus. Mit der Projektschmiede möchten beide als Ideengeber fungieren und mit ihren Entwürfen Diskussionen anstoßen – Diskussionen darüber, wie Düsseldorf sich architektonisch weiterentwickeln kann.
Visualisiert hat die Initiative mittlerweile vier Projekte: einen neuen Stadtstrand, eine neue Oper, ein gastronomischer Pavillon am Schwanenspiegel und ein Fotozentrum. Die Vision der Projektschmiede beschreibt Hagen Lippe-Weißenfeld wie folgt: „Gutes im Sinne der Tradition bewahren, Neues im Sinne der Zukunft ermöglichen.“ Da wäre zum Beispiel die Skizze für ein neues Opernhaus im Medienhafen. Die Oper an der Heinrich-Heine-Allee ist in die Jahre gekommen. Ein „Fass ohne Boden“, eine Sanierung würde Millionen kosten und das Gebäude trotzdem nicht retten können.
„Architektur ist immer der Raum, die Hülle, die große Kunst umgibt. Das zeigen doch prominente Beispiele wie das Guggenheim Bilbao, die Elbphilharmonie oder die Kopenhagener Oper. Architektur dient der Kunst zur Nutzung, hat aber seit alters her auch repräsentative, stadtbildprägende Strahlkraft“, sagt Lippe-Weißenfeld. Deshalb auch die Idee für ein Fotozentrum, das, geht es nach der Projektschmiede, gegenüber dem NRW-Forum auf dem Betriebshofgelände des Gartenamts entstehen könnte.
Die Düsseldorfer Fotoschule genießt weltweit einen exzellenten Ruf, doch es fehlt ein Ort, der das verdeutlicht und diese Kunst festhält. Anfang des Jahres luden Meyer und Lippe-Weißenfeld zum Gespräch in den Malkasten ein, um die Stadt daran zu erinnern, dass ein Fotozentrum gut für Düsseldorf ist. Es soll das Erbe der Düsseldorfer Fotokünstler in der Stadt halten, da Sammlungen schon in andere Städte abgewandert sind. „Die Visualisierungen der Projektschmiede sind sehr inspirierend“, erklärte die Leiterin des Stadtplanungsamtes Ruth Orzessek-Kruppa. Aber die Umsetzung liegt ja nicht alleine in Händen der Stadt. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle.
Es geht zunächst um die Vision und darum, das Gespräch darüber aufrechtzuerhalten: „Wir erfassen Bedarfe und erwirken durch unsere Lösungen Verbesserungen für Städte und Kommunen, für Institutionen aus Bildung, Wissenschaft, Kultur und Soziales. Und natürlich für unsere Investoren, denen wir neben einer sehr guten Rendite einen echten Social Impact und damit ein wirklich nachhaltiges Investment ermöglichen“, so die Projektschmiede.
Text: Gesa von der Meyden & Britt Wandhöfer