Biotop für Gründer
In Düsseldorf-Bilk hat die Biotech- und Life-Science-Branche ein Zuhause.
In einem modernen Komplex ganz in der Nähe der Heinrich-Heine-Universität wird geforscht und gegründet.
Bestimmte Substrate docken an Enzyme an und lösen eine Reaktion aus. Wäre die Uni ein Enzym, dann wäre das Düsseldorfer Innovations- und Technologiezentrum (Ditec) vielleicht das dazu passende Substrat. Die meisten der über 30 Start-ups im Ditec sind an die Heinrich-Heine-Universität (HHU) angedockt. Als Ausgründungen der Hochschule, forschen sie zu Themen rund um Biotechnologie und Life Science – und setzen so womöglich eines Tages spannende Ideen um. In dem zweiteiligen Gebäudekomplex in Bilk finden sie dafür auf einer Fläche von insgesamt 21.000 Quadratmetern und in unmittelbarer Nähe zum Campus gute Bedingungen.
Beim Gang über die hellen Flure und vorbei an den modernen Laboren und Büroräumen umweht einen der sprichwörtliche Forschergeist. Es ist still, und es riecht sauber. Ein bisschen nach Krankenhaus: Im sogenannten Life Science Center befinden sich neben Firmen aus der Life-Science-Branche auch einige Labore der Uniklinik. Die Start-ups im Ditec sind auf den Etagen des Innovations- und Gründerzentrums untergebracht. Auch hier: konzentrierte Ruhe, obwohl einige Türen offenstehen. Alle sind voll bei der Sache. „Wer intensiv in der Biotechnologie forscht, benötigt auch spezialisierte Labore, die man in einer typischen Coworking-Umgebung nicht vorfindet“, sagt Dr. Thomas Heck, Geschäftsführer des Ditec. Die meisten der jungen Wissenschaftler forschen an medizinisch-pharmazeutischen Anwendungen („Rote Biotechnologie“) oder an chemischen Verbindungen für industrielle Zwecke („Weiße Biotechnologie“).
Die Firma TunaTech, die ebenfalls im Zentrum Laborräumlichkeiten hat, ist da eher ein Exot: Sie hat sich auf die kontrollierte Zucht des Blauflossenthunfischs spezialisiert. Die vom Aussterben bedrohten Tiere sind in Gefangenschaft stressanfällig und pflanzen sich in der Regel nicht fort. Wissenschaftler der HHU unter Professor Christopher Bridges vom Institut für Stoffwechselphysiologie haben ein Hormonimplantat entwickelt, das den Tieren injiziert wird und das sie in Gefangenschaft zur gezielten Eiablage bringen soll. Große Aquarien, in denen das getestet wird, findet man im Ditec jedoch nicht. Aktuell lässt das TunaTech-Team vor der ägyptischen Küste eine Zuchtanlage bauen, um seine Idee voranzubringen. Mit der Methode könnte sich im besten Fall der wild lebende Bestand in den Meeren wieder erholen und gleichzeitig die hohe Nachfrage nach dem Lebensmittel Thunfisch gedeckt werden. Vielleicht läuft dieses Prinzip irgendwann unter „nachhaltiges Sushi“ – wer weiß. Mehrere Investoren, vor allem aus dem asiatischen und arabischen Raum, haben bereits Interesse an dem Geschäftsmodell gezeigt.
Auch auf den anderen Fluren im Ditec forschen Start-ups an Ideen für die Zukunft. Das Team von Autodisplay Biotech entwickelt derzeit Lösungen, um pflanzliche Abfälle aus der Palmölproduktion nachhaltig umzuwandeln. Eine andere junge Firma, die MukoCell GmbH, hat das erste zugelassene Arzneimittel zur Rekonstruktion der Harnröhre auf den Markt gebracht, das zur Behandlung bei Harnröhrenverengungen eingesetzt wird. Weltweit sind nach Angaben des Unternehmens jährlich etwa 835.000 Männer davon betroffen, davon 93.000 in Europa.
Mithilfe einer stecknadelgroßen Biopsie kann aus patienteneigenen Zellen ein Transplantat gezüchtet werden. Mit der minimal-invasiven Lösung lassen sich OP-Zeiten und Krankenhausbesuche reduzieren. In deutschen Kliniken wird das Verfahren schon angewandt, über 200 Patienten wurden laut MukoCell bereits auf diese Weise behandelt. Durch Investoren sind bisher 10,3 Millionen Euro in die Produktionsentwicklung geflossen.
„Die Suche nach Investoren spielt für Start-ups eine große Rolle – hier kommt es unter anderem darauf an, dass die Chemie zwischen beiden stimmt“, sagt Thomas Heck. Auch Förderprogramme sind im Ditec ein großes Thema – gerade für Branchen wie Biotechnologie und Life Science, in denen intensive Forschung oft mit hohen Kosten verbunden ist. Die Ditec – ein Tochterunternehmen der Stadt Düsseldorf – unterstützt die Gründer dabei. Ein Netzwerk aus Experten berät bei Fragen zu Fördermitteln, bietet Workshops zu Gründungsaspekten an und stellt Kontakte her zu Kooperationspartnern und Branchenkennern. Hierbei hilft die Anbindung an die Startup-Unit der Wirtschaftsförderung Düsseldorf. „Wissenschaftler, die eine Idee auf den Markt bringen möchten, müssen lernen, in die Rolle des Unternehmers zu schlüpfen“, sagt Thomas Heck. Gelegenheit dazu gibt es auch auf Branchenveranstaltungen, zum Beispiel vom Verband BioRiver, hier kommen junge und etablierte Unternehmen miteinander in Kontakt. Diese Anbindung an ein Netzwerk ist im Ditec sozusagen inklusive. Die Büros und Labore können ab 12,50 Euro pro Quadratmeter angemietet werden. Start-ups bekommen nach Angaben von Thomas Heck „gründerfreundliche Tarife“.
Und wozu das alles? „Das Ziel der Stadt und damit auch des Ditec ist es, Wissenschaftler mit klugen Ideen zu fördern und möglichst in Düsseldorf zu halten“, sagt Martin Kretschmer, der für das Innovationsmanagement im Ditec zuständig ist. Anreize zu bleiben, gibt es viele: Die Region Düsseldorf hat sich zu einem starken Markt für die Biotech- und Life-Science-Branche entwickelt. Rund 100 Unternehmen haben hier ihren Sitz, darunter große Namen wie Qiagen, Bayer CropScience, Medtronic oder Henkel und viele weitere Firmen, vom Laborausstatter bis hin zu spezialisierten Dienstleistern. Hinzu kommen die gute Verkehrsanbindung und die kurze Entfernung nach Holland und Belgien. „Auch dort gibt es eine starke Biotech-Szene“, so Kretschmer. Gute Voraussetzungen für junge Wissenschaftler zum Andocken und zum Gründen. •
Ditec-Fakten
Das Düsseldorfer Innovations- und Technologiezentrum (Ditec) in Düsseldorf-Bilk verteilt sich auf zwei Gebäude: das Life Science Center und das Innovations- und Gründer-zentrum. Es bietet auf 21.000 Quadratmetern
• moderne Büros, Konferenzräume und
Labore (auch zu Gründertarifen),
• eine enge Anbindung an die
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,
• Kontakt zu anderen Hochschulen und
Forschungseinrichtungen,
• Coaching-Angebote und Förder-
mittelberatung für Unternehmen
und Gründer sowie
• ein starkes Netzwerk aus Spezialisten der
Biotech- und Life-Science-Branche.
Autorin: Elena Winter
VIVID 03 | 2019
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