Business Beschleuniger

Im Medienhafen richtet sich das japanische Chemieunternehmen Asahi Kasei auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabrik ein. In der Friedrichstadt eröffnet der weltweit agierende indische IT-Dienstleister Infosys ein Innovationszentrum. Zwei Beispiele für gelungene Unternehmens-Ansiedlungen, die vom Amt für Wirtschaftsförderung mitinitiiert und -entwickelt wurden. Aber wie geht eigentlich Wirtschaftsförderung? VIVID hat Amtsleiterin Theresa Winkels und ihr Team gefragt.

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VIVID: Was macht die Wirtschaftsförderung, was sind ihre Aufgaben?  

Theresa Winkels: Grob gesagt: Wir sind Servicepartner für die Wirtschaft – mit dem Ziel, Unternehmen nach Düsseldorf zu holen oder am Standort Düsseldorf zu halten. Somit sind unsere Kunden Firmen aus Düsseldorf, aber auch Newcomer aus dem In- und Ausland. Wir sind Anlaufstelle für etablierte Corporates, Mittelständler und Start-ups und helfen beispielsweise beim Auffinden der richtigen Immobilie, begleiten im Rahmen von Genehmigungsverfahren und unterstützen bei aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten.Ganz wesentlich ist natürlich auch das Vernetzen vor Ort: Neuen Akteuren geben wir Zugang zu wichtigen Business-Netzwerken und Altbekannten ermöglichen wir neue Kontakte. Doch um gleich mit einem Märchen aufzuräumen: Wir haben keinen Fördertopf, aus dem wir Gelder an Unternehmen verteilen. Mit einem Projektbudget von jährlich rund 2,5 Millionen Euro organisieren wir eigene Aktivitäten, teils auch in Kooperation, und schaffen Plattformen, auf denen wir die Stärken und Vorteile von Düsseldorf nach außen transportieren. Auf den großen Immobilienmessen beispielsweise präsentieren wir den Immobilien- und Investitionsstandort Düsseldorf, wir bringen Wirtschaftsakteure zusammen, setzen zukunftsgestaltende Impulse und sorgen so für Dynamik. Wir initiieren Neues und schaffen einen Kontext, damit vor Ort bei uns in Düsseldorf erfolgreich gewirtschaftet wird.

Was sind die Stärken der Wirtschaftsförderung?

Theresa Winkels: Zweierlei: zum einen der umfassende und maßgeschneiderte Service für die Wirtschaftsakteure. Da die meisten in unserem rund 35-köpfigen Team aus der Privatwirtschaft kommen, wissen wir, was Unternehmen für ihr Business brauchen, wie Geschäftsmodelle, internationale Talentakquise und Digitalisierung funktionieren. Zum anderen sind wir als Teil der städtischen Verwaltung in der Lage, innerhalb dieser Struktur vermittelnd und koordinierend die Anforderungen von Unternehmen zu übersetzen und Lösungen zu erarbeiten. Wir vereinen also den internen Verwaltungsbezug und unternehmerisches Denken. In Düsseldorf greifen alle Räder perfekt ineinander – eine für Unternehmen hochattraktive Konstellation. Nicht zuletzt deshalb – und wegen unseres erfolgreichen Standortmarketings – ist der Wirtschaftsstandort Düsseldorf bei FDI (foreign direct investments) im Tech-Bereich laut Attraktivitätsindex der Financial Times als Nummer 1 in Deutschland und Nummer 10 weltweit gelistet und damit vor Berlin, Frankfurt oder München gerankt.

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Was funktioniert besser dank Wirtschaftsförderung?

Theresa Winkels: Durch unsere Services können Unternehmen hier schneller, reibungsloser und effizienter ihr Geschäft aufbauen und weiterentwickeln. Dank der Vernetzung von kreativen Start-ups, starken Unternehmen und den ansässigen Hochschulen ist Düsseldorf der Standort, wo Innovationen schneller realisiert, Ideen schneller zur Marktreife vorangetrieben werden können. Unsere Aufgabe ist es dabei nicht, den einzelnen zu fördern, sondern an einem Ort Impulse zu geben und anders zu sein als unsere Konkurrenten in Frankfurt, München, Hamburg, Berlin. Wir wollen speziell, individuell und erfolgreich sein.

Anders sein als andere, wie geht das?

Annette Klerks: Wir kümmern uns ja beispielsweise um die Ansiedlung internationaler Firmen und betreuen diejenigen, die hier sind. Das bedeutet für uns immer auch, Einsatz nach außen und innen (in die Stadtverwaltung). So agieren wir nicht nur als Servicepartner, sondern sichern darüber hinaus die Rahmenbedingungen, damit internationale Firmen hier optimal starten und arbeiten können. Eine der großen strategischen Entscheidungen und Erfolgsgeschichten der Wirtschaftsförderung ist die China-Initiative, die 2004/2005 in der Gründung des China-Kompetenzzentrums gipfelte. In Partnerschaft mit IHK und Messe sind wir bei der Anwerbung und Firmenbetreuung so erfolgreich, dass wir inzwischen rund 600 chinesische Unternehmen im Stadt-gebiet haben. Dabei haben wir stets gezielt Impulse gesetzt, um parallel die chinesische Infrastruktur voranzutreiben.

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Was bedeutet das?

Annette Klerks: Ein Beispiel ist die Eröffnung des chinesischen Generalkonsulats 2014. Wir sind damals nach Berlin geflogen und haben den Botschafter von Düsseldorf als Standort überzeugt, dabei hat es durchaus andere Alternativstandorte und Konkurrenzangebote gegeben. Oder nehmen wir die chinesischen Bildungsinstitutionen – Ergänzungsschule und Kindergarten. Das sind Wohlfühl-Elemente, die Geschäftsführer, deren Familien und Mitarbeiter bewegen, nicht so leicht den Standort zu wechseln, nur weil es woanders womöglich günstiger ist.  Daniel Adler: Stichwort Standorttreue: Düsseldorf ist für hier bereits verortete Unternehmen, für solche, die sich erweitern wollen, sowie für neue internationale Unternehmen ein prosperierender Digital-Standort mit zahlreichen Innovationspartnern und einem lebendigen Start-up-Ökosystem. Wer einmal hier ist, weiß diese Kombination zu schätzen.  

Theresa Winkels: In dem Zusammenhang ist es unsere zentrale Aufgabe, die aktuellen Herausforderungen der Wirtschaft zu kennen und unsere Handlungsfelder permanent anzupassen. Nach dem erfolgreichen Start der Start-up-Initiative vor fünf Jahren haben wir derzeit verstärkt digitale Talente und Experten im Blick. Da diese für jedes Unternehmen von großer Bedeutung sind, müssen wir als Wirtschaftsförderer strategisch dafür sorgen, diesen Standort auch langfristig mit kompetenten digitalen Talenten zu versorgen. Dafür müssen wir für diese Zielgruppe gemeinsam mit den Firmen attraktiv und sichtbar sein. Eine andere akute Herausforderung ist es, Raum und Flächen, die ein immer knapper werdendes Gut sind, am Standort zum Wirtschaften und Arbeiten zu schaffen.

In welchen Ländern wollen Sie in Zukunft Ihr Netzwerk ausbauen? 

Annette Klerks: Asien bleibt ein Düsseldorf-spezifischer Schwerpunkt. Unsere Stärke – die japanische und chinesische Expertise – ist sehr erfolgreich und wird um die Märkte Korea und Indien erweitert. In den letzten Monaten haben wir aber auch vermehrt Nahmärkte in West- und Osteuropa adressiert. Dort entfalten sich gerade interessante Startup-Hotspots mit großem Potenzial, für die sich Düsseldorf als Wachstums- und Vertriebsstandort anbietet. Zukünftig wichtiger sind auch Netzwerke und Partner für das Thema internationale Fachkräfte. So haben wir mit dem Expat Service Desk ME&DUS, regionalem Kooperationsprojekt mit der IHK und dem Kreis Mettmann, ein wichtiges Tool im Wettbewerb um internationale Talente.


In Düsseldorf treffen Innovationskraft und Start-up-Spirit mit Markt-erfahrung, Kapital und Kunden etablierter Unternehmen zusammen. Sind das überzeugende Argumente für internationale Start-ups sich hier anzusiedeln? 

Daniel Adler: Früher wurde in Branchen-Clustern gedacht, heute denken wir in Querschnittsthemen wie Technologien und Digitalisierung. Mit der Start-up-Initiative haben wir inzwischen ein breites Angebot, um Gründerinnen und Gründer zu unterstützen. Aus dem internationalen Raum überzeugen wir Scale-ups (wachstumsstarke Unternehmen) mit der Stärke als B2B-Standort: Jedes Unternehmen mit einem B2B-Geschäftsäftsmodell hat in der Region mit ihren 500.000 Firmen ein unheimliches Absatzpotenzial. Und wir agieren mit dem von uns initiierten Digital Innovation Hub Düsseldorf/Rheinland als Matchmaker für Mittelstand, Start-ups, Hochschulen und Konzerne zur Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle, Produkte und Lösungen. 

Wie sieht die Erfolgsbilanz der vergangenen Jahre aus?

Daniel Adler: 2015 waren uns 125 Start-ups bekannt. Mittlerweile sind es etwas mehr als 350 – ein enormer Zuwachs verbunden mit einem stark gewachsenen Ökosystem. Viele innovative Firmen wie Trivago, ERGO, Uniper und Metro kooperieren mittlerweile mit Start-ups. Wir stellen Matchings her, bringen sie in Kontakt mit Investoren und etablierten Unternehmen, damit sie gemeinsam neue Prozesse entwickeln können und zukunftsfähig bleiben. Andreas Eberhöfer: Ein weiterer wichtiger Faktor für diese positive Entwicklung: In Düsseldorf gibt es ein umfassendes und hoch differenziertes Angebot an Gewerbeimmobilien in einer breiten Preis-Range. Und auch auf die Anforderungen der Start-ups und Unternehmen nach flexibleren Arbeitsformen hat der Markt reagiert: Rund 80.000 Quadratmeter des gesamten Bürobestandes sind heute Business-Center und Coworking-Spaces. In 2020 wird WeWork, einer der ersten großen internationalen Coworking-Anbieter, in den Herzogterrassen seinen ersten Düsseldorfer Standort, der gleichzeitig der bisher größte in Deutschland ist, mit 22.000 Quadratmeter Fläche eröffnen. Annette Klerks: Darüber hinaus kann Düsseldorf mit einem Riesenvorteil im Gegensatz zu Berlin auftrumpfen: Egal ob Start-ups oder Global Player – der traditionell breite Branchenmix der hiesigen Wirtschaft bietet alle unternehmensrelevanten Dienstleistungen, schafft Synergieeffekte, weist eine hohe Stabilität auf und grenzt uns langfristig von anderen Standorten ab. 

Was macht die Wirtschaftsförderung Düsseldorf zu einem Erfolgsmodell? Können Sie Beispiele nennen?

Theresa Winkels: Im vergangenen Jahr war das die Ansiedelung des EUREF Innovations-Campus. Ab 2023 werden sich 3.000 Menschen in unmittelbarer Nähe des Flughafens damit beschäftigen, einen praktischen Beitrag zur Energie- und Mobilitätswende in Deutschland, Europa und der Welt zu liefern. Das ist ein enormer Wirtschaftsfaktor für Düsseldorf, wie wir heute schon merken. An diesem Beispiel wird auch deutlich, welche Aufgaben wir als Wirtschaftsförderung haben: Wir haben die Flächensuche begleitet, die notwendigen Genehmigungsverfahren koordiniert, wir haben den Betreiber in das Düsseldorfer Netzwerk integriert, begleiten den Ankermieter Schneider Electric und sind bereits mit örtlichen Partnern und EUREF gemeinsam international unterwegs gewesen, um für Düsseldorf zu werben und Aktivitäten an unseren Wirtschaftsstandort zu holen. Annette Klerks: Das Erfolgsmodell lässt sich auch anschaulich im Fall unserer britischen Aktivitäten darstellen. UK und vor allem London ist einer der Tech-Hotspots in Europa, weltweit die Nummer zwei nach USA und noch vor Israel. Für uns ist es, vor dem Brexit-Hintergrund, strategisch langfristig relevant, dort gezielt Scale-ups anzusprechen, die auf dem europäischen Festland expandieren wollen. Also müssen wir bei unseren Auftritten in London klar transportieren: Der Markt für Start-ups und Tech-Unternehmen ist nicht nur in Berlin. Zu diesem Zweck treten wir mit erfolgreichen Startups aus unserer Region wie Cognigy oder Boxine (Toniebox) als Testimonials auf und werben so mit deren Erfolgsgeschichte. So ist es uns gelungen, die deutsche Niederlassung des Londoner FinTech-Unternehmens Ebury in Golzheim oder nach Gesprächen in London den indischen IT-Konzern Infosys im neuen Bürogebäude „Fürst und Friedrich“ anzusiedeln. Andreas Eberhöfer: Wenn nach der Akquise eine Delegation zu uns kommt, dann geht es um Quadratmeter, um Wirtschaftsräume. Da Düsseldorf ein sehr erfolgreicher Standort ist – in den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Arbeitsplätze um 30.000 angestiegen – und ebenso die Bevölkerung wächst, werden die verfügbaren Flächen knapper. Bisher ist es uns jedoch immer gelungen, dank Flächenvorsorge und Aktivierung von Brachflächen, Lösungen auch für schwierigste Fälle zu finden und Wünsche von 50 bis 10.000 Quadratmeter Fläche zu erfüllen. 

Daniel Adler: Mit der Start-up-Initiative ist es uns gelungen, viele Partner zu gewinnen, auch aus dem kreativen Bereich. Die in 2016 erstmals durchgeführte Start-up-Woche hat sich zu einem der bedeutendsten Events in der deutschen Start-up-Szene entwickelt. Die Wirtschaftsförderung hat damit in Düsseldorf eine Plattform etabliert, auf der in einer Woche auf über 100 dezentralen Veranstaltungen Start-ups, Corporates, Investoren, Hochschulen und Netzwerker zum Austausch zusammenkommen können. Dafür sind wir im November gerade mit dem Award für Innovative Wirtschaftsförderung ausgezeichnet worden. •




Die Wirtschaftsförderung 


• wirbt für den Wirtschaftsstandort Düsseldorf und die Region.

• siedelt Unternehmen aus dem In- und Ausland an.

• unterstützt Unternehmen am Standort.

• fördert wirtschaftliche Kooperationen und Innovationen.

• stärkt Schwerpunktbranchen und Querschnittsthemen.






Ansprechpartner 

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Theresa Winkels
Die 36-jährige Medienwirtin ist neue Leiterin im Wirtschaftsförderungsamt und verantwortet das Standortmarketing.


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Daniel Adler
In den Bereich des Wirtschaftsgeographen fallen Innovation und Start-up-Support sowie der Unternehmensservice.


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Annette Klerks
Die internationale Vertriebsspezialistin leitet seit zehn Jahren den Bereich International Business Service. Sie verantwortet die Ansiedlung und Bestandspflege internationaler Unternehmen und betreut die internationalen Communities und Netzwerke.



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Andreas Eberhöfer
Der Raumplaner ist ausgewiesener Immobilienexperte und zuständig für das Aufgabengebiet Flächenvorsorge und Immobilienservice.





Autorin: Dagmar Haas-Pilwat

Fotos: Melanie Zanin


VIVID 01 | 2020

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