Die Marke als Community

 Was treibt eine Frau, die 17 Jahre lang Karriere bei der Deutschen Telekom macht, 
der die Türen für die nächsthöhere Position offen stehen, an, zu kündigen und zur 
Konkurrenz aus China zu wechseln? Wir haben Eva Wimmers getroffen, die seit drei Jahren das Europageschäft für Honor, die junge Marke von Huawei, aufbaut. 

Name: Eva Wimmers Job: President Europe Huawei HONOR / VP HONOR Global Wohnsitz: Bonn/Düsseldorf

Name: Eva Wimmers
Job: President Europe Huawei HONOR / VP HONOR Global
Wohnsitz: Bonn/Düsseldorf

Als Eva Wimmers 2016 Europachefin der Hua­wei-Tochter Honor wurde, da lautete der Claim der chinesischen Smartphone-Marke #forthebrave. Und eigentlich passte er recht gut zu der damaligen Phase in Wimmers’ Leben. Denn den Schritt, eine 17-jährige Karriere bei der Deutschen Telekom gegen einen Job bei einem chinesischen Telekommunikationsunternehmen einzutauschen, als erste Topmanagerin mit nicht chinesischem Hintergrund, kann man durchaus als mutig bezeichnen. 

Damals habe sie niemand verstanden, erzählt sie bei einem Kaffee in einer kleinen Galerie in der Florastraße in Unterbilk. Obwohl der Schritt durchaus nachvollziehbar ist. Eingestiegen im Marketing arbeitet sich Eva Wimmers schnell nach oben. „Ich habe danach relativ schnell Produktaufgaben bekommen, war dann für die Eigenmarken der Telekom verantwortlich“, erzählt sie. Und nicht nur das: Sie führt bei T-Mobile den Einkauf, kauft Inhalte, Service­plattformen, Zubehör ein, führt die Verhandlungen mit den damals großen Herstellern Nokia, HTC, Huawei. „Bei den Eigenmarken habe ich entschieden, wie die Produkte aussehen, welche Features in welcher Preisklasse verfügbar sein sollen. Diese Produkte haben wir dann mit den Herstellern zusammen entwickelt, weit bevor die später mit eigenen Marken auf den Markt gekommen sind“, sagt sie. 

Dann der Wechsel zur Konzernmutter Telekom. Dort übernimmt sie die Mammutaufgabe, weltweit den gesamten Einkauf zusammenzufassen. „Die 2.500 Mitarbeiter waren über 50 Länder verteilt, ich habe daraus ein Team geformt“, sagt Wimmers. Das Ziel: „Ein Team, eine Kultur, ein einziger Einkaufsprozess, eine Finanzlogik.“ Ein riesiges Transformationsprojekt. Das sie meistert. „Ich habe meinen Job wirklich sehr gerne gemacht, hatte ein Mega-Team, 30 Milliarden Euro Verantwortung, saß in fast allen wichtigen Gremien des Unternehmens“, erzählt sie. Doch gleichzeitig spürt sie den Drang nach Veränderung. ◊Ich kam irgendwann nach Hause nach einer Woche mit unzähligen Meetings und Gremienrunden und überlegte, wann ich zuletzt mit einem Kunden gesprochen, ein Produkt entwickelt hatte. Also die Dinge gemacht hatte, die mir in meiner Karriere am meisten Spaß bereitet hatten.“

Dinge, die früher im Marketing galten, finden Digital Natives blöd.
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Sie beschließt, das Unternehmen zu verlassen – und weil sie eine Konkurrenzklausel in ihrem Arbeitsvertrag hat, ohne einen neuen Job zu haben. Das Ziel: etwas anderes machen, raus aus der Komfortzone, rein in etwas komplett Neues.  Als feststand, dass ich gehe, habe ich mit vielen Menschen in meinem Netzwerk gesprochen – auch mit dem damaligen Huawei-Chef Eric Xu, mit dem ich bei der Telekom mehr als zehn Jahre gut zusammengearbeitet hatte.“ 

Wenig später übernimmt sie ein 30-köpfiges Team, das für den gesamten europäischen Markt zuständig ist. Die Marke Honor gab es damals gerade einmal seit sechs Monaten in China, der Europastart stand bevor. Wimmers startet quasi von null. Und setzt darauf, Honor konsequent als Onlinemarke zu positionieren, eine „Brand für die Digital Natives“. 

„Wir haben von Anfang an darauf gesetzt, eine Community in den sozialen Netzwerken aufzubauen und gezielt die Millennials in ihrem Element anzusprechen. Dinge, die früher im Marketing galten, finden Digital Natives blöd. Zum Beispiel: Zeige nie dein Gesicht oder trete mit eigenem Namen im Netz auf – in den Honor-Gruppen haben wir explizite Communitymanager vom Honor-Team und ich tauche da natürlich auch mit meinem Namen auf und diskutiere mit.“ Das bedeutet auch: kaum klassische Werbeformen, kein Retargeting auf Lebenszeit, keine Bannerschlachten, keine Mainstream-Messages in den Foren, keine reingewaschene Kommunikation und ein respektvoller Umgang mit den Daten der Kunden. Dafür eine andere Ansprache, interaktive Werbeformate und eben auch eine andere Ansprechbarkeit. „Es muss auch mal hart diskutiert werden können, nur dann bist du auch als Marke in dieser Zielgruppe glaubwürdig“, so Wimmers. Mittlerweile gibt es in allen größeren Ländern eigene Foren, viele Fanforen und Facebook-Gruppen, Instagram, Twitter, Youtube. Viele der Kanäle betreibt Honor selbst, andere werden von der Community gepflegt. Man gibt sich gegenseitig Tipps, feiert Features, hilft einander bei Problemen. „Ich habe im Durchschnitt 1,5 Personen pro Land für den Kundenservice“, sagt Wimmers, den Rest erledige die Community. 

Mittlerweile hat sich Honor als viertgrößter Smartphone-Anbieter in Europa entwickelt. Allein im vergangenen Jahr ist Huawei mit Honor laut Zahlen des Marktforschungsunternehmens Canalys um sagenhafte 55,7 Prozent gewachsen. Im vierten Quartal wurden insgesamt 13,3 Millionen Geräte verkauft, ein Marktanteil von rund 24 Prozent. Und das obwohl die chinesische Mutter Ende vergangenen Jahres vor allem wegen politischer Verflechtungen in der Kritik stand. Dazu möchte sich Wimmers nicht äußern. Sie ist der Meinung, dass das Erfolgsrezept ohnehin ein anderes ist. „Wir verstehen unsere Zielgruppe, produzieren die Produkte, die sie braucht, und sprechen ihre Sprache.“ Und weiter: „Unsere Kunden wollen Produkte, die wirklich etwas bringen – beste Qualität, Topkameras, Topdisplays, schnelle Prozessoren“, beschreibt sie ihre Herangehensweise. Auch aus diesem Grund haben neue Honor-Geräte immer Features, die es zu diesen Preisen bisher nicht gab. Das Huawei View 20, das im Januar auch für den europäischen Markt vorgestellt wurde, verfügt über zwei Kameras mit 48 Megapixeln und die Frontkamera steckt direkt im Display. Die neuesten Uhren sind bis 50 Meter wasserdicht und erkennen nicht nur Schlafrhythmen, sondern auch jedwede Schwimmstile. 

Wir müssen an unserer Attitüde arbeiten.

Und was ist das nächste große Ding? Was kommt nach dem Smartphone? Das werde sie oft gefragt, sagt sie. Und einerseits wäre es sicherlich seltsam, dass ausgerechnet die Chefin eines großen Telekommunikationsunternehmens den Abgesang auf ihr wichtigstes Gerät singen würde. Andererseits argumentiert sie schlüssig:  „Die großen Trends Virtual und Augmented Reality, aber vor allem auch künstliche Intelligenz werden dafür sorgen, dass die Geräte noch innovativer werden und es noch einfacher wird, Alltagsgewohnheiten mit dem Smartphone zu verknüpfen. Zum Beispiel das Fotografieren wie ein Profi, das Erstellen und Bearbeiten von 3D-Content, Sprachsteuerung, Einchecken am Flughafen, Bezahlen usw.“

Und wie sieht sie Deutschlands Rolle als Innovationstreiber in der Welt? „Die nächsten fünf Jahre werden entscheidend sein, welche Rolle wir international spielen werden“, sagt sie. Der Fachkräftemangel sei schon heute spürbar. Wenn wir alle zusammen dran arbeiten, muss das doch möglich sein. Wir müssen an unserer Attitüde arbeiten. Sonst geraten wir ins Hintertreffen.“ 

Wimmers selbst ist jemand, der stark von der vernetzten Welt profitiert hat. Aufgewachsen im Saarland, der Besuch einer französischen Schule. Das Studium später in den USA und der Schweiz. Und jetzt die Arbeit als erste nicht chinesische Top-managerin bei Huawei. ◊Ich schätze die Arbeit mit meinen chinesischen Kollegen und Freunden sehr und bin begeistert von der Schnelligkeit, Agilität und Innovationskraft des Unternehmens. Und ich schätze die deutsche Strukturiertheit – die Kombination aus beidem ist ideal.“

Seit Februar 2019 heißt der Claim von Honor übrigens nicht mehr #forthebrave, sondern  „Honor my World“ und fordert damit junge Menschen auf der Welt auf, jeden Moment ihres Lebens zu genießen. Eva Wimmers macht den Eindruck, ihr Leben trotz all der Reiserei derzeit sehr zu genießen. •

www.hihonor.com

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Honor in Zahlen

Mitarbeiterzahl: 180.000 weltweit

Unternehmenssitz von Honor Europe:
Düsseldorf

Durchschnittsalter von Honor Europe:
26 Jahre


Autor: Franziska Bluhm