Biotechnologie: Was ist das überhaupt?
Man liest fast täglich etwas darüber: „Revolution in der Biotechnologie.“ „Forscher haben eine sensationelle Entdeckung gemacht.“ Was Biotechnologie aber genau kann, im Alltag und für jedes Individuum leistet, ist den Wenigsten bekannt. „Biotechnologie ist eine zentrale Schlüsseltechnologie zur Lösung der mit den Mega-trends Klimawandel, alternde Gesellschaften und Bioökonomie einhergehenden Problemen und Aufgaben“, sagt Dr. Nils Schrader, Kommisarischer Leiter der Geschäftsstelle BIO.NRW. Nach der Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist Biotechnologie die Anwendung von Wissenschaft und Technik auf lebende Organismen, Teile von ihnen, ihre Produkte oder Modelle von ihnen. Die Technologie wird zur Herstellung von Gütern und zur Bereitstellung von Dienstleistungen eingesetzt. Bereits 6.000 v. Chr. lassen sich erste Anwendungen mit lebenden Mikrogranismen finden, nur ahnten die Menschen nicht, was sie da taten. In Mesopotamien wurde damals ein alkoholhaltiges, bierähnliches Getränk mit gekeimter Gerste gebraut. Auch bei der Herstellung von Käse, Bier und Wein war schon immer Biotechnologie am Werk.
Die moderne Biotechnologie benutzt zelluläre Bestandteile (zum Beispiel Enzyme) und lebende Organismen (zum Beispiel Bakterien). In der Medizin werden unzählige neue Produkte und Verfahren entwickelt, um das Leben der Menschen zu erleichtern und zu verbessern. Die moderne Arzneimittelforschung wäre ohne Biotech heute undenkbar. UriCell (siehe Seite 26-27) aus Düsseldorf isoliert beispielsweise Nierenzellen mit Stammzelleninformationen aus Urin. Das hat den Vorteil, dass für Forschung und Entwicklung neuer Medikamente keine Nierenbiopsie mehr durchgeführt werden muss, um das benötigte Stammzellenmaterial zu gewinnen. Das Unternehmen Qiagen aus NRW hat beispielsweise weltweit den sichersten Test zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs entwickelt, ohne moderne Biotechnologie undenkbar. Nanoroboter in der Blutbahn und Gewebe aus dem 3D-Drucker sind keine Sience-Fiction-Utopien mehr, sondern werden in Laboren weltweit erforscht.
Auch im alltäglichen Leben findet sich Biotechnologie in unzähligen Produkten. Warum wird die Wäsche heute auch schon bei 30 Grad sauber, wo früher nur eine Kochwäsche geholfen hat? In fast allen Waschmitteln sind Enzyme erhalten, die mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden und dafür sorgen, dass die Wäsche auch bei geringeren Temperaturen sauber wird. Bei der Herstellung von Lebensmitteln spielen Enzyme eine essenzielle Rolle. Sie sorgen dafür, dass aus Fleischstückchen Kochschinken wird, dass Mayonnaise ziemlich lange hält und Nudeln nicht verkleben. Durch Verfahren der modernen Biotechnologie ergeben sich branchenübergreifende ökonomische und ökologische Vorteile. Automobil-, Bau-, Papier-, Kosmetik- und Texilindustrie sind nur einige Beispiele. „Gerade der Standort NRW ist im Bereich Biotechnologie sehr stark, das liegt an den hervorragenden Universitäten und einer starken Gründerkultur der Heinrich-Heine-Allee. Außerdem gibt es in der Region eine gute Versorgung mit qualifizierten Arbeitskräften, das Rheinland ist eine hervorragend vernetzte Region. Das macht sie wiederum für ausländische Unternehmen, insbesondere aus Asien, sehr attraktiv“, erklärt Dr. Nils Schrader. BIO.NRW ist übrigens das einzige deutsche Life-Sience-Cluster, das sich erfolgreich auf ein Programm zur Internationalisierung von Spitzenclustern mit China als Partnerland beworben hat. NRW belegt bei den biotechnologischen Patentanmeldungen im europaweiten Vergleich den ersten Platz. •
500 in NRW
Rund 500 Life-Science-
Firmen, davon über 100
mit ausgewiesenem Schwerpunkt
in Biotechnologie, haben ihren Sitz in NRW.
2,1 Mrd. €
Die Biotechnologie-Firmen in Nordrhein-Westfalen erwirtschafteten in 2017 mit 5.570 Mitarbeitern knapp 2,1 Mrd. Euro,
was über 51,6 Prozent des deutschlandweiten Gesamtumsatzes in diesem Segment entspricht.
23 Technologiezentren
23 der über 60 Technologiezentren in NRW sind speziell auf Biotech-Firmen ausgerichtet.
45 Forschungseinrichtungen
Mit insgesamt 45 Hochschulen, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Bereich Biotechnologie verfügt
Nordrhein-Westfalen über ein hervorragendes Hochschul- und Forschungsnetz.
Autorin: Britt Wandhöfer
VIVID 03 | 2019
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