Johanna Tjaden: Ich stehe für diesen Change
Johanna Tjaden ist seit sieben Jahren Managing Director und Mitglied der Geschäftsleitung der Commerzbank AG. Die heute 37-Jährige verantwortet das Geschäft mit den Unternehmerkunden in Nordrhein-Westfalen. Mit VIVID hat sie über die Transformation im Bankenwesen, Frauen in der Finanzindustrie und die Vorteile von Kooperation und Kollaboration zwischen Unternehmen und Start-ups gesprochen.
Name: Johanna Tjaden
Job: Managing Direktor
Firma: Commerzbank AG Nordrhein-Westfalen Königsallee 37, 40212 Düsseldorf
Eine Banklehre galt lange Zeit als ein solider Einstieg in die Arbeitswelt. So dachte auch Johanna Tjaden, als sie 1998 bei der Commerzbank in Berlin ihre Ausbildung begann. Allerdings wusste sie schon früh, dass sie mehr wollte. Als sie der Personalabteilung ihres Arbeitgebers damals erzählte, dass sie gerne ins Ausland möchte, staunte diese erstmal. „Ich wollte immer schon ein bisschen mehr sehen, als das sonst so üblich war“, erzählt Tjaden uns in der Filiale auf der Königsallee. Parallel zum Beruf holte sie ihr Abitur nach, studierte Management und Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Banking in Frankfurt und schloss mit Diplom ab. Danach bekleidete sie unterschiedliche Funktionen für die Bank im In- und Ausland und weiß, dass der Finanzsektor durch die Digitalisierung vor einem der größten Veränderungsprozesse in der fast 150-jährigen Geschichte steht.
„Seit 2016 ist unsere Strategie klar, die Commerzbank wandelt sich zu einem Technologieunternehmen.“
„Alle Unternehmen müssen sich grundlegend verändern, das hat gar nicht speziell mit uns zu tun. Die ganze Gesellschaft verändert sich, und unsere Bank bedient die gesamte Bandbreite der Gesellschaft, wir sind kein Nischenprodukt. Seit 2016 ist unsere Strategie klar, die Commerzbank wandelt sich zu einem Technologieunternehmen. Damit sind wir einer der Vorreiter in der Finanzbranche“, erläutert Johanna Tjaden. Ein Technologieunternehmen wird man nur, wenn aktiv in die Prozesse, in die IT eingriffen wird. So hat die Commerzbank 74 Kooperationen mit FinTech-Unternehmen, um die Transformation technisch umzusetzen und zu modernisieren. Denn Daten sind das sensibelste Thema der Bank. Seit 2016 werden jährlich 700 Mio. Euro in Digitalisierung und Technik investiert. Neben der technischen Komponente ist die Veränderung der Unternehmenskultur ein weiterer wichtiger Punkt im Change Prozess des Unternehmens. „Es ist eine Herausforderung, allen Mitarbeitern gleichzeitig ein digitales Arbeitsumfeld zu eröffnen. Wir sagen, kein Problem, wir gehen die Schritte gemeinsam, aber wir gehen sie.“ Dass das bei insgesamt 49.000 Mitarbeitern eine recht anspruchsvolle Aufgabe ist, kann man sich vorstellen. Tjaden steht für diesen Change, „Ich habe mit zunehmender Verantwortung festgestellt, welche Signalwirkung mein Handeln in diesem Thema hat. Wir investieren viel in den sogenannten Cultural Change, wir holen die Mitarbeiter ab, machen sie fit für die Veränderung und geben ihnen mehr Verantwortung.“
Trotz aller Transformation gibt es mittlerweile Unternehmen wie das FinTech N26, die sich auf die Kontoführung mit dem Smartphone spezialisiert haben. Amazon finanziert seine Händler, früher eine Aufgabe, die eine klassische Bank übernommen hat. Für Johanna Tjaden sind solche Entwicklungen aber auch eine Chance, „wenn außerhalb der klassischen Finanzdienstleistung Finanzdienstleistungen angeboten werden, dann stellen wir uns natürlich die Frage: Wo sehen wir uns als Bank, und müssen wir eigentlich nur Bankdienstleistungen anbieten? Wir müssen ganz neu denken, groß und mutig, das ist die Zukunft.“
Klassische Banken verfügen über einen weiteren Vorteil, „unsere Kundschaft hat ein Grundvertrauen. Sie vertraut uns eher als zum Beispiel Google, wenn es um Datensicherheit geht. Aus persönlichen Gesprächen mit unseren Unternehmerkunden weiß ich, dass ihnen der Beratungsaspekt sehr wichtig ist, und der ist gerade bei geschäftlichen Dingen unabdingbar.“ „Persönlich und digital“ ist ihre Unique-Selling-Proposition, so die Commerzbank. Physische Treffen und Meetings sind bei der 37-jährigen Managerin trotz digitaler Transformation mehr als wichtig. Sie betreut die sogenannten Small Caps des Mittelstandes bis zu einem Umsatz von 15 Millionen Euro. Auch wenn der Frauenanteil in Führungspositionen bei der Commerzbank mit 30% weit über dem Durchschnitt liegt, ist das Gender-Thema nach wie vor sehr stark.
„Ich bin eine Exotin, bin 20 Jahre jünger als die meisten in meiner Position und eine der wenigen Frauen. Deshalb begegnet mir das Thema immer wieder. Ich bin meinen Weg gegangen, wollte mein Ding machen und habe nie darüber nachgedacht, ob ich jetzt benachteiligt oder bevorteilt bin.“ Als Johanna Tjaden ihre Karriere begann, war Diversität nahezu nicht existent. Trotzdem wurde es in den letzten Jahren für sie zu einem Thema, „mir wurde dadurch, dass ich viele Führungskräfte einstelle, bewusst, wie stark gerade Frauen für solche Karrieren kämpfen müssen.“
Genau deshalb wird sie oft als Speakerin zu Themen wie „Frauen in der Finanzindustrie“ angefragt. Neben dem Halten von Vorträgen mit anderen Schwerpunkten aus der Finanzbranche ist Johanna Tjaden auch sonst sehr umtriebig. So lädt sie jede Woche Unternehmerinnen und Unternehmer aus NRW zu einem Roundtable ein und bietet zusätzlich mit einer Eventreihe mit dem Namen „WHAT`S UP 2B“ Unternehmerkunden und Start-ups die Möglichkeit, sich kennenzulernen, aktiv auszutauschen und vielleicht sogar eine geschäftliche Kooperation einzugehen.
„Ich wollte immer schon ein bisschen mehr sehen,
als das sonst so üblich war.“
Unter der Woche lebt Johanna Tjaden in Düsseldorf und ist in ganz NRW und Frankfurt unterwegs. Ihre Wochenenden verbringt sie in Hamburg, dort lebt sie mit ihrem Ehemann. Wenn es mal so richtig stressig wird, stellt sie sich in den Hamburger Hafenwind und atmet tief durch, „danach bin ich tiefenentspannt“, so Tjaden. „Ich reise mit meinem Mann gerne durch asiatische Länder, da gibt es unglaublich viel zu entdecken. Ich komme mit so viel Inspiration wieder. In diesen Ländern leben Menschen unter Bedingungen, die totale Kreativität erfordern, und das inspiriert mich ungemein. Das erdet, zu sehen, wie viel Produktivität entsteht, wenn man wenig hat.“Unbändige Dynamik, Zielstrebigkeit und Neugier, wahrscheinlich ist es dieses individuelle Gesamtpaket, das Johanna Tjaden auch beruflich dorthin geführt hat, wo sie heute ist. •
Commerzbank Daten und Fakten
Gründung: 1870 als „Commerz- und Disconto-Bank in Hamburg“.
Gründer: Kaufleute, Merchant Banker
und Privatbankiers.
Zentrale: Frankfurt am Main
Kunden: Mehr als 18 Mio. Privat- und Unternehmerkunden, 70.000 Firmenkunden sowie multinationale Konzerne weltweit.
Mitarbeiter: 49.000
Filialen: 1.000
Unternehmerkundenstandorte: 330
Johanna Tjaden war auch beim Magazinlaunch im Juli 2019 zu Gast bei VIVID Live.
Autorin: Britt Wandhöfer
Fotos: Franz Schuier
VIVID 03 | 2019
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