Kunst trifft Fabian Kienbaum
“Unser Vermögen sind die Menschen”
Fabian Kienbaum führt in der dritten Generation die Geschäfte der Personal- und Managementberatung Kienbaum. Mit Herausgeber Rainer Kunst spricht er darüber, wie die acht Enkel des Unternehmensgründers gemeinsam Entscheidungen für die Firma treffen und warum er als Chief Empowerment Officer eine neue Unternehmenskultur geschaffen
Name: Fabian Kienbaum
Job: Geschäftsführer von Kienbaum
Alter: 35
Name: Rainer Kunst
Job: Herausgeber von VIVID
Alter: 52
Kunst: Wir sind ja heute mit dem Fahrrad unterwegs, Du hast aber auch eine Historie als Handballspieler – sogar in der Bundesliga. Wäre das für Dich eine ernsthafte Berufsperspektive gewesen?
Kienbaum: Wenn ich es geschafft hätte: ja. In Gummersbach wird man mit dem Handball groß – ob man will oder nicht. Ich bin dort aus der Jugendmannschaft aufgestiegen. Ich hatte einen großartigen Trainer, der mich sehr gefördert hat. Ich wäre wahrscheinlich niemals erster Stammspieler geworden, aber ich hätte dazugehört.
Sind Sportler die besseren Unternehmer?
Viele gute Sportler sind auch gute Unternehmer. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber der Sport gibt einem sehr viel mit: Willensstärke, Ehrgeiz, Disziplin. Man lernt, mit aller Kraft für etwas zu kämpfen und dafür einzustehen. Im Mannschaftssport – insbesondere, wenn man eine führende Rolle hat – lernt man außerdem, Motivation in ein Team zu tragen. Man kann vom Sport viel mitnehmen, und das macht den Sport zu etwas sehr Besonderem – und einer speziellen Vorbereitung für das Unternehmertum.
Eigentlich joggst Du lieber, als Fahrrad zu fahren. Wir sitzen aber aus einem besonderen Grund im Sattel. Dein Großvater ist mit 26 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in Gummersbach losgeradelt und hat die Unternehmen abgeklappert. Das ist sozusagen der Gründungsmythos von Kienbaum. Lebt Ihr diesen Mythos?
Wir lassen ihn jetzt wiederaufleben – unter anderem im Rahmen eines Marken-Relaunches. Wir sind in einer Phase, in der wir uns mit der Identität von Kienbaum genauer auseinandersetzen und wollen diesen Ursprung wieder präsenter machen. Ich finde, das Fahrrad ist ein schönes Symbol. Zum einen historisch, zum anderen, weil es für „Kraft umsetzen“ steht, im Tandem sogar für „gemeinsam antreten“ und „Fahrt aufnehmen“. Wir haben diese Geschichte deshalb wieder aufleben lassen und dabei gespürt, dass es eine zusätzliche Identifikation schafft, die wir auch in Zukunft stärker kultivieren wollen.
Sowohl Dein Vater als auch Dein Großvater waren starke Persönlichkeiten – Patriarchen, wenn man so will. Wie war es für Dich, in diese Fußstapfen zu treten?
Mein Großvater hat immer gearbeitet. Als er 1998 starb, hinterließ er sein Unternehmen meinem Vater und meiner Tante. Heute, in dritter Generation, sind wir acht Enkelkinder, und als es um die Zukunft des Unternehmens ging, hatten wir bei unseren Entscheidungen alle unseren Großvater vor Augen. Er hat einen sehr bleibenden Eindruck hinterlassen. Mein Großvater war direktiv. Seine Meinung galt und sollte auch befolgt werden. Mein Vater ist zwar ebenfalls eine starke Persönlichkeit, aber ein anderer Charakter. Ihm war immer schon der Konsens wichtiger. Dadurch war mein Einstieg in das Unternehmen sichtlich einfacher als damals für meinen Vater. Mein Vater musste meinem Großvater beweisen, dass er der Rolle würdig ist. Bei mir war es ein deutlich reibungsloserer Einstieg. Dafür bin ich sehr dankbar.
„Empowerment ist der wesentliche Pfeiler unserer zukünftigen Führungsphilosophie.”
Ihr seid acht Kienbaum-Enkel. Du bist der Einzige, der operativ eingebunden ist. Haben sich die anderen sieben aktiv dagegen entschieden? Warst Du der Einzige, der gesagt hat, ich mache es?
In der Tat. Meine Schwester und mein Vetter waren mal aktiv, aber sie haben für sich entschieden, dass sie diesen Weg nicht weitergehen wollen. Als dann die Frage aufkam, wer aus der Familie operativ auf meinen Vater folgen wird, fühlte ich mich berufen. Dass ich auch das Vertrauen ausgesprochen bekam, war sehr schön für mich. Unsere Generation macht aber nun etwas entschieden anders, als bislang üblich: Ich kann nicht sagen, ob ich die nächsten dreißig Jahre in dieser Rolle bleiben werde. Letztlich steht die Überlebensfähigkeit dieses Unternehmens im Mittelpunkt. Wenn wir als Familie auch operativ unseren Beitrag leisten können – wunderbar. Wenn wir an Tag X feststellen, dass familienfremde Personen besser sind für den Unternehmenserfolg, dann werden wir Platz machen und als aktive Gesellschafter Mehrwerte schaffen.
Eine neue Kultur im Haus, eine neuer Markenidentität – gehörte dieser Wandlungsprozess zu Deinem Einstiegsprogramm?
Es mündete darin. Ich habe gute zweieinhalb Jahre gebraucht, bis ich das Unternehmen, seine Prozesse und sämtliche Abläufe verinnerlicht hatte. Dann habe ich begonnen, einen Veränderungsprozess in Gang zu setzen, der strategischer, struktureller und kultureller Natur war. Zu Beginn haben wir Führungsleitlinien, Werte und Marke geschärft und für uns eine neue Philosophie definiert. Sie beruht auf unserer Idee, dass wir das Potenzial unserer Firma in der Vergangenheit nicht voll ausgeschöpft haben. Das hatte mit unseren Strukturen zu tun, mit unserem Vergütungssystem, aber vor allem mit unserem Führungsverständnis. Das wollten wir verbessern.
Dein offizieller Titel ist: Chief Empowerment Officer. Was ist das? Was bedeutet dieser Titel?
Wir haben im Rahmen unseres Kulturprozesses das Thema Empowerment als wesentlichen Pfeiler unserer zukünftigen Führungsphilosophie identifiziert. Das Thema Empowerment ist entstanden, weil wir gespürt haben, dass wir unsere alte Führungslogik, die, wie häufig in der Beratung, hierarchiegeprägt ist, weiterentwickeln mussten. Wir wollen bewusst eine Kultur schaffen, die von einer Subjektkultur geprägt ist und in der wir Potenzialentfaltung großschreiben. Damit möchten wir für unsere Mitarbeiter einen Raum schaffen, in dem wir sie befördern, inspirieren, ermutigen und einladen, ihre Potenziale in unsere Gemeinschaft einzubringen. Wir nennen das bei Kienbaum „Leading by #WePowerment“. Dementsprechend lag es nah, meine Rolle als Chief Empowerment Officer zu bezeichnen. Der Titel führt oft zu Nachfragen. Aber es ist mir wichtig, darüber unserer Haltung zum Ausdruck zu bringen. Die Kurzform „CEO“ verstehen dann wieder alle.
Was macht Ihr anders als andere Unternehmensberatungen?
Wir sind nicht nur das erste deutsche Beratungshaus, sondern haben auch ein einzigartiges Geschäftsmodell im internationalen Beratungsmarkt, denn wir vereinen Personal- und Managementberatung mit Zukunftsthemen wie Learning und digitalen Angeboten wie z.B. evelop.me, ein Selbstcoaching-Tool. Die Fokussierung Kienbaums liegt auf den drei Geschäftsfeldern Leadership Advisory, Management Consulting sowie Empowerment & Acceleration. Zudem haben wir begonnen, über einen Ökosystemansatz Partnerschaften, Kooperationen und HR-Tech-Beteiligungen aufzusetzen. Beratung bewegt sich in Teilen mehr und mehr in Richtung Co-Kreativität. Gemeinsam mit dem Kunden Lösungen zu entwickeln, Denkansätze zu formulieren und dann Begleiter auf Partner- und Augenhöhe zu sein: Das ist die Zukunft unserer Dienstleistung.
„Digitalisierung funktioniert nicht ohne Humanisierung."
Ich habe irgendwo diesen Satz von Dir gelesen: „Digitale Transformation ist soziale Transformation.“ Was möchtest Du damit aussagen?
Unser Vermögen sind Menschen, sie sind der Ausgangspunkt von allem. Wir haben uns zu Beginn der Digitalisierung darauf konzentriert, wie wir das Bestehende durch Technologie verändern und ersetzen können. Das schürt aber auch Ängste, weil Menschen die Bedeutung der Veränderung für sich nicht abschätzen können. Deshalb müssen wir bei der Transformation vor allem auf die sozialen Komponenten schauen. Das ist der ultimative erste Schritt. Mein persönliches Anliegen ist es, das menschlichste Beratungshaus Europas zu formen, denn Digitalisierung funktioniert nicht ohne Humanisierung der Arbeitswelt. Ich lege Wert darauf, dass wir einander das Gefühl geben, füreinander etwas bewegen zu wollen als Team, auch in Zusammenarbeit mit unseren Partnern und Beteiligungen. Dabei kommt ein Prozess in Gang, in dem wir beantworten können, wie uns Technologie (weiter-)helfen kann.
In New York haben Frauen aufgrund ihres Geschlechts inzwischen sogar einen Vorteil bei der Jobvergabe. Wie sieht es bei Kienbaum mit Diversität aus?
Die Arbeitswelt von morgen wird bunter, transparenter und diverser und damit auch weiblicher. Karriere und Familie müssen zukünftig Hand in Hand gehen, das gilt auch für uns bei Kienbaum. Insgesamt haben wir ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern, wenngleich unsere Führungsriege in Zukunft gerne weiblicher und internationaler werden darf. Hier müssen wir an uns arbeiten und die flexiblen Möglichkeiten, die uns die heutige Zeit schenkt, besser nutzen. Diversity fassen wir aber weiter: Als Familienunternehmen sind wir uns unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung bewusst und empfinden es als selbstverständlich, für eine gelebte Vielfalt einzutreten. Wir haben viele Kollegen mit diversen Backgrounds im Unternehmen, und sind froh darüber, Werte, Traditionen und Einflüsse aus ganz unterschiedlichen Richtungen erleben zu dürfen. Es bereichert uns.
Zwei Jahre hat die Umstrukturierung gedauert. Wo im Detail sieht Kienbaum heute anders aus als vor Beginn?
Wir haben diese zwei Jahre genutzt unser Portfolio zu verändern, um Kundenbedürfnisse, die sich zukunftsgerichtet mit Fragestellungen rund um „People & Organisation” befassen, besser bedienen zu können. Das hat am Ende mit Befähigung, Beschleunigung und Veränderungen von Individuen sowie Organisationen zu tun, also im Kern personellen, systemischen und strukturellen Themen. Und wenn Kienbaums Vermögen die Menschen sind, sollten wir den Fokus auch bei uns im eigenen Haus darauf legen. Da wollten wir hin, und ich glaube, dafür haben wir den richtigen Weg eingeschlagen. •
Kienbaum-Faktenbox
•
Deutschlands erstes Beratungshaus und einzige Personal-
und Managementberatung
europäischen Ursprungs
•
Familienunternehmen in
dritter Generation.
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gegründet 1945 von
Gerhard Kienbaum
• Hauptsitz: Köln
• Rund 600 Mitarbeiter weltweit.
•
Geschäftsführender
Gesellschafter:
Gründerenkel Fabian Kienbaum
Autorin: Katja Joho
Fotos: Franz Schuier
VIVID 03 | 2019
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