Kunst trifft Patric Fassbender

Leidenschaft ist der Schlüssel zum Erfolg

Patric Faßbender hat zusammen mit seinem Partner Marcus Stahl das Hören in deutschen Kinderzimmern revolutioniert. Sie erfanden Hörfiguren namens Tonies und einen Würfel namens Toniebox. Heute hat das Düsseldorfer Unternehmen 140 Mitarbeiter und expandiert in die USA und China. Rainer Kunst und Patric Faßbender haben sich für eine Joggingrunde im Grafenberger Wald verabredet.

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Name: Rainer Kunst
Job: Herausgeber von VIVID
Alter: 52

Name: Patric Faßbender

Job: Geschäftsführender Gesellschafter
Alter: 49

Rainer Kunst: Patric, du bist vom angestellten Art Director bei Ogilvy über die Selbstständigkeit ins Unternehmertum gekommen. Wie schafft man diesen Sprung?

Patric Faßbender: Mit einer großen Portion Leidensdruck. Ich musste was an meinem Leben ändern. Es hat etwas gedauert mir einzugestehen, dass mein Weg in der Agentur zu Ende ist. Mit zwei Kindern und einem guten Gehalt geht man schon ein gewisses Risiko ein. Heute bin ich sehr froh, dass es so kam. Ich hatte relativ lange auf eine Idee gewartet, die mich rausholt. Die kam aber nicht, also habe ich die Selbstständigkeit gewagt. Doch auch als Freelancer musste ich Projekte machen, die ich inhaltlich nicht zu 100 % geteilt habe. Ich wollte etwas, das mich erfüllt. Dann kam die Idee zur Toniebox.

Kunst: Hast du während deiner Zeit bei Ogilvy daran gedacht, eines Tages Gründer und Unternehmer zu werden?

Faßbender: Ich habe immer schon Unternehmertum in mir gespürt, es schlummerte dort. Vielleicht habe ich das von meinem Vater, der zwar angestellt war, aber immer unternehmerisch gedacht hat. Er war Betriebsleiter in einer Getriebebaufirma und ein Leben lang damit beschäftigt, das ganze Unternehmen weiterzubringen. Abläufe zu optimieren, in die Zukunft zu schauen, Entscheidungen zu treffen. Das hat mich geprägt.

Kunst: Die Idee zur Toniebox kam dir gemeinsam mit deiner Frau, als ihr eure Kinder beim Spielen beobachtet habt. Wie hast du deinen Geschäftspartner gefunden?

Faßbender: Mir war schnell klar, dass die Toniebox ein komplexes Projekt wird, für das ich viele Kompetenzen einfach nicht mitbringe. Da habe ich mich in meinem Netzwerk nach einem geeigneten Partner umgeschaut. Ich wollte jemanden, der zu 50 % an der Idee beteiligt und dadurch in der Lage ist, die gleiche Begeisterung mitzubringen. Da kam mir Marcus Stahl in den Sinn. Er hat einen komplett anderen Background. Ist Ingenieur, hat einen MBA gemacht. Ich habe ihm nachts eine Mail geschrieben, die er erst einmal ignorierte. Als er sich schließlich meldete, bin ich zu ihm ins Büro gefahren und habe ihm die ersten Designideen auf den Tisch gelegt. Da war er direkt Feuer und Flamme. Ab der Sekunde war klar, dass wir das gemeinsam machen werden.

Ich hatte keine einzige schlaflose Nacht, sondern 
viele Glücksgefühle.
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Kunst: War seine Wahl eine strategische Entscheidung?

Faßbender: Ja. Weil er früher bei NOKIA war, dachte ich ganz naiv, er könne vor einem Lötkolben sitzen und Elektronik mitentwickeln. Das war nicht wirklich seine Kompetenz. Dafür besitzt er ganz andere, die noch viel wichtiger sind. Das Spannende ist: Er ist in Themenfeldern unterwegs, die von außen betrachtet eher bei mir verortet sind und umgekehrt. Wir bereichern uns immens, weil wir sehr offen sind, Meinungen von außen zuzulassen. Dinge zu hinterfragen. Das macht Produkte und Prozesse in der Regel besser.

Kunst: Wie tauscht ihr euch im Tagesgeschäft aus?

Faßbender: Wir sind sehr viel gemeinsam unterwegs. Haben ein gemeinsames Büro und sitzen uns gegenüber. Unser Umfeld musste lernen, dass wir als Doppelspitze fungieren. Am Ende des Tages entscheiden wir immer gemeinsam und tauschen uns sehr intensiv über jedes Thema aus. Das Coole ist: Jede Entscheidung ist damit stärker, für jeden von uns. Weil wir uns abgesichert haben. Das spürt auch das Team. Das gibt uns viel Selbstbewusstsein.

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BOXINE GMBH

• Die Erfinder der Tonies.

• Gründungsjahr: 2013

• Die Gründer: Patric Faßbender, Marcus Stahl

• Startkapital: 600.000 Euro

• Umsatz 2018: 60 Mio. Euro

• Mitarbeiter: 140

Gewinner des Deutschen Gründerpreises 2019 in der Kategorie Aufsteiger.

Kunst: Im März 2013 habt ihr einen Mockup gebaut und wolltet die Toniebox im Weihnachtsgeschäft auf den Markt bringen. Dazu kam es aber erst drei Jahre später. Wie übersteht man eine so lange Entwicklungszeit?

Faßbender: Aus geplanten sieben Monaten Entwicklungszeit sind dreieinhalb Jahre geworden. Es war eine unfassbar intensive und lehrreiche Zeit voller Erlebnisse. Ein Prozess, den wir durchlaufen mussten. Weil wir mit dem finalen Produkt nicht vollkommen zufrieden waren, haben wir den Launch noch einmal geschoben. Was am Ende die richtige Entscheidung war. Allein die Unkenntnis schützt einen davor, zu verzweifeln, dass man noch drei Jahre braucht, bis das Produkt im Regal steht.

Kunst: Wie habt ihr eure Idee finanzieren können?

Faßbender: Wir haben einen ersten Businessplan erstellt und 600.000 Euro über Freunde eingesammelt. Um dann zu realisieren: Wir brauchen mehr! Wir haben fünf Kapitalrunden gedreht, um das Ganze zu finanzieren. Uns war aber klar: Um schneller an Geld zu kommen, müssen wir Gesellschafter für das Produkt begeistern. Es war ein permanentes Dazulernen. Die finanzielle Abweichung wurde höher, das Produkt größer, das Thema komplexer. Es ist aber sehr oft so, dass es am Ende teurer wird.

Kunst: Wie viele schlaflose Nächte hattest du in der Zeit?

Faßbender: Es gab Hürden. Wir mussten viel schwitzen und arbeiten, aber wir haben den Erfolg nie infrage gestellt, hatten nie das Gefühl: „Das bekommen wir nicht hin“. Das ganze Team war sehr happy und motiviert. Ich wusste, dass wir alles dafür tun, dass das Produkt gut wird. Ich hatte keine einzige schlaflose Nacht, sondern viele Glücksgefühle.

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Kunst: Ihr habt mittlerweile 140 Angestellte. Wo bekommt ihr gute Leute her?

Faßbender: Wir legen Wert darauf, dass alle Mitarbeiter das Tonie-Gen haben und in der Lage sind, es weiterzugeben. In unserer Anfangszeit stand bei jedem Bewerbungsgespräch ein Prototyp auf dem Tisch. Wenn ein Bewerber ihn nicht angefasst oder ausprobiert hat, war er raus – egal wie gut er war. Das war ein K.O.-Kriterium. Wir wollen Leute, die das Produkt lieben. Wenn jemand diese Leidenschaft hat, kannst du ihn in alle Bereiche stecken. Mit Begeisterung kann man sich alles erarbeiten. Mittlerweile brauchen wir aber auch Spezialisten, die wir über Headhunter rekrutieren.

Kunst: Wie übertragt ihr eure Unternehmenskultur auf die Mitarbeiter?

Faßbender: Marcus und ich sind sehr nahbar, authentisch und ehrlich. Ich glaube, das kann jeder im Unternehmen spüren. Wir sperren uns gegen nichts und sind sehr offen, neue Dinge auszuprobieren. Wir können gut Verantwortung abgeben. Und auch gut damit umgehen, wenn mal was nicht funktioniert. Dann macht man es halt anders. Das ist unsere Grundhaltung. Dadurch kannst du Geschwindigkeit aufnehmen und Leute begeistern, bei dir zu arbeiten.

Kein Tag gleicht dem anderen. Ich tue sehr viele 
unterschiedliche Dinge, die mich ausfüllen, und ich lerne sehr viel. 
Jeden Tag.

Kunst: Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Faßbender: Kein Tag gleicht dem anderen. Ich tue sehr viele unterschiedliche Dinge, die mich ausfüllen, und ich lerne sehr viel. Jeden Tag. Es gibt kein Gespräch, das mich nicht weitergebracht hätte. Montags haben wir zahlreiche Jour fixes. Das ist der einzige Tag, von dem ich weiß, wie er strukturiert ist. Freitags halten wir uns frei, um im Büro ansprechbar zu sein. Und von Dienstag bis Donnerstag sieht jeder Tag anders aus. Viel reisen. Viel sprechen. Viele Meetings. Viele Entscheidungen treffen und sich mit möglichst vielen Leuten austauschen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo wir gerade stehen.

Kunst: Eure größte Herausforderung ist sicher das Wachstum. Dazu habt ihr jetzt neue Investoren an Bord geholt. Was bedeutet das für euch?

Faßbender: In aller erster Linie bedeutet es, dass wir unserem Ziel, die Tonies wirklich international aufzustellen, einen großen Schritt näher gekommen sind. Wir haben nun einen Gesellschafter, der neben einem riesigen Netzwerk, viel Expertise und Kapital auch große Leidenschaft für unser Produkt mitbringt … insofern ein absoluter Wunschpartner!.

Kunst: Hast du Tipps für Gründer?

Faßbender: Das ist sehr individuell. Bei sich bleiben. Keine Angst haben, denn Angst lähmt. Vor allem keine Angst davor haben, Entscheidungen zu treffen. •

www.TONIES.de

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Patric Fassbender

• Geboren 1970 in Düsseldorf

• Studium der visuellen 
Kommunikation

• Mehr als 15 Jahre in Agenturen als Kreativ Direktor.

• Fortuna-Fan



Autorin: Karolina Landowski
Fotos: Frank Beer


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VIVID 04 | 2019

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