Selbstbewusst und Alternativlos
Ein halbes Jahr nach ihrem Abgang als CEO bei Ketchum Pleon hat Victoria Wagner es wieder getan und ihre zweite Agentur gegründet. Ihr neues Baby heißt prägnant und selbstbewusst „Alternativlos“ - ein ebenso ungewöhnlicher wie aufmerksamkeitsstarker Name.
Name Victoria Wagner
Job Gründerin
Firma ALTERNATIVLOS-Strategie GmbH Malkastenstr 17, 40211 Düsseldorf
Die besten Ideen kommen ihr nachts, wenn andere schlafen. Und damit sie nicht wie früher um 3.30 Uhr in der Früh etwas auf einen Schmierzettel unleserlich kritzelt, hat sie neuerdings ordentlich Block und Stift am Bett liegen. Quasi im Traum hat sie den Namen ihrer neuen Agentur gefunden und für gut befunden – was soll einem im Fall von Alternativlos auch anderes einfallen. Victoria Wagner, die umtriebige, ideenreiche Expertin für Kommunikation, positioniert sich mit ihren Firmensitzen in Düsseldorf und in Berlin als Strategieberatung für Agenturen und Unternehmen und ist „Sparringspartner für Kommunikationsverantwortliche“. Was heißt das genau? „In Zeiten der Digitalisierung, sich dynamisch verändernder Märkte, disruptiver Geschäftsmodelle und exponenziell gestiegenen Kundenanforderungen stehen Kommunikationsverantwortliche vor besonderen Herausforderungen“, sagt die 49-Jährige.
Zum Beratungsangebot von Alternativlos gehören unter anderem die Analyse und Transformation von Kommunikationsprozessen und -strukturen. „Die traditionelle PR hat längst ausgedient, genauso wie die klassischen Konferenzen der 80er-Jahre“, erklärt Wagner. „Heute ist Sichtbarkeit auf den Social-Media-Kanälen wie LinkedIn & Co. das A und O.“ Mit der Folge, dass sich „Personal Branding“ zu einem der stärksten Geschäftsfelder der jungen Agentur entwickelt hat. „Personal Branding“ sei, so Wagner, die alles entscheidende Basis, um auf der Karriereleiter nach oben zu kommen. „Und da tun sich vor allem Frauen in Führungspositionen leider immer noch recht schwer. Dabei müssen Frauen nicht – wie oft diskutiert wird – männlicher sein, um erfolgreich zu sein. Im Gegenteil: Sie sollten authentisch weiblich bleiben, aber laut und sichtbar nach außen zeigen, wer sie sind und was sie können.“
Die Düsseldorfer Unternehmerin sieht ihre Aufgabe darin, vor allem Frauen auf der höheren und oberen Geschäftsebene zu helfen, sich als eigene Marke zu positionieren. „Dabei geht es nicht darum, auf Instagram Urlaubsfotos zu posten, das hat nichts mit dem beruflichen Profil zu tun.“ Fragen wie: Wer bin ich als Marke? Was ist mein USP? Wo will ich mich vernetzen?
Was sind meine individuellen Themenschwerpunkte? Was sind meine Ziele? Diese Fragen stehen am Anfang der von Wagner gecoachten persönlichen Markenbildung. Denn wer authentisch sein will, muss sich in seiner Haut wohlfühlen und auch angstfrei in einem TED-Talk 20 Minuten über sich selbst sprechen können.
„Frauen traut euch und zeigt euch!“, postuliert Victoria Wagner und führt als Beispiel für authentische Persönlichkeitsmarken gern Fränzi Kühne an. Die Unternehmerin und Gründerin einer Digital-Agentur, die mit 35 die jüngste Frau in einem Aufsichtsrat war und die lieber Jeans und Sneakers statt Businesskostüm und strenge Mundwinkel trägt, wäre nicht so weit gekommen, wenn sie sich nicht authentisch als Marke im digitalen Umfeld positioniert hätte. Alternativlos ist die zweite Gründung von Wagner. Nachdem sie beim Düsseldorfer Familienkonzern Henkel-Schwarzkopf direkt nach dem Studium gestartet ist, hat sie Jahre später mit Brandzeichen, einer Agentur für Markenberatung und Kommunikation, eine Erfolgsgeschichte gefeiert. Brandzeichen setzte von Beginn an auf Facebook, Twitter und Instagram und wuchs rasant. Die Mutter einer Tochter und eines Sohnes machte sich als Markenstrategin einen Namen, angelte sich große Etats bekannter Marken, allen voran Procter & Gamble. „Ich habe immer gerne parallel viele Bälle in der Luft gehalten“, sagt die Düsseldorfer Unternehmerin und strahlt eine ungeheure Energie aus.
Nach neun Jahren hat sie dann Brandzeichen „ganz bewusst“ an Omnicom verkauft und 2016 die Führung des Riesen Ketchum Pleon übernommen. Dort ist sie Mitte 2018 ausgeschieden und zu neuen Ufern aufgebrochen. Mit ihrer Tochter hat sie mehrere Wochen in New York gelebt, ist mit ihrem Mann um die Welt gereist, hat ihre Leidenschaft für Kochen, Essen und Reisen ausgelebt. Nach der Gründung von Alternativlos plant die 49-Jährige Anfang 2020 zusätzlich eine neue bundesweite Initiative: Beyond Gender Agenda. Diversity geht deutlich weiter als die Diskussion über die Frauenquote, Diversity muss grundsätzlicher gedacht werden: die Vielfalt des Denkens und der Perspektiven. „Diversity & Inclusion (D&I) sind in der Wirtschaft die Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg von morgen“, sagt Victoria Wagner und richtet ihre Initiative zunächst auf vier Chapter aus – Gender, Generation, Ethnicity und LGBT. Viele Netzwerke und Organisationen engagierten sich heute zwar bereits für Frauen in Führungspositionen, doch die Öffentlichkeitswirksamkeit, insbesondere im digitalen Raum, werde meist vernachlässigt, meint Victoria Wagner, die so ganz nebenbei den „Robin Hood“ in sich entdeckt hat.
„Wir wollen die Klimadebatte für D&I lostreten“, erklärt die Initiatorin selbstbewusst und schart einen Beirat aus führenden Vertretern aus Wirtschaft und Politik um sich. Nach eigenen Angaben soll durch nachhaltiges Agenda Setting und Öffentlichkeitsarbeit sowie Botschafterkommunikation, insbesondere auch im digitalen Raum, aufgeklärt, Positivbeispiele hervorgehoben und D&I nachhaltig und integral in führenden Unternehmen der deutschen Wirtschaft verankert werden. „Ziel ist es, dass deutsche Führungsgremien in naher Zukunft nachhaltig weiblicher, jünger, internationaler und insgesamt vielfältiger besetzt werden.“ •
Autorin: Dagmar Haas-Pilwat
Fotos: Anne Wirtz Fotodesign
VIVID 01 | 2020
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