Wenn die Tochter vom Vater übernimmt

Das Familienunternehmen an die nächste Generation weiterzureichen fällt vielen Chefs schwer – selbst an die eigenen Kinder. Noch immer übernehmen Töchter seltener als Söhne. Dabei beweisen Frauen immer wieder, dass auch Töchter das Erbe erfolgreich weiterführen können.

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Wäre es so gekommen, wie der damalige Präsident des Bundesverbands Deutscher Industrie, kurz BDI, 1954 sagte, gäbe es viele deutsche Familienunternehmen wohl heute nicht mehr. Unternehmerinnen seien nur eine „vorübergehende Kriegsfolgeerscheinung“, meinte er. Hätte er Recht behalten, wären viele Firmen vielleicht ohne Nachfolger geblieben. 2019 wird jedes dritte Familienunternehmen an eine Tochter übergeben, schätzen Experten. Frauen, wie Sophia von Rundstedt oder Jutta Schröer-Ulbricht beweisen jeden Tag, warum das Normalität und nicht die Ausnahme sein sollte.

Bei Sophia von Rundstedt stand eigentlich nie zur Debatte, dass sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten würde. Nicht, weil sie sich nie für die Arbeit ihres Vaters interessiert hätte. Während des Studiums half sie sogar gelegentlich im Unternehmen aus, „aber für mich war das keine Karriere-Option damals“, beschreibt es Sophia von Rundstedt. Sie studierte Jura, arbeitete in einer Anwaltskanzlei, wechselte dann in eine Unternehmensberatung. Der erste Anstoß kam letztlich von einer Kollegin. „Sie fragte damals, warum ich denn nicht bei meinem Vater einsteigen würde – schließlich würde das Unternehmen doch sehr gut zu mir passen. Dieses Gespräch hat mich eigentlich erstmals darauf so richtig aufmerksam gemacht“, sagt von Rundstedt. 2001 sprach sie ihren Vater auf einen Job an. „Er reagierte überrascht.“

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Sophia von Rundstedt

Unternehmen: Von Rundstedt & Partner
Gründung: 1985
Mitarbeiter: rund 390
Jährlicher Umsatz: 27,5 Millionen (2016)

Jutte Schröer-Ulbricht
Unternehmen: Heinrich Moerschen GmbH
Gründung: 1892
Mitarbeiter: 58
Jährlicher Umsatz: bis zu 25 Millionen Euro

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Eberhard von Rundstedt hatte seine Firma selbst erst 1985 mit Mitte 40 gegründet. Sein Düsseldorfer Unternehmen zählt zu den Pionieren des Outplacements in Deutschland. Er bot als einer der ersten Unternehmen die Dienstleistung an, ausscheidende Mitarbeiter bei der beruflichen Neuorientierung zu helfen und sie in neue Jobs zu vermitteln. Die Unternehmensnachfolge war bis dahin noch kein Thema gewesen. „Vertrieb – das kannst du“, bestärkte er aber seine Tochter in der Idee und bot ihr einen Job an. 2002 startete Sophia von Rundstedt in der Niederlassung in Frankfurt als Kundenbetreuerin. Nach eineinhalb Jahren übernahm sie mehr Verantwortung, leitete das 15-köpfige Frankfurter Team.

Als nach einigen Jahren das Thema Nachfolge aufkam, machte Sophia von Rundstedts jüngerer Bruder, der ebenfalls im Unternehmen arbeitet, klar: Geschäftsführung ist nichts für ihn.  So kam es, dass die Tochter drei Jahre lang Seite an Seite mit ihrem Vater die Geschäfte leitete, bis der 2011 mit 70 Jahren, zum 25. Unternehmensjubiläum, ausschied. Ein paar Wochen lang habe ihr Vater mit seiner neuen Rolle gehadert, sagt von Rundstedt. „Er ist aber nie über die Flure gelaufen und hat versucht sich einzumischen.“ Auch innerhalb des Unternehmens gab es kaum Gegenwind für die Nachfolgerin.

Dass sie das väterliche Werk übernehmen durfte, hält sie für ein Privileg. Als Tochter nachzufolgen sogar als besonderen Vorteil: „Ich denke, männliche Nachfolger wollen sich von ihrem Senior stärker abgrenzen“, schätzt von Rundstedt. „Als Tochter, die auf den Vater folgt, unterscheide ich mich qua Geschlecht schon von meinem Vorgänger.“

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Auch Petra Fischer, Spezialistin für Unternehmensnachfolge im Rheinland, sieht darin ein großes Plus für Nachfolgerinnen: „Männer vergleichen sich sehr stark miteinander“, sagt Fischer, Frauen haben laut der Expertin mehrheitlich eine andere Perspektive. „Sie machen es nicht so sehr zu ihrer persönlichen Mission – sondern werfen den Blick eher auf das große Ganze.“ Sophia von Rundstedt war von Beginn an wichtig, die Werte des Vaters zu erhalten – als familiäres Erbe. „Diese Werte machen uns stark, sie sind unser Rückhalt.“ Gleichzeitig ist von Rundstedt stolz auf den herbeigeführten Kulturwandel. 2015, bei der 30-Jahr-Feier, stellte sie ihre Vision der Zukunft vor: mehr Eigenverantwortung und Selbstorganisation, Arbeit näher am Kunden und innovativere und schnellere Entscheidungen. „Wenn man so will, war es die Idee der ‚agilen Organisation‘, die mir vorschwebte – damals hieß das nur noch nicht so.“ Als Ratgeber zieht die Tochter den Unternehmensgründer auch heute hier und da noch hinzu. Bei ihrem Vater verspürt Sophia von Rundstedt eine gewisse Dankbarkeit: „Das hätte ich am Anfang ehrlich gesagt gar nicht so gedacht“, sagt Sophia von Rundstedt. „Er sieht natürlich auch, dass bislang alles gut gelaufen ist.“

Bei Jutta Schröer-Ulbricht lief die Übernahme des Familienunternehmens vor dreißig Jahren nicht ganz so einfach. Von ihrem Wunsch, den Landmaschinenhandel Heinrich Moerschen in Tönisvorst, weiterzuführen, war niemand begeistert. Ihre Mutter war zwar die Firmenerbin gewesen, letztlich führte aber der Vater, Landmaschinen-Ingenieur, das Geschäft. Die Mutter machte die Buchhaltung. Aus dem operativen Geschäft, dem Vertrieb, der Entwicklung, hatte sie sich rausgehalten. „Dass ich nun allein das alles stemmen wollte – das konnten sich meine Eltern einfach nicht vorstellen“, sagt die Moerschen-Geschäftsführerin. Bei Belegschaft und Kunden war es nicht einfacher.

Zum einen traute man der jungen Frau aufgrund ihres Geschlechts wenig zu. Zum anderen glaubte niemand, dass die Juristin, frisch von der Uni, etwas vom Landmaschinen-Business verstehen würde. „Es ist letztlich auch einfach eine harte Branche, in der ich arbeite“, schätzt Schröer-Ulbricht.

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Die junge Juristin versuchte sich bestmöglich vorzubereiten: Sie machte ein einjähriges Praktikum bei einem befreundeten Landfachhandel, dann arbeitete sie zwei Jahre gemeinsam mit ihrem Vater in der Geschäftsleitung. Nach einem schweren Herzinfarkt zog er sich allerdings aus dem Geschäft zurück. „Schnell stand ich allein da mit der Verantwortung“, beschreibt es Schröer-Ulbricht.

Im Unternehmen machte man ihr das Leben durchaus schwer. „Die Männer waren wohl vor allem enttäuscht, dass ich mich nicht – wie meine Mutter zuvor – auf die Buchhaltung gestürzt habe, sondern überall mitmischen wollte“, sagt Schröer-Ulbricht. „Ich habe mich vor allem auch im Vertrieb eingemischt. Das kam bei den Herren gar nicht gut an.“ Es gipfelte darin, dass in den ersten zwei Jahren mit der jungen Chefin fünf erfahrene Mitarbeiter die Firma verließen. Ein harter Schlag. Schröer-Ulbricht gab aber nicht auf – schließlich ging es ums Familienerbe.  Wo manch ein auswärtiger Geschäftsführer womöglich das Handtuch geschmissen hätte, überwog die Verbundenheit und der Ehrgeiz, die Firma zu halten.

Diese Verantwortung ist so gross und dieser Job fordert so viel von einem- den muss man aus voller Überzeugung machen.

Die junge Chefin setzte schnell eigene Akzente: Sie kaufte Industriereinigungsmaschinen aus den USA – in den Neunzigern ein Novum – und veränderte die Vertriebsstruktur. Statt Allroundern im Vertrieb wollte sie Spezialisten. Jeder Vertriebler hatte ein kleines Portfolio, sollte seine Maschinen genau kennen. Schröer-Ulbricht startete eine Spezialisierung auf die Kartoffeltechnik – also mit Landmaschinen etwa zum Sähen und Ernten von Kartoffeln. Später weitete sie diese auf andere Geschäftszweige aus. Mit Erfolge Rückblickend, schätzt Schröer-Ulbricht, habe ihr Vater ihr zwar anfangs die Rolle als alleinige Nachfolgerin nicht zugetraut, ihr letztlich jedoch mit seinem klaren Rückzug Raum zur Entfaltung gegeben. Im Konflikt mit den Mitarbeitern hätte sie sich allerdings mehr Unterstützung gewünscht: „Hätte er sich stärker an meine Seite gestellt, wäre mir wahrscheinlich der ein oder andere Konflikt erspart geblieben.“


Autor: Katja Joho