„Wir drucken lebende Stoffe“
Der klassische 3D-Drucker ist kaum noch etwas Besonderes. 3D-Biodrucker hingegen schon. Sie haben die Tür für Menschen wie Andreas Blaeser geöffnet. Seine Firma beschäftigt sich mit dem Druck von Gewebe – woraus Haut und irgendwann einmal auch Organe entstehen können.
Ein künstliches Herz aus dem 3D-Drucker könnte eines Tages einem herzkranken Menschen das Leben retten. Das ist die Zukunft. Bis dahin sind es noch einige Jahre, eher sogar Jahrzehnte. Aber das ist das große, langfristige Ziel von Menschen wie Andreas Blaeser. Er gründete 2017 in Aachen das Biotech-Start-up Black Drop Biodrucker, um eigene 3D-Biodrucker zu entwickeln und zu verkaufen.
„Wir drucken keine toten Materialien. Wir drucken lebende Stoffe“, beschreibt es Blaeser. Biologisches Zellmaterial, aus dem irgendwann einmal idealerweise Knochen, Muskeln oder sogar ganze Organe geformt werden können. Für den Druck, das heißt für die Bio-Tinten, wer- den im Kern zwei Inhaltsstoffe benötigt: lebende Zellen und das sogenannte Hydrogel.
„Diese Substanz lässt sich mit Gelatine vergleichen“, sagt Blaeser. „Sie hat eine ähnliche Konsistenz und einen sehr hohen Wasseranteil.“ Während Gelatine beim Kochen oder Backen mit Zucker angereichert wird, werden für den Bio-3D-Druck Nährstoffe hinzugefügt, die das Wachstum der Zellen fördern. Aus dieser Mischung wird dann Tropfen für Tropfen, Schicht für Schicht im Drucker das Gewebe geformt. So können organähnliche Modelle entstehen. Damit diese zu biofunktionalem Gewebe heranreifen, müssen sie dann noch für mehrere Wochen in Brutschränke, damit Biostrukturen kultiviert werden. Anschließend sind die Modelle dann einsatzbereit.
Der wohl bekannteste Einsatzbereich solcher Drucker-Modelle, für den Black Drop Hardware, Software und Know-how anbietet, ist die Medizin. Dort wird mit dem 3D-Biodruckverfahren schon konkret an Implantaten gearbeitet. Das können Knorpel-, Knochen- oder Muskelteile sein. Allerdings ist die Entwicklung noch nicht soweit, dass solche Produkte an Menschen getestet werden. „Aktuell bewegen wir uns auf dem Level von Tierversuchen“, sagt Blaeser. „Menschliche Studien gibt es noch nicht. Das wird noch etwas dauern.“
Zudem sind die Entwicklungen im 3D-Biodruck als Ersatz für Tierversuche interessant: Modelle aus dem Drucker könnten Tiere als Testobjekte ersetzen. „Wenn wir beispielsweise ein Modell eines komplexen Organs drucken könnten, bräuchten Pharmakonzerne ihre Medikamente nicht mehr an Tieren zu testen, sondern könnten die Wirkung direkt am (Modell)-Organ erproben“, so Blaeser. Die Methode nennt sich In-Vitro-Screening – übersetzt bedeutet das so viel wie „außerhalb des lebenden Körpers“. Dies bringt viele Vorteile mit sich: Zum einen lassen sich Tierversuche und damit Tierschutz-Bedenken reduzieren, zum anderen können Kosten gespart werden. Außerdem, so Blaeser, bringt es bei Studien mehr Sicherheit: „Wenn Modelle genutzt werden können, die den menschlichen Körper annähernd perfekt nachahmen, lassen sich in Tests viel relevantere und verlässlichere Aussagen treffen, die weniger Nebenwirkungen bei klinischen Studien am Menschen selbst zur Folge haben dürften“, so Blaeser.
Neben dem Einsatz in der Medizin können die 3D-Biodrucker aber auch für die Lebensmittel- und Bekleidungsindustrie interessant sein. In-Vitro-Fleisch, sprich das Fleisch „aus dem Reagenzglas“, ist ein Thema, das nach Blaesers Einschätzung in den nächsten Jahren an Brisanz dazugewinnen könnte. Ebenso Kleidungsstücke aus In-Vitro-Materialien frisch aus dem 3D-Biodrucker – genauer gesagt: künstlich hergestelltes Leder. Die „echtere“ Alternative zu Tier- oder Kunstleder sozusagen. Durch die Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten sind die Märkte, auf denen Black Drop seine Produkte verkaufen kann, dementsprechend groß. Mittlerweile hat Blaeser Kunden aus den verschiedensten Branchen: Universitätskliniken, niedergelassene Ärzte, aber auch Forschungseinrichtungen sowie Medizintechnik-, Pharma- oder Chemieunternehmen. Sie kommen aus Europa, Kanada oder Asien, und sie alle arbeiten oder forschen mit den Bio-3D-Druckern und Bio-Tinten von Black Drop aus Aachen. „Nordrhein-Westfalen ist ein hervorragender Standort für uns“, sagt Blaeser. Die Vielzahl an Hochschulen – vor allem zwischen Rhein und Ruhr – böte den Austausch mit vielen potenziellen Partnern und Kunden. Hinzu komme die Nähe zu Benelux. „Für Black Drops Arbeit eine ideale Umgebung“, sagt Blaeser.
Black Drop bietet seinen Kunden neben den Drucksystemen und den Bio-Tinten auch eine Art Full-Service: Konzeption und Bau des Druckers, Bio-Tinten je nach spezifischem Bedarf und Beratung, Aufbau, Begleitung und Prozessoptimierung. Den günstigsten Drucker gibt es pro Exemplar ab etwas über 13.000 Euro. Das Premium-Modell liegt – je nach Kundenwunsch – bei etwa zwischen 50.000 und 250.000 Euro. Damit decken die Aachener sowohl Angebote im niedrigen als auch im hohen Preissegment ab – können kleine Kunden ebenso beliefern wie Kunden mit anspruchsvollen Vorhaben. Und das Geschäft läuft, sagt Blaeser. Noch ist das Black-Drop-Team sehr klein: Zu dritt wird bislang gearbeitet, aber bald soll die Biodrucker-Firma wachsen. 2018 gewann Black Drop den BioRiver Boost!, einen Start-up-Wettbewerb des Life-Science-Branchenverbands im Rheinland, BioRiver. Infolgedessen – und nach einigen erfolgreichen Konferenzen – sei das Interesse an den Black-Drop-Produkten und -Entwicklungen noch einmal deutlich gestiegen. Bislang verzichtet Black Drop auf Investorenkapital. „Wir haben den Start aus eigener Tasche finanziert – nur mit Eigenkapital“, sagt Blaeser. Das sei auch gut so gewesen. Der Gründer setzt auf die Lean-Start-up-Methode: Schlanke Prozesse, zunächst langsames Wachstum mit wenig Kapital, um ordentlich erproben zu können, ob das Produkt funktioniert, der Markt es annimmt, bevor viel Geld fließt. Mittlerweile denkt Black Drop aber über größere Investitionen nach. „Wir sind im vergangenen Jahr gut nach vorne gekommen und denken nun darüber nach, stärker zu wachsen, um dem internationalen Interesse gerecht werden zu können“, so Blaeser. Gegenüber Gesprächen mit potenziellen Investoren ist er deshalb nicht abgeneigt. Eine langfristige, strategische Partnerschaft schwebe ihm dabei am ehesten vor.
Für die Zukunft von Black Drop hat Blaeser schließlich auch große Pläne: In fünf bis zehn Jahren hält er es für möglich, dass Black Drop Teilgewebe drucken könnte, die das menschliche Organ ergänzen. „Natürlich ist langfristig das volle Organ das Ziel, aber das wird noch länger dauern“, sagt Blaeser. „Die Technologien dazu sind bereits da, aber sie müssen noch richtig kombiniert werden, und das kann noch einige Jahre in Anspruch nehmen.“ Einen wichtigen Schritt in diese Richtung hat das Aachener Start-up bereits gemacht. Der jüngste wissenschaftliche Erfolg Blaesers: Ein vaskularisiertes, also von Blutgefäßen durchzogenes Gewebemodell kann Black Drop mit seiner Technik schon heute drucken. Von dort aus ist es nur noch ein relativ kleiner Schritt etwa zu einem „durchbluteten“ Lebermodell, das die wichtigsten Teilfunktionen des natürlichen Organs abbilden kann. •
Firma Black Drop Biodrucker GMBH
CEO Andreas Blaeser
Seit 2017
MODELLE AUS DEM 3D-BIODRUCKER
Autorin: Katja Joho
VIVID 03 | 2019
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