Building the future
Düsseldorf ist Architekturstadt. Und ein stark wachsender Ort auf relativ kleiner Fläche. Eine städtebauliche Vision soll Antworten darauf geben, wie die Menschen unter diesen Bedingungen auch zukünftig gut leben und arbeiten können.
Als ich Düsseldorf das erste Mal live erlebte, habe ich mich sofort in den riesigen Fluss verliebt. Er sorgt für eine innerstädtische Landschafts- und eine gleichzeitig steinerne Seite – das haben andere Städte nicht. Dieses Zusammenspiel ist für mich ein nie endendes Wunder. Und dann hatte ich meinen Wow-Effekt, als ich das erste Mal das Schauspielhaus in Verbindung mit dem Dreischeibenhaus gesehen habe. Was für eine elegante, mutige, zeitlose Schönheit – dass sich eine Stadt so etwas leistet, zeugt auch von einem bestimmten Bewusstsein“, sagt Cornelia Zuschke. Die studierte Architektin ist seit 2016 Planungsdezernentin und verantwortlich für die Bereiche Planen, Bauen, Mobilität und Grundstückswesen in der Landeshauptstadt. Ihr Herz und das vieler weiterer architekturbegeisterter Menschen schlägt höher bei den zahlreichen Architekturikonen (siehe auch Seite 11), verteilt auf nur wenigen Quadratkilometern – denn Düsseldorf ist auch eine Stadt der kurzen Wege, polyzentrisch und von lebendigen Quartiersstrukturen geprägt.
„Als ich Düsseldorf das erste Mal live erlebte, habe ich mich sofort in den riesigen Fluss verliebt.“
Von der individuellen Schönheit zu den harten Fakten. Denn Düsseldorf ist auch eine stark wachsende Stadt mit verhältnismäßig kleiner Fläche: Allein von 2014 bis 2019 ist sie um rund 26.000 Einwohner auf über 645.000 angewachsen, 2040 könnten rund 700.000 Menschen hier ihren Hauptwohnsitz haben. Hinzu kommen riesige Pendlerströme. Das stellt die Stadt vor enorme Herausforderungen: Bezahlbarer Wohnraum muss geschaffen werden, genügend Kita-, Schul- und Pflegeplätze müssen da sein, aber auch ausreichend Gewerbestandorte, Kulturangebote und Grünflächen. Welche Antworten gibt es auf diese Herausforderungen und wie baut man eine solche kompakte, gemischte Stadt samt ihrer Verkehrsinfrastruktur intelligent weiter?
Eine Mammutaufgabe, die eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Immobilienwirtschaft, Politik, Verwaltung und Bürgerschaft verlangt. Und die dank einer gemeinsamen Vision offensichtlich gut bewältigt wird.
Diese städtebauliche Vision heißt Raumwerk D. Seit 2018 läuft der fünfstufige Prozess, unter breiter Beteiligung von Bürgerschaft, Politik und Fachöffentlichkeit. Vier interdisziplinäre Planungsteams aus ganz Deutschland wurden damit beauftragt, mutige Ideen für das zukünftige Düsseldorf zu entwickeln – entstanden sind vier unterschiedliche „Raumbilder“ über mehrere Zeithorizonte (s. Info-Kasten). Über die Raumbilder wurde im vergangenen Jahr eine – Corona-bedingt – online-basierte Beteiligung unter den Düsseldorfer*innen angestoßen, die ihrerseits wieder viele spannende Ansätze bzw. Thesen hervorbrachte: Von der weiteren Freilegung der Düssel als Erlebnisort bis hin zur Überdeckelung von großen Verkehrstrassen mit Grünflächen.
„Diese Schlüsselprojekte, die sich einmal in gebauten Beispielen zeigen könnten, erarbeiten wir gerade. Dafür brauchen wir auch den Input der Immobilienbranche und der Institutionen. Macht beispielsweise die Überdeckelung der Trassen unter immobilienwirtschaftlichen Bedingungen Sinn? Es gibt wichtige Fragen, auf die es noch Antworten braucht“, erklärt Ruth Orzessek-Kruppa, die das Amt für Stadtentwicklung leitet. Corona hat diesem Prozess offenbar nicht geschadet – im Gegenteil: „Durch die Online-Beteiligung konnten wir mehr Menschen erreichen und breites Feedback bekommen. Außerdem hat Corona wie eine Lupe auf drängende Themen gezeigt, die zum Teil längst bearbeitet werden müssten: Die Immobilienindustrie hat den Auftrag, ihre Portfolien multifunktionaler zu denken. Die Städtebauförderung darf nicht so enge Förderkorridore haben. Und wir von der Planung müssen lernen, dass Freiraum nicht Restraum heißt, sondern sich die gesunde Stadt noch viel mehr über Stadträume definiert als über Bebautes“, sagt Cornelia Zuschke. Noch in 2021 soll das Endprodukt, ein städtebauliches Entwicklungskonzept, fertigstellt und verbindlich bei der zukünftigen Stadtentwicklung mitberücksichtigt werden.
Nicht erst seit Corona befindet sich auch der stationäre Einzelhandel in einem Transformationsprozess. Der betrifft natürlich auch die Stadtentwicklung, wie aktuell das Beispiel Kaufhof am Wehrhahn schön zeigt: In einer der besten Lagen Düsseldorfs soll eine neue Welt des Arbeitens und des Flanierens entstehen.
Wie dieser Ort zukünftig konkret einmal aussehen soll, wird derzeit auch unter Beteiligung der Bürgerschaft diskutiert. Spannend ist ebenso die Frage, welche Auswirkungen die Pandemie auf die zukünftige Arbeits- und Bürowelt haben wird (s. auch Seite 62). „Dass Orte zum Wohnen und zum Arbeiten auch baulich näher zusammengebracht werden können, hat der Gesetzgeber mit den sogenannten „Urbanen Gebieten“ bereits 2017 ermöglicht“, erklärt Ulrike Lappeßen, Leiterin des Düsseldorf Bauaufsichtsamts. Eine intelligente Verkehrsinfrastruktur und gute Erreichbarkeit spielen bei der Verbindung Wohnen-Arbeiten natürlich auch eine große Rolle (siehe Info-Kasten). Ulrike Lappeßen weist auf einen weiteren Trend hin, der unabhängig von der Nutzungsart eines Gebäudes zunimmt: Nachhaltigkeit (s. auch Seite 14). „Wie können Bauherren gebäudebezogene und umgebende Begrünung sinnvollerweise nutzen? Wie können ehemalige Büroflächen auch für den Wohnungsbau umgenutzt werden? Oder wie erhalten Neubauten die entsprechenden Nachhaltigkeits-Zertifikate? Das sind typische Fragen, zu denen wir beraten. Es gibt ja auch die ersten Cradle-to-cradle-Projekte in unserer Stadt. Wir haben schon viel versucht, aber wir sind noch lange nicht am Ende des Weges angekommen.“ Düsseldorf ist und bleibt eben eine dynamische und offene Stadt. Ein Ort, an dem Altbewährtes und neue Visionen auch räumlich koexistieren können. •
SPATIAL CONCEPTS FOR DÜSSELDORF
As part of the “Raumwerk D process”, four interdis-ciplinary planning teams from all over Germany developed their comprehensive urban visions for the future Düsseldorf - so-called spatial concepts. Among the selected approaches that are being discussed in more concrete terms on the basis of the participation to date are these three here.
www.duesseldorf.de/stadtplanungsamt/stadtentwicklung/raumwerkd.html
www.raumwerkduesseldorf.de
Mobility as a driver of the real estate industry
“As real estate consultants in Düsseldorf, we have noticed a significant correlation between the vacancy rate in certain submarkets and insufficient public transport connections. If you want to rethink the city, good accessibility by public transport throughout the city is a basic requirement. In addition, we need to organise car traffic within the city even better, for example through sensible guidance systems and mobility hubs where car sharing and switching to e-scooters and bicycles is possible. The municipal company Connected Mobility Düsseldorf was founded precisely to realise such a mobility concept. And we also need intelligent digital parking management. We cannot have underground garages in office buildings standing empty while at the same time parking spaces are desperately sought on the streets. There are already intelligent systems for this that are ready to use.”
Dirk Schäfer, one of the managing partners of Anteon, one of Düsseldorf‘s largest real estate consultancies in office leasing, logistics and investment
Words Tom Corrinth
Pictures PR
Weitere Credits
Reicher Haase Assoziierte, LAND, MIC, Stadtbox, IAT
MUST, DTP, TELLWERK, ARUP /
berchtoldkrass, bauchplan, ARGUS, HS Luzern