Digital Art: New Tools, Limitless Possibilit
Als Anfang 2021 der NFT-Hype begann, schien ein neues Zeitalter der digitalen Kunst anzubrechen. Drei Jahre später spielen „Non-Fungible Token“ zumindest im öffentlichen Diskurs kaum noch eine Rolle. Es ist wie mit so vielen Phänomenen, die die digitale Transformation hervorbringt: So schnell sie zum „The Next Big Thing“ aufsteigen, verschwinden sie auch wieder. Die Entwicklung in der digitalen Kunst, die weit mehr ist als NFTs und schon lange vor ihrer Existenz begann, schreitet indes weiter voran – Künstler:innen kreieren mithilfe digitaler Werkzeuge neue Kunstformen, die das Potenzial haben, zu bleiben.
Ich bin nicht aufgestanden und habe gesagt, ich möchte digitale Kunst machen. Wie so oft ist es ein Prozess als Reaktion auf unsere Lebensrealität“, erklärt Jonas Blume. Er nutzt digitale Technologien, um Videos, Skulpturen oder immersive Installationen entstehen zu lassen. Seine Arbeit war unter anderem in der Ausstellung „PENDORAN VINCI. Kunst und künstliche Intelligenz heute“ des NRW-Forums Düsseldorf zu sehen. Für Blume führt die Digitalisierung in der Kunst eine seit Jahrhunderten andauernde Entwicklung fort: „Dass sich Künstler:innen neue Technologien und Medien aneignen, um sie für ihr Schaffen zu verwenden, ist eine uralte Geschichte. Auch die Digitalisierung hat in kürzester Zeit viele neue Werkzeuge hervorgebracht: Computer, Digitalkamera, Smartphone.“ Jede Erfindung sei eine Erweiterung der Möglichkeiten. Dass andere Kunstformen an Bedeutung verlieren, glaubt er nicht: „Durch die Fotokamera ist die Malerei nicht ausgestorben, genauso wenig wird digitale Kunst dazu führen, dass sich niemand mehr mit Kupferstichen beschäftigt. Es geht darum, eine Vision nach außen zu tragen und greifbar zu machen. Für mich ist entscheidend, ein Werkzeug zu finden, mit dem ich ausdrücken kann, was ich ausdrücken will.“
So wie in Bodies. Für die Videosimulation ließ Blume aus den ersten 50 Google-Bildvorschlägen zu seiner Person ein „Durchschnittsgesicht“ generieren. Das übertrug er in ein 3D-Modell und setzte es auf einen modellierten Körper, der sich aus den menschlichen Durchschnittswerten zu Größe, Gewicht und anderen Paramatern ergibt. Die Kunstfigur vervielfältigte Blume und ließ zwei Armeen aus identischen Charakteren aufeinander zulaufen. Das Resultat ist ein wirrer Kampf, der Fragen aufwirft: Wer ist der Gegner? Ist es ein Kampf gegen sich selbst, ein interner Konflikt, der ausgetragen wird? „Es gibt so viele virtuelle Versionen von uns, auf LinkedIn, in Dating-Apps. Wir nehmen unterschiedliche Rollen ein, zwischen denen wir springen, und vereinen sie gleichzeitig. Mich interessiert, wie wirken all diese Facetten und die Interaktionen, die wir virtuell haben, ineinander, wie beeinflussen sie unser reales Leben? Das wollte ich darstellen“, erklärt Blume, der in seinen Werken immer wieder den Einfluss von KI, Algorithmen und digitalen Technologien auf das Individuum kritisch hinterfragt.
Als Kinder der 90er kam das Künstler-Duo Banz & Bowinkel über die Elektro-Musik zur digitalen Kunst: „Wenn du Teil der Technokultur warst, lag diese ästhetische Verbindung nahe. Computergenerierte Bilder als künstlerische Position gab es damals aber kaum. Wir haben zuerst noch collagiert und waren dabei auf das vorhandene Material im Netz angewiesen. Deswegen haben wir angefangen, entsprechende Software selbst zu erlernen, um eigene digitale Bilder produzieren zu können“, erklärt Giulia Bowinkel. „Es war einfach auch sehr aufregend, diesen neuen virtuellen Kontinent zu erforschen und herauszufinden, was man mit dem Computer alles machen kann. Wir haben uns gefragt, wenn das das Tool ist, das unsere gesamte Gesellschaft transformiert, wie kann man dann die passenden Bilder dazu kreieren?“
Ein Schwerpunkt von Banz & Bowinkel ist das Thema Augmented Reality, dem sie sich seit 2014 mit verschiedenen Arbeiten gewidmet haben. Eine davon war 2023 im Rahmen der AR Biennale des NRW-Forums Düsseldorf zu sehen. Im Hofgarten konnten die Besucher per Smartphone in die AR-Umgebung "Generative Composition" eintauchen – vor ihren Augen erschienen "Primitives", die Grundformen eines jeden 3D-Programms: „Primitives führen dort ein generatives Eigenleben, sie wachsen, hüpfen, fliegen und konsumieren sich gegenseitig. Die Serie ist ein wenig wie das Vokabular der parametrischen Formen. Man ändert ein paar Einstellungen und aus einer Kapsel wird ein Ring, eine Kugel oder etwas anderes. Viel virtueller und abstrakter kann man eigentlich nicht werden“, so Giulia Bowinkel.
Wie die Zukunft der digitalen Kunst aussieht? Friedemann Banz blickt lieber auf das, was schon da ist: „NFTs hat keiner kommen sehen, außer die, die sie gemacht haben. Das Gleiche gilt für KI. Ich glaube, es ist mü.ig zu überlegen, was kommt, weil es sowieso anders sein wird. Es würde sich viel mehr lohnen, von dieser technologischen Debatte, von schneller, höher, weiter, wegzukommen und stattdessen inhaltliche Fragen zu klären: Was ist der Kern der Technologie und was kann man damit machen? Wir wünschen uns, dass es mehr in die Tiefe geht!“ •
Words: Dominik Deden
Pictures: Jonas Blume, Banz & Bowinkel