Gourmet Goals
Wenn internationale Luxushotels und Spitzen-Gastronomen Köche, Restaurantleiter und Sommeliers suchen, rufen sie Patrick Nottebaum an. Der Düsseldorfer Headhunter rekrutiert ambitionierte Talente für die Sterne- Gastronomie.
Wie rekrutiert man Sterneköche?
Mit Passion und Verständnis. Je mehr man den Kunden und seinen Need versteht, desto einfacher ist es, die richtigen Menschen miteinander zu verknüpfen. Meine Idee war es, eine Agentur zu gründen, die Personalprobleme löst für Kunden in der Gourmet Gastronomie – einem Micro Market. Dafür hat man uns anfangs noch ausgelacht, denn meine Kundengruppe entspricht 0,03 Prozent des gesamten Markts. Kleiner und spitzer kann man eine Zielgruppe nicht definieren. Jetzt gibt es uns seit neun Jahren. Mittlerweile haben wir Kooperationen in der Schweiz, sind in Österreich, Belgien, Frankreich und Holland tätig. Wir wachsen in Märkte rein, die vom kulinarischen Verständnis homogen sind..
Welcher Philosophie folgt Ihr?
Ehrlicher Kommunikation. Wir kennen die Protagonisten und ihr Mindset und bieten Talenten einen schonungslosen Blick hinter die Kulissen. Wir kennen jede Ritze der Betriebe, mit denen wir arbeiten – von der Küche über das Kühlhaus bis zum Weinkeller. Wir sagen beiden Seiten, was sie gut und schlecht machen. Wir verhandeln für Mitarbeiter und versuchen, sie bestmöglich zu verkaufen. Auf der anderen Seite sagen wir auch Gastronomen: Ihr müsst an euren Rahmenbedingungen arbeiten, sonst kommt keiner.
Woher kam die Idee zu Eurer Spezialisierung?
Ich komme aus der Welt der Gastronomie und war als Vertriebsleiter eines Glashersteller für Key Accounts wie Luxushotels und Gourmetköche verantwortlich und gut vernetzt. Immer häufiger wurde ich gefragt: Hast du nicht einen Sous Chef für mich? Kennst du nicht einen Sommelier? Da spürte ich den Bedarf einer ganzen Branche. Nach einer langen Autofahrt von Südfrankreich nach Hause hatte ich dann den Businessplan im Kopf. Unser erstes große Projekt war das Phoenix im Dreischeibenhaus, ich habe alle Positionen besetzt und interimsweise die HR geleitet. Das war ein großer Vertrauensbeweis.
Was macht Ihr anders bei der Suche nach Talenten?
Wir arbeiten immer auf Augenhöhe und denken nicht in Standardprozessen. Ob Restaurantleiter, Sommeliers oder Servicemitarbeiter – am Ende des Tages wollen Menschen ernst genommen, wertgeschätzt und individuell angeschrieben werden. Wir bemühen uns um jeden einzelnen und halten Kontakt über soziale Medien wie Instagram und Snapchat. Wir wollen im Kopf bleiben. Eine wirkliche Beziehung mit Menschen aufzubauen, macht für uns den Unterschied.
Gibt es einen typischen Lebenslauf unter Sterneköchen?
Die meisten machen ihre Kochlehre in rudimentären Betrieben und lernen dabei, Lebensmittel zu lieben. Oder sie studieren und stellen in der WG-Küche plötzlich fest, wie geil kochen ist. Oft wechseln sie nach der Lehre in eine handwerklich gute Küche, in der ”ernst“ gekocht wird und entwickeln sich stetig nach oben weiter. Der Anspruch eines guten Kochs ist: Wie kann ich es noch besser machen? Wie kann ich den Geschmack noch mehr herausarbeiten? Sterneköche haben eine extrem hohe Geschwindigkeit, Interesse an Geschmack und Entwicklung, eine große Präzision, saubere Arbeitsweise und Drive – selbst unter höchstem Druck.
Was ist ihre Motivation?
Sie sind in der Gastronomie, weil sie den Fame suchen, weil sie Sternekoch sein wollen, weil sie in einem weltweit bekannten Restaurant kochen wollen. Es ist wie der Unterschied zwischen Hobbykicker und einem Spieler der Champions League. Das ist eine andere Welt. Da ist die Anforderung an die Person eine andere. Ein Ronaldo arbeitet jeden Tag an sich. Das gleiche passiert in der Spitzengastronomie. Wenn sie nicht selbst in der Küche stehen, gehen sie privat essen, schauen, was Kollegen machen, experimentieren, gehen in der Freizeit in den Wald, pflücken Wurzeln und legen sie ein. Sie sind besessen und wissen genau, welchen Karriereschritt sie gehen wollen. Das macht es für uns als Headhunter spannend. Sie fordern aber auch von uns eine Spitzenkompetenz und Kenntnis.
Was sind die speziellen Herausforderungen der gehobenen Gastronomie?
Die antizyklische Arbeit. Man ist immer on duty, wenn andere frei haben. Das macht es einsam, das ist kein schönes Leben. Gastronomie ist nicht vereinbar mit Familienplanung. Arbeitsvolumina waren schon immer brutal. Aber die Welt der Gastronomie funktioniert nur so, dass man mit viel Engagement auch über Gebühr Leistung zeigt. Weil sie sonst nicht mehr bezahlbar wäre. Wenn sich allein ein herkömmliches Restaurant an alle Vorgaben halten würde, würde ein Hauptgericht locker 50 Euro kosten. Das könnte sich niemand mehr leisten.
Wie sieht die Frauenquote in der Spitzengastronomie aus?
Männer sind in der Küche, Frauen im Service. Das ist noch heute so. Von ca. 390 deutschen Sterneköchen sind knapp 17 weiblich. Es gibt wenig Frauen, die den Weg zu Ende gehen, denn er ist brutal hart. Um 14 bis zu 18 Stunden Arbeit am Tag auszuhalten, bedarf es einer extrem guten körperlichen Konstitution. Alles, was raus geht muss perfekt sein. Und das jeden Tag. Für ein 3-Sterne-Menü reisen Gäste extra an, nehmen sich Urlaub. Was dann auf den Teller kommt, muss exzellent sein. Was für ein Druck dahinter steckt, kann man sich kaum vorstellen.
Wieso träumen immer noch so viele von der Karriere in der Küche?
Gastronomie gibt Planungssicherheit und Struktur, die andernorts vermisst wird. Viele Köche kommen aus einer Strukturlosigkeit, sei es aus familiären oder kulturellen Gründen. Die wenigsten haben Abitur, viele kommen aus verkrachten Lebensläufen und landen dann zufällig in einer Kochlehre. Eine Küche ist hierarchisch organisiert – wie ein Militär. Es herrscht immer ein unfassbar hoher Druck, Menschen kochen an verschiedenen Stationen und am Ende wird alles auf den Punkt zusammengeführt. Aber in der Küche sind Strukturen klar: Ich sehe die nächsten Karriereschritte. Es ist ein vorausschaubarer, planbarer Weg.
Gibt es auch hier Fachkräftemangel?
Ein Riesenthema. Alle Branchen in Deutschland schlagen sich um die gleichen Leute. Covid war ein Beschleuniger. 35 Prozent der Talente aus unserem Pool sind verschwunden. Sie hatten plötzlich Zeit für Freunde und Familie und wollten das nicht wieder aufgeben. Haben studiert oder sich andere Jobs gesucht. In der breiten Gastronomie hat die Umorientierung noch mehr eingeschlagen. Wir merken zwar den Mangel, aber finden immer noch genug Menschen, die Bock haben auf diese Welt und darin aufgehen. Aber Fakt ist: Deutlich weniger junge Menschen machen eine Ausbildung zum Koch oder Restaurantkaufmann als noch 2019. Fachkräftemangel wird uns noch auf lange Zeit begleiten. •
ABOUT PATRICK NOTTEBAUM
• Has never waited tables or cooked, yet is at home in the hospitality industry
• More than 20 years of experience in sales and marketing and as Sales Manager for Schott Zwiesel, responsible for key accounts in the luxury hotel and award-winning fine-dining sectors in the DACH region.
• Founder, strategic driving force and namesake of Walnut Careers
• Nottebaum is of Dutch origin and means "nut tree". Walnut Careers was founded in November 2014 and currently has 4 employees.
GASTRONOMY IN GERMANY:
• 110,000 restaurants
• 274 restaurants with 1 star
• 49 restaurants with 2 stars
• 9 restaurants with 3 stars
• 17 female chefs with one star
(Source: Statista and Guide Michelin)
Text: Karolina Landowski
Fotos: Sascha Perrone (EssBerichte), Aarón Blanco Tejedor, PR