"Collecting is and activity that also preserves my inner child." - Kunst meets Selim Varol

Vor allem durch seine Ausstellung “Wonderwalls. Art & Toys” im Jahr 2022 im NRW Forum ist Selim Varol für viele Menschen als leidenschaftlicher Kunstsammler bekannt geworden. Auch als Gastronom, früher mit dem Café Toykio und seit einigen Jahren mit dem Burger-Restaurant “What´s Beef” hat er sich einen Namen gemacht. Im Interview mit VIVID-Herausgeber Rainer Kunst spricht das Multitalent unter anderem über sein Verständnis von Familie, erste Business-Erfahrungen auf dem Trödelmarkt, die Bedeutung von Gastfreundschaft und Sammeln in seinem Leben und die Definition von Erfolg. 



Wenn wir beide jetzt im Dreischeibenhaus im Aufzug nach oben fahren würden, was würdest Du mir antworten auf die Frage: Was machst Du? 
Wenn wir ganz oben angekommen sind, würde ich sagen: Vater sein – in dieser Rolle in meiner Familie fühle ich mich sehr wohl! Und auf dem Weg dorthin ist viel passiert. Genetisch bin ich ein Stück weit Jäger und Sammler. Das macht einen Großteil meines Ichs aus, dass ich mich wiederfinde in der Sammlung, die auch meine Lebensgeschichte erzählt. Früher wollte ich arbeiten und Geld verdienen, um Künstler zu unterstützen und wenn ich Spaß daran habe, auch selbst Kunst zu machen – und da bin ich am Ende auch gelandet. 

Wie hast Du zunächst Dein Geld verdient und zum Unternehmertum gefunden? 
Mit Business habe ich eigentlich schon als sechsjähriges Kind angefangen, auf dem Trödelmarkt (lacht). Da habe ich Taschenbücher für 10 Pfennig das Stück eingekauft, über die Verpackungsstraße meines Vaters, der auch früh Unternehmer geworden ist, wieder verpackt und für 1 Mark das Stück auf demselben Trödelmarkt wiederverkauft. Da kamen an einem Tag 20 Mark zusammen und das war für mich viel Geld. Zumal wir nicht einfach Taschengeld bekommen haben, sondern dafür meinen Vater beim Arbeiten unterstützten. Das war schon harte Schule – aber sie hat meinen Unternehmergeist offensichtlich gefördert. 

Nach der Schule habe ich eine Banklehre angefangen und während der Ausbildung schon selbstständig Immobilienfinanzierungen vermittelt und damit Geld verdient. Das habe ich dann einige Jahre im Außendienst gemacht. Dabei habe ich sehr viele Menschen kennengelernt und gesehen, wie sie leben. Das hat mir auch das Thema Kunst nochmal ganz anders nähergebracht und meinen Horizont stark erweitert.

Wie bist Du in der Gastronomie gelandet?
Für mich ist Gastronomie ein eigenes Ding. Gastgeber ist man oder man ist es nicht. Und das kriegt man von der Familie in die Wiege gelegt. Das war bei meiner Mutter auch schon immer gang und gäbe. Sie kocht super, hat immer Leute zum Essen eingeladen und dabei auch darauf geachtet, verschiedene Kulturen zusammenzubringen. Das Gastgebertum habe ich also schon immer in meinem Leben gehabt. Bei mir waren häufig Partys und meine besten Freunde waren auch immer Köche (lacht). Bei meinen vielen Reisen habe ich es ebenso genossen, die jeweilige Küche kennenzulernen. Und irgendwann habe ich das, was ich sowieso schon immer zelebriert habe, professionalisiert und meinen ersten gastronomischen Schritt, gemeinsam mit meiner Frau Eva, gemacht mit dem Café Toykio, in dem wir auch das Thema Sammeln und Bücher untergebracht haben.

Seit einiger Zeit bist Du Inhaber des Burger-Restaurants “What´s Beef”, mitten auf der Immermannstraße im Japan-Viertel. Wie läuft die Location und wie geht Ihr mit Herausforderungen wie Personalmangel, Inflation und steigenden Energiepreisen um?
Wir sind auf der Immermannstraße sehr glücklich und haben einen fairen und langfristigen Mietvertrag gefunden. Uns gibt es jetzt zehn Jahre dort mitten im Japan-Viertel und wir haben auch die Pandemie überlebt. Mein Partner Ali, der das Restaurant leitet, verantwortet auch das Personal – und das macht er wirklich gut und ich vertraue ihm. Wir haben nur sehr geringe Personalfluktuation im Vergleich. Das liegt in meinem Augen daran, dass wir nicht nur angemessen bezahlen, sondern mit Herzblut dabei sind, auf Augenhöhe im Team kommunizieren und auch Perspektiven aufzeigen. Was die Preisgestaltung angeht: Vor Corona lag unser Lunch-Menü, was man gut als kompetitiven Faktor nehmen kann, bei 10 Euro, das haben wir fast sechs Jahre lang durchgehalten. Jetzt liegen wir bei 16 Euro – und auch das ist immer noch ein harter Preis für uns, weil wir alles selbst machen. Wenn man Gas-tronomie macht, dann sollte man mit Herzblut Gastgeber sein. Wer vor allem Geld damit verdienen will, wird nicht glücklich. 

Letztes Jahr gab es im NRW Forum eine große und sehr erfolgreiche Ausstellung mit Deiner Kunstsammlung. Wie bist Du zum Sammeln gekommen?
Mit sechs Jahren habe ich in der Türkei im Kino zum ersten Mal Star Wars gesehen. Davon war ich total geflasht. Danach ging diese riesige Merchandising-Welle mit all den Figuren los. Da wir damals nicht viel Geld hatten, hat meine Mutter uns die reduzierten gebrauchten Exemplare vom Wühltisch gekauft. Das hast meinen Ehrgeiz geweckt: Ich wollte lieber die neuen Exemplare kaufen – und zwar selbst. Dann habe ich mit meinem Comic-Handel angefangen und losgelegt und nach und nach meine Sammlung aufgebaut. Irgendwann kamen dann Street Art, Designer-Toys und viel später dann auch zeitgenössische Kunst dazu. Die Ausstellung im NRW Forum erzählte auch diese Geschichte des Erarbeitens, deswegen ist das ziemlich emotional für mich. Sammeln ist eine Aktivität, die für mich ganz eng mit der Kindheit verbunden ist und das Kindliche in mir auch erhält. 

Wo willst Du die Sammlung noch hinbringen? Welche Projekte sind in Planung?
Wo die Sammlung hinpassen würde, wäre eigentlich Japan. Aber ich will gar nicht so weit weg. Ich habe es wirklich genossen, dass die Ausstellung hier in Düsseldorf so nah dran war, wie mein zweites Wohnzimmer, wie ein familiäres Beisammen, bei dem ich auch unzählige Führungen machen konnte. Das Erklären gehört ja auch zur Sammlung dazu. Es müsste also ein Ort sein, der noch nah genug dran ist, dass ich noch hin kann. Wien wäre vielleicht gut. Und natürlich wäre eine permanente Ausstellung hier in meiner Heimat besonders toll.

Welche Rolle spielt Deine Frau Eva für Dich und Dein unternehmerisches Tun? 
Seit dem wir uns kennen und lieben gelernt haben, ist Eva für mich der Mittelpunkt meines Lebens und der Mittelpunkt unserer Familie. Sie gibt mir die meiste Energie und Inspiration von allen Menschen um mich herum. Uns beide hat ja auch die Kunst zusammengebracht, wir haben uns auf einer Ausstellung des Künstlers JR kennengelernt – und er ist derjenige, der uns im Malkasten getraut hat. Ohne Eva würde ich das Ganze, was ich mache, wohl auch gar nicht machen und wäre vermutlich auch nicht sesshaft geworden. 

Wie definierst Du Erfolg? 
Erfolg ist Glück. Das ist der Idealzustand, wenn man etwas macht, was einen glücklich macht und damit dann Geld verdient. Der Inhalt ist dabei zweitrangig. Viele Menschen arbeiten nur, um überhaupt ihr Leben finanzieren zu können in unserer Überflussgesellschaft und um sich immer mehr leisten zu können. Aber das ist kein endloses Szenario, denn wir leben gerade in einer Zeitenwende mit vielen Krisen. Und warum? Weil wir nicht in Verbindung stehen. Wir müssen wieder mehr in Verbindung treten und Plätze schaffen, wo Leute dies machen können. Dabei spielt zum Beispiel die Gastronomie eine große Rolle! 

Warum lebst Du in Düsseldorf? 
Was gefällt Dir an der Stadt?
 
Ich fühle mich wohl in Düsseldorf, weil es einfach nicht so groß ist. Diese Größe ist ausschlaggebend für mich und ich bin hier vor 30 Jahren sofort sehr warm empfangen worden. Hier bin ich angekommen – und so richtig angekommen bin ich, als auch Eva hier angekommen ist und wir hier eine Familie gegründet haben. • 


ABOUT SELIM VAROL

• 1999 - 2007: CMO at 11883 Telecom

• 2007: First pop-up at the Artempus Gallery in Düsseldorf

• 2010: Opening JR - Women Are Heroes Show @ SV Gallery in Düsseldorf

• 2011 - 2014: Toykio Gallery & Coffee on Immermanstrasse 18 in Düsseldorf

• 2012: First collection show: Art & Toys – Collection Show @ Me Collections Room Berlin

• 2013: Opening What’s Beef – Fresh Burgers on Immermannstrasse 24 in Düsseldorf

• 2013 - 2014: At Home I´m a Tourist – Collection Show @ CAC Malaga Spain

• 2015 - 2017: What's Pizza on Immerman-strasse 18 in Düsseldorf

• 2022 - 2023: Collection Show @ Kunstpalast - NRW Forum Düsseldorf


Interview: Rainer Kunst
Text: Tom Corrinth
Pictures: Mimo Khair