Green Digitalisation

 

Kann Digitalisierung uns vor der Klimakrise retten? Oder macht sie alles nur viel schlimmer? Fakt ist: Die verstärkte Nutzung digitaler Technologien führt zu steigendem Energie- und Ressourcenverbrauch, bietet aber zugleich Chancen für den Klimaschutz. 

 

Digitalisierung ist für das Klima Chance und Risiko zugleich: Einerseits spielen digitale Technologien bei der Umsetzung der Energie-, Verkehrs- und Wärmewende eine zentrale Rolle. Andererseits ist Informations- und Kommunikationstechnologie selbst in wachsendem Maße für den Anstieg des weltweiten Energieverbrauchs und den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich. Komplexe Rechenzentren und Dauerstreaming, künstliche Intelligenz, Kryptowährung und NFTs – Digitalisierung benötigt sehr viel Energie. Ein Beispiel: Der Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index hat das Mining des Bitcoin auf seinen Energieverbrauch hin untersucht. Demnach schlagen dafür aktuell rund 125 Terawattstunden Strom pro Jahr zu buche. Zum Vergleich: Ganz Schweden verbrauchte im vergangenen Jahr rund 130 Terawattstunden. Bestehende Studien zeigen, dass die durch die Herstellung, den Betrieb und die Entsorgung digitaler Endgeräte und Infrastrukturen verursachten Treibhausgas-Emissionen heute zwischen 1,8 und 3,2 Prozent der weltweiten THG-Emissionen liegen. Schätzungen zufolge lag das weltweite Emissions-Volumen der Digitalisierung im Jahr 2020 bei etwa 200 bis 250 Megatonnen CO₂ (eine Megatonne entspricht 1.000 Tonnen). 

„Fakt ist: Das Erreichen der Klimaziele Deutschlands kann nicht ohne den digitalen Wandel gelingen.“

Gleichzeitig können uns smarte Technologien beim Kampf gegen die Klimakrise unterstützen. Dies ist das zentrale Ergebnis einer von KfW Research beauftragten Studie des Öko-Instituts und des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) zu den Wechselwirkungen zwischen den beiden Megatrends Digitalisierung und Klimaneutralität. Fakt ist: Das Erreichen der Klimaziele Deutschlands kann nicht ohne den digitalen Wandel gelingen. 

Diese Einschätzung ist auch einer diesjährigen Studie der Beratungsgesellschaft Accenture zu entnehmen. Um die Klimaziele der deutschen Industrie bis zum Jahr 2030 zu erreichen, scheint die Industrie 4.0, also eine möglichst schnelle Digitalisierung in deutschen Firmen der sinnvollste Weg. Wenn Deutschland sich in Sachen Digitalisierung an vergleichbaren, führenden Ländern wie den USA orientieren würde, könnten im Jahr 2030 bis zu 64 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden, so der Digitalverband Bitkom – das entspricht etwa dem durchschnittlichen jährlichen CO₂-Ausstoss von Österreich. 

Beispielsweise können Unternehmen mit Digitalisierungsmaßnahmen ihre Energie-, Wasser- und Materialverbräuche sowie Emissionen reduzieren und die Einhaltung von Umweltrechtsvorschriften besser sicherstellen. Gleichzeitig können Prozesse optimiert, Transparenz gefördert und Kosten gesenkt werden. Entwickelt sich die Digitalisierung in Deutschland so moderat wie in den letzten Jahren, läge das Einsparpotential an Kohlendioxid laut der Studie im Jahr 2030 nur noch bei 37 Millionen Tonnen. 

Zu den wichtigsten Maßnahmen gegen die Klimakrise gehören die Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgasemissionen, der Schutz von Ökosystemen und deren Anpassung an Klimaveränderungen. Dabei kommt immer häufiger Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Wissenschaftler:innen zeigen Szenarien auf, in denen KI Strategien zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel unterstützen könnte – zum Beispiel im Energiesektor, in der Güterproduktion, in der Land- und Forstwirtschaft oder im Katastrophenschutz. So kann Künstliche Intelligenz helfen, wissenschaftliche Experimente und damit die Entwicklung sauberer Technologien zu beschleunigen. Ob der Einsatz von Künstlicher Intelligenz Ressourcenverbrauch und Emissionen zu senken vermag, anstatt sie noch weiter in die Höhe zu treiben, wird laut einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung von politischen Strategien und gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängen. 

Gegenwärtig benötigen Informations- und Kommunikationstechnologien laut Schätzungen insgesamt etwa 2 Prozent des weltweiten Strombedarfs. Schätzungen zufolge kann sich der Verbrauch bis 2030 auf 20 Prozent erhöhen. Das Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichte im Januar 2020 eine Studie, die die Verbindung von KI und Klimaschutz betrachtete. Ihr Fazit: KI kann vor allem im Bereich der Umwelt dazu beitragen, die definierten Ziele zu erreichen: beispielsweise Ölverschmutzungen in den Meeren aufspüren. KI kann dazu beitragen, den Energiemarkt umzugestalten und Energie nachhaltig zu nutzen. Die künstliche Intelligenz kann auch dabei helfen, Ressourcen einzusparen und Recycling zu verbessern. Auch im Bereich der KI-Technologien gilt: Sie können den Klimaschutz bereichern, sofern auch die Digitalwirtschaft ökologische Aspekte stärker berücksichtigt. 

In Zukunft wird die Bewegung hin zu einer ”grünen Digitalisierung“ drastisch zunehmen und vielleicht einer der entscheidensten Faktoren zur Lösung des Klimaproblems sein. Start-ups, die auf innovative und wirtschaftlich tragfähige Weise Lösungen für Umwelt, Ökologie und Nachhaltigkeit entwickeln, sind auf dem Vormarsch. Vor allem in den Bereichen Energie, Mobilität und Bauen werden viele innovative Ideen generiert: etwa digitale Energieinfrastrukturen für Solaranlagen in der Nachbarschaft, zirkuläre Geschäftsmodelle die Elektroschrott sinnvoll recyceln oder komplexe Systeme, die CO₂ direkt aus der Atmosphäre filtern. Mittlerweile gibt es deutschlandweit Dutzende Inkubatoren für die grüne Gründerszene, etwa die Accelerators und Plattformen Smart Green, Start Green oder Grüne Start Ups.

„Düsseldorf kann wichtige Impulse zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes in der Wirtschaft liefern.“

Dr. Stephan Keller, Lord Mayor, Düsseldorf

Innovationen für eine klimafreundliche Industrie stehen auch im Zentrum der Fachmesse für industrielle Dekarbonisierung und Energiespeicher decarbXpo, die Ende September auf dem Düsseldorfer Messegelände stattfand. Die Plattform Plug and Play Sustainability NRW ist der 5. deutsche Standort der globalen Innovationsplattform Plug and Play und hat in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung Düsseldorf zehn globale und regionale Top-Startups aus den Bereichen Dekarbonisierung, Energiespeicherung und Wasserstoff auf der Messe präsentiert. Produkte und Dienstleistungen, die Industrieunternehmen helfen, den für sie besten Weg zur Klimaneutralität zu finden. Diese steht auch auf der Agenda der Stadt Düsseldorf, die bis zum Jahr 2035 klimaneutral sein will und dafür mit der lokalen Wirtschaft den Klimapakt geschlossen hat. „Als internationaler und innovativer Wirtschaftsstandort mit einem Netzwerk aus Industrieunternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und der hervorragenden Infrastruktur zur Ansiedlung von Start-Ups kann Düsseldorf wichtige Impulse zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes in der Wirtschaft liefern,“ sagt Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller. Wenn uns die Industrialisierung in die Klimakrise gestürzt hat, kann uns die grüne Digitalisierung vielleicht tatsächlich noch in letzter Sekunde retten. Vorausgesetzt, sie steigert ihre Energieeffizienz. •


Words Karolina Landowski
Pictures iStock, Dr. Stephan Keller