Kunst trifft Theresa Winkels

Kürzlich feierte VIVID die 25. Ausgabe. Von der ersten Ausgabe an arbeitet das VIVID-Team eng mit der Wirtschaftsförderung Düsseldorf zusammen. Deren Leiterin Theresa Winkels blickt im Gespräch mit VIVID-Herausgeber Rainer Kunst in dieser 26. Ausgabe unter anderem auf diese erfolgreiche Magazin-Kooperation zurück, gibt Einblicke in ihre Arbeit und damit verbundene Entwicklungsprozesse und beschreibt ihre tiefe Verbundenheit zur Stadt.


VIVID und Du – Ihr habt eine gemeinsame Geschichte, könnte man sagen.

Ja, das stimmt. Im Frühjahr 2018 ist die erste VIVID-Ausgabe erschienen. Am 7. März 2018 bin ich stellvertretende Leiterin der Wirtschaftsförderung Düsseldorf geworden, an meinem Geburtstag. Zum selben Zeitpunkt haben wir die Abteilung für Standortmarketing, die Stephanie Kranen heute leitet, gegründet. Ich habe die Abteilung damals aufgebaut. Die Magazin-Kooperation, die mein Vorgänger mit Euch gestartet hat, konnte ich also von Beginn an mitgestalten und viele wichtige Dinge anstoßen, wie zum Beispiel die etwas später eingeführte Zweisprachigkeit der VIVID.

“Passion for Business” ist unser Magazin-Motto. Wo kommt Deine “Passion for Business” her?

Ich bin grundsätzlich ein unglaublich neugieriger Mensch. Das heißt, ich habe sehr viele Dinge in meinem Leben bereits ausprobiert und angepackt. Ich habe zum Beispiel zwei Studienabschlüsse gemacht – ein klassisches kaufmännisches Diplom und einen Abschluss in Literatur- und Kulturwissenschaften (siehe Info-Kasten Vita). Auch habe ich in viele Berufe und Branchen reingeschnuppert. Gleichzeitig weiß ich aber immer sehr schnell, wenn ich etwas nicht so gerne mache – und kann mich dann relativ gut entscheiden, wo ich hinpasse. Und das ist für mich einfach die Wirtschaft – heute an einer Schnittstellen- und Serviceposition.

Wie bist Du dann letztendlich zur Wirtschaftsförderung gekommen?

Durch Zufall. Nach den verschiedenen Studiengängen, verschiedenen Auslandsaufenthalten und Jobs in der Agentur- und Medienwelt sowie in einer Stiftung und der Selbstständigkeit hatte ich die Motivation etwas zu tun, wo ich einerseits mitgestalten kann und auch sehe, wie es in der Realität umgesetzt wird, und auf der anderen Seite etwas Sinnstiftendes mache. Dafür habe ich unter anderem eine Initiativbewerbung für den Bereich Kultur im Düsseldorfer Rathaus eingereicht. Da keine passende Stelle dafür damals vakant war, hat man mir eine Stelle als Referentin für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Liegenschaften angeboten – und das habe ich dann ausprobiert. So hat meine Reise durch die Verwaltung begonnen. Vor allem durch die Projektleitung der Tour de France habe ich tiefe Einblicke in sehr viele Fachbereiche bekommen können. Danach war für mich klar, dass die Wirtschaftsförderung der Ort in der Verwaltung ist, den ich mir langfristig vorstellen kann. Als dann nach der Projektabwicklung der Tour de France im Herbst 2017 – und auch das war Zufall! – der stellvertretende Leiter der Wirtschaftsförderung nach Essen berufen wurde, habe ich die einmalige Gelegenheit genutzt und mich beworben. Und es hat geklappt.

Was sind die wichtigsten Aufgaben der Wirtschaftsförderung?

Unser Job bei der Wirtschaftsförderung ist es zu schauen, wie die Bedarfslage der ansässigen Unternehmen aussieht, wie sie sich verändert und wie wir neue Firmen an den Standort holen können. Wir müssen Antworten haben auf Fragen wie: Welche Rahmenbedingungen können wir als Kommune liefern? Wo können wir Netzwerke oder Akteure aktivieren, die den Standort für Dritte attraktiv machen, dass die Wirtschaft vor Ort prosperiert. Es geht um Investitionen und Arbeitsplätze.

Seitdem Du Amtsleiterin bist, hast Du zusammen mit Deinem Team viele Prozesse angestoßen und neue Strukturen geschaffen in der Wirtschaftsförderung Düsseldorf. Kannst Du die wichtigsten Entwicklungen skizzieren?

Vor allem haben wir in den letzten Jahren unsere Strukturen effizienter gestaltet. Denn vorher waren wir gefühlt in so vielen unterschiedlichen Themen unterwegs, dass wir in unserer Dienstleistungsfunktion eher reaktiv als aktiv agieren konnten. Das haben wir geändert und fokussieren uns. Da haben wir zum einen die großen Themen. Das ist “Connectivity”, kommend aus dem starken Mobilfunk- und ITK Cluster, heute reichend bis zu Technologien wie 6G, KI und autonomen Systemen. Das zweite große Thema, welches Querschnittsfunktion für viele Branchen hat, ist “Greentech”, welches den industriellen Strukturwandel zwischen Rhein und Ruhr betrifft. Und das dritte große Thema ist “Life Sciences und Gesundheitswirtschaft”, eine sehr starke Branche entlang der Rheinschiene. Mit spannenden Playern und Gründergeschichten aus Düsseldorf wie zum Beispiel dem heutigen DAX-Konzern Qiagen. Darüber hinaus gibt es starke Düsseldorf -Themen, wie das Cluster Mode/Beauty/Lifestyle, das wir bedienen.

Und in allen Bereichen geht es uns nicht um den Blick zurück oder den Status, sondern um Innovation und Zukunftsfähigkeit auf der einen Seite und Internationalität als wichtiges Charakteristikum unseres Wirtschaftsstandorts auf der anderen Seite. Wenn man diese beiden Dingen in einem regionalen Kontext definiert und sich bewusst macht, dass wir in einem Radius von 50 Kilometern rund 560.000 Firmen haben und 13,5 Mio. Menschen sind, dann kann man das wirtschaftliche Potential für unsere Zukunftsfähigkeit erahnen.

Was sind die großen Themen, die die Unternehmen gerade beschäftigen?

Neben den großen Themen wie Energiekosten, politische Stabilität und Planbarkeit haben wir im Bereich des Ansiedlungsgeschäftes besonders bürokratische Herausforderungen. Da braucht es Übersetzung für Unternehmen aus anderen Ländern und konkrete Servicepakete bestehend aus Beschleunigung und Zuverlässigkeit. Das zweite große Thema ist die Fachkräftesituation. Wie kommen Firmen an qualifizierte Menschen oder wie unmittelbar können sie bestimmte Zielgruppen wie Studienabsolventen vor Ort erreichen? Als Wirtschaftsförderung, anders als die IHK, sind wir nicht mit dem Thema Ausbildung beschäftigt, aber wir leisten unseren Beitrag, indem wir gezielt das Thema HR Tech bespielen. Also digitale HR-Geschäftsmodelle fördern, die Unternehmen dabei unterstützen können, eine Effizienzsteigerung ihres Recruitings anzustreben. Beim TechHub K67 hat sich diesbezüglich sehr schnell geballtes Know-how gebildet. Das dritte große Thema derzeit ist die bevorstehende grüne Wende in der Wirtschaft. Dafür haben wir den Klimapakt als Netzwerk gemeinsam mit der IHK, der Kreishandwerkerschaft und der Handwerkskammer gegründet. Um gemeinsam ein Angebot zu schaffen, in dem Vernetzung und in dem Lernen voneinander stattfindet. 

Was macht Internationalität im lokalen Ansiedlungsgeschäft aus?

Am Standort sind ungefähr 6.000 der 38.000 Unternehmen internationalen Ursprungs, also rund ein Sechstel!. In einer globalisierten Welt ist das logischerweise ein ganz wichtiges Erfolgsmodell. Düsseldorf ist eben ein perfekter Standort für etablierte Unternehmen aber auch wachsende Startups aus dem Ausland, um den deutschen oder europäischen Markt zu erschließen. Dafür stellen wir als Wirtschaftsförderung mit unserer Abteilung für Internationales auch die notwendigen Services und Materialien zum Ankommen bereit. Und dazu gehört eben auch ein VIVID Magazin, das nicht nur in Deutsch zu lesen ist.

Während wir dieses Interview führen, läuft die Startup-Woche, Was unterscheidet den Startup-Standort Düsseldorf von anderen deutschen Städten wie Berlin, München oder Hamburg?

Die Szene in Düsseldorf ist im Vergleich zu anderen Standorten wie Berlin noch sehr jung, aber unglaublich dynamisch und schnell wachsend. Zudem haben wir keine technische Fakultät hier vor Ort – das unterscheidet uns beispielsweise von München oder Aachen. Dafür haben wir die technischen Exzellenzen in der Region. Und viele Gründer:innen sind keine direkten Uni-Absolventen, sondern kommen aus Corporate-Strukturen und haben zum Beispiel einige Jahre Erfahrung im Produktmanagement gesammelt. Das macht die Gründerszene viel diverser als an anderen Standorten und wir denken nicht lokal, sondern sind mit unserem Ökosystem eine Plattform für viele lokale wie regionale Player, was auch unser Digihub Düsseldorf/Rheinland in seiner Gesellschafter- und Partnerstruktur abbildet. Auch haben wir noch Lücken, beispielsweise im Bereich Venture Capital. Aber durch das Engagement einzelner Akteure, die beispielsweise gerade eine Veranstaltung wie den “Day One” auf die Beine gestellt haben, ändert sich das gerade. Und noch ein wichtiger Unterschied zu anderen Standorten: In Düsseldorf geht es vor allem ums B2B-Geschäft. Das ist der Hauptgrund, warum wir in den letzten Jahren einen solchen Sprint hingelegt haben. Jedes Startup braucht mittelständische oder Corporate-Kunden für den eigenen Erfolg. Zählte die Düsseldorfer Szene im Jahr 2016 noch rund 130 Startups, sind wir mittlerweile auf über 500 Player, in ganz unterschiedlichen Entwicklungsstadien, angewachsen.

Als Du 2013 in der Verwaltung angefangen hast, war die Welt noch eine andere. Heute reden wir über Remote-Arbeiten, Vier-Tage-Woche, flexible Arbeitszeiten. Wie hat sich Arbeiten in der Verwaltung verändert?

Ich bin eine sehr junge Amtsleiterin. Das heißt, ich komme aus einer anderen Generation, was das Thema Führungsverständnis, das Thema New Work oder das Thema Flexibilisierung von Arbeitszeiten betrifft. Auf der anderen Seite haben wir einen Job, der sich ja rund um die Welt abspielt. Ich habe keine statischen Servicezeiten. Wenn ich mit japanischen Unternehmen spreche oder mit US-amerikanischen, dann sind das schlicht auch Slots, die sind im normalen Gleitzeit-Modell nicht abzubilden. Das heißt, wir sind da sowieso ein Stück schon von abgerückt und wir sind sehr früh vor der Pandemie in diese Umstellung gegangen. Wir haben ein Angebot gehabt seitens der Verwaltung, das Thema mobiles Arbeit auszuprobieren. Außerdem haben alle Mitarbeitenden ein privates Leben, das mit dem beruflichen zusammenkommen muss und hier gilt heutzutage eben nicht die Abgrenzung 9-to-5 for Business – zumindest nicht für unsere Tätigkeit und Aufgabe. Der Anspruch unserer Zeit ist Flexibilität und das muss jeder Vorgesetzte am Ende mit den eigenen Mitarbeitenden lernen. Wir haben zum Beispiel auch sehr viele Teilzeitkräfte. Die Teilzeitvolumina werden bei uns nicht für ein Jahr festgeschrieben, sondern das wird im Prinzip unterjährig immer wieder verhandelt. So auch die Aufteilung von mobilem Einsatz und physischer Präsenz. Natürlich haben wir auch die Anforderung, dass wir im Team miteinander an bestimmten Stellen physisch zusammenkommen und uns miteinander austauschen müssen. Das muss dann für alle nachvolllziehbar festgelegt werden, so dass sich dann um solche Zeiten herum Flexibilität entwickeln kann.

Was macht die Stadt Düsseldorf für Dich so besonders?

Düsseldorf ist für mich die Welt im Pocketformat. Hier kann man echt alles erleben auf kleinstem Raum. Und hier kann man ganz viel gestalten. Die Optionen die diese kompakte Stadt bietet – zum Leben UND Arbeiten – sind hervorragend. Und sie ist komfortabel: Ich selber besitze beispielsweise kein Auto. Ich fahre eigentlich immer mit dem Fahrrad oder jetzt in der Schwangerschaft auch mal mit der Bahn oder bin zu Fuß unterwegs. Das kann man nicht an vielen Orten der Welt. Gleichzeitig hat man einen unglaublich breiten Horizont von verschiedensten Themen im Bereich Business, aber auch kulturell. Wo soll ich das sonst erleben als hier? •


ABOUT Theresa Winkels


• seit 2019 Amtsleiterin der Wirtschaftsförderung Düsseldorf sowie Aufsichtsratsvorsitzende der Digital Innovation Hub Düsseldorf/Rheinland GmbH und der Düsseldorfer Innovations- und Technologiezentrum DITEC GmbH

• 2018-2019 Stellv. Amtsleiterin der Wirtschaftsförderung und Abteilungsleitung Standortmarketing

• 2016-2017 Projektleitung Grand Depart Düsseldorf 2017

• 2013-2016 Referentin im Büro des Oberbürgermeisters 

• Diplomstudium der Medienwirtschaft mit Schwerpunkt Marketing an der Fachhochschule des Mittelstandes in Bielefeld sowie Masterstudium Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaften an der Universität Siegen

• Seit 2022 Initiatorin und Vorstand TechHub.K67


Interview: Rainer Kunst, Words: Tom Corrinth

Pictures: Anderas Endermann