Photo City Düsseldorf

 

Seit letztem November ist endlich klar: Das Deutsche Fotoinstitut kommt nach Düsseldorf. Geplant ist ein Fotografie-Kompetenzzentrum in einer Stadt, in der diese Kunstform nicht nur auf eine lange Tradition zurückblickt, sondern auch auf unternehmerischer Seite einiges zu bieten hat. 

 

Düsseldorf ist eine Kunst- und Fotostadt mit einer spannenden Museenlandschaft, in der immer wieder international bedeutende Fotokunst gezeigt wird: z. B. die Ausstellung „Untold Stories“ von Peter Lindbergh, die 2020 im Kunstpalast zu sehen war.

Die finale Entscheidung für den Standort dauerte drei Jahre und war von vielen, vor allem kontroversen Diskussionen auf politischer Ebene geprägt: Soll das Deutsche Fotoinstitut (DFI) nun in Essen, Düsseldorf oder sogar in beiden Städten geplant werden? Dabei war der Förderantrag auf Bezuschussung des DFI in Höhe von inzwischen insgesamt 86 Millionen Euro, den die Landeshauptstadt Düsseldorf im Oktober 2019 beim Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags stellte, bereits wenige Wochen später positiv beschieden worden. Warum die ehemalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters sich trotzdem vehement für Essen als Sitz des DFI eingesetzt hatte, kann man nur mutmaßen und ist inzwischen wohl auch nicht mehr von Belang. 

Die Anfänge der Idee gehen zurück ins Jahr 2008, als der damalige Oberbürgermeister Joachim Erwin den Anstoß gab, die Bedeutung des Mediums Fotografie in Düsseldorf zu unterstreichen und dazu die Künstler Andreas Gursky und Thomas Ruff involvierte. Durch die mögliche Vakanz eines Museumsbaus auf dem Gelände der Stiftung Insel Hombroich in Neuss begann ein neuer Prozess sowie ein intensiver Austausch mit verschiedenen Künstler:innen und Expert:innen. Das Ziel: ein an die Öffentlichkeit gerichtetes, internationales Kompetenzzentrum für Fotografie entstehen zu lassen. Das erste Konzept mit dem Titel „Deutsches Fotoinstitut“ entstand; im September 2019 schließlich fand die Gründungsversammlung des „Vereins zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts e. V.“ statt, in dem Fotokünstler Moritz Wegwerth als Vorsitzender in den Vorstand gewählt wurde. 

Was steckt konkret hinter dem Konzept des Deutschen Fotoinstituts? „In Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz oder den USA gibt es schon lange zentrale Einrichtungen, die sich ausschließlich dem Medium Fotografie mit seinen besonderen Herausforderungen widmen. Diese übernehmen Vermittlungsaufgaben, kooperieren mit Bildungseinrichtungen, erforschen, sammeln, restaurieren, arbeiten somit nachhaltig – bewahren für die Zukunft. In Deutschland gibt es an verschiedenen Orten und Institutionen Expertise und Spezialisierung, trotzdem fehlt bisher solch eine zentrale Einrichtung – ein Aggregator“, erklärt Moritz Wegwerth. 

Mit dem DFI sei ein sowohl an die Fachwelt als auch die Öffentlichkeit gerichtetes, international und interdisziplinär agierendes Forschungs- und Innovationszentrum geplant; dass der Begriff „Institut“ auf einen wissenschaftlichen Kontext hinweist, ist also offenbar erwünscht.

In Deutschland gibt es an verschiedenen Orten und Institutionen Expertise und Spezialisierung, trotzdem fehlt bisher solch eine zentrale Einrichtung – ein Aggregator.

Impulsgeber und Mittelpunkt für die Entwicklung von Düsseldorf zur Fotostadt war und ist die Kunstakademie, die die Bedeutung und Wahrnehmung der Fotografie als künstlerisches Medium entscheidend geprägt hat

Die Historie der Fotografie ist eng mit der Landeshauptstadt verbunden, viele Künstlerinnen und Künstler widmen sich in Düsseldorf bereits seit vielen Jahren diesem Sujet. Daraus habe sich ein international einzigartiges Netzwerk aus Lehre, Produktion, Verarbeitung und Präsentation von Fotografie entwickelt, so die Stadt Düsseldorf. Impulsgeber und Mittelpunkt dieser Entwicklung ist die Kunstakademie, die die Bedeutung und Wahrnehmung der Fotografie als künstlerisches Medium entscheidend geprägt hat. Das schlägt sich nicht nur in den vielen hier ansässigen Galerien und auf dem Kunstmarkt, sondern zudem in zahlreichen Unternehmen nieder, die aufgrund der Bedeutung von Düsseldorf als Fotografie-Standort auch internationale Aufträge erhalten. 

Große Technologieunternehmen wie Epson und Eizo sowie weltweit führende Anbieter für Fotografie-Technologie wie Nikon, Canon und Fujifilm sind in der Region ebenfalls vertreten. Hinzu kommen viele mittelständische Unternehmen: „Daher arbeitet das Kulturamt an einem Angebot für die Vernetzung von fotografienahen Firmen“, erklärt Miriam Koch, Beigeordnete für Kultur und Integration der Stadt Düsseldorf.

Viele Künstler:innen kommen nach Düsseldorf, um bei uns ihre Fotos produzieren zu lassen.

Eine von ihnen ist das Fotofachlabor Grieger GmbH, das vor über 50 Jahren in Esslingen gegründet wurde. Markus Hemesaat ist hier Vertriebsleiter. „Wir haben mit Werbefotografie, Drucken und Belichtungen für Unternehmen wie L’Oreal begonnen und irgendwann beschlossen, einen weiteren Standort in der Werbe- und Modestadt Düsseldorf zu eröffnen“, erzählt er. Anfang der 1980er Jahre habe Grieger dann das Diasec®-Verfahren entwickelt, bei dem ein Print einer digitalen oder analogen Fotografie erstellt und anschließend hinter einer Acrylglasplatte blasenfrei versiegelt wird. „Zunächst haben wir Diasec® vor allem im Bereich Werbung eingesetzt, bis schließlich die Künstler:innen nicht nur in Düsseldorf sehr stark darauf aufmerksam geworden sind“, erklärt Markus Hemesaat. Immer mehr von ihnen arbeiteten in den letzten Jahren mit Grieger, inzwischen habe man sich fast ausschließlich auf diese Klientel spezialisiert. „Viele namhafte nationale, aber auch internationale Künstler:innen kommen nach Düsseldorf, um bei uns ihre Fotos produzieren zu lassen.“ Die Stadt sei definitiv ein sehr wichtiger Standort, was Kunst generell und Fotografie im Speziellen anginge. 

Moritz Wegwerth sieht das ganz ähnlich. Auch er selbst habe sich daher seinerzeit für Düsseldorf und das Studium an der hiesigen Kunstakademie entschieden. „In der ersten Klasse für künstlerische Fotografie haben zahlreiche Studenten und Studentinnen bei Bernd und Hilla Becher gelernt, die später mit ihren fotografischen Arbeiten erfolgreich wurden. Dies hatte einen großen Einfluss auf den Kunstmarkt“, ist sich auch Miriam Koch sicher. 

Im Mai 2021 besetzte man dementsprechend die deutschlandweit erste Koordinierungsstelle für Fotografie, die federführend an der Publikation „Düsseldorf und Fotografie“ gearbeitet hat. „Diese Recherchearbeit bietet auch nach Erscheinen noch einen wichtigen Fundus zur weiteren Betrachtung und Erforschung des Fotostandortes Düsseldorf“, erklärt Miriam Koch. Dazu führe die Stelle Gespräche mit den verschiedenen Akteur:innen der kulturschaffenden Fotografie, aber auch mit Lehrenden sowie Vertreter:innen der Wirtschaft. 

Was wird in 300 Jahren überhaupt noch
von den vielen Fotografien übrig sein?

Dem DFI ist außerdem noch Folgendes wichtig: Die Fotokunst zu erhalten. „Was wird in 300 Jahren überhaupt noch von den vielen Fotografien übrig sein? Ich behaupte: Nicht viel. Wichtige Informationen gehen also permanent verloren oder werden zerstört, Trägermaterialien und Speichermedien sind eben nicht für die Ewigkeit entwickelt worden. Um analoge, hybride oder digitale Fotografien in die Zukunft zu überführen, müssen technische Standards, Arten der Digitalisierung, Ordnungssysteme, Bildrechte oder nachhaltige Materialien erforscht und zur Diskussion gestellt werden“, erklärt Moritz Wegwerth. Daher sei es in unserer „stark von Fotografie bestimmten Welt“ so wichtig, sich einen bewussten, aber auch kritischen Umgang mit dem Medium zu bewahren. •

Im Jahr 1976 gründete Fotograf Bernd Becher die erste Klasse für Fotografie an einer deutschen Kunstakademie; gemeinsam mit Ehefrau Hilla Becher unterrichtete er anschließend 20 Jahre an der Kunstakademie Düsseldorf. Foto: Bernd und Hilla Becher, Grube Ensdorf, Saarland, 1979. 


Words Katja Vaders
Pictures DIVERSE