Reimagining events and trade fairs
Die letzten zweieinhalb Jahre waren für die Kongress- und Event-Branche eine sehr lehrreiche Zeit. Viele neue Formate und Geschäftsmodelle sind entstanden, um auch zukünftig Networking und Austausch zu fördern oder Plattform für Zukunftslösungen zu sein.
Rund 70 Prozent der geplanten Messen fielen hierzulande aus in den Jahren 2020 und 2021. Der Verband der Messegesellschaften AUMA beziffert dadurch einen pandemie-bedingten volkwirtschaftlichen Schaden von 55 Milliarden Euro. Allein für die Düsseldorfer Wirtschaft führten die Corona-Auswirkungen der Messe Düsseldorf schätzungsweise zu einem Verlust von 2,49 Mrd. Euro (von Pandemiebeginn 2020 bis zum Messeneustart im zweiten Halbjahr 2021). Aber die Event-Branche hat auch extrem schnell umgedacht: So nahm laut Meeting- & EventBarometer Deutschland 2021/2022 zwar die Zahl der Präsenzveranstaltungen und -teilnehmer:innen im Jahr 2021 weiter ab gegenüber 2020, jedoch konnte der Zuwachs von hybriden Veranstaltungen diesen Rückgang mehr als kompensieren.
Dieses rasche Learning zeigt sich auch am internationalen Messe- und Kongressstandort Düsseldorf – zum Beispiel im CCD Congress Center Düsseldorf, gleich neben der neuen Messehalle 1: „Bereits im ersten Lockdown haben wir in einem Teil unserer Räumlichkeiten Streaming-Studios eingerichtet und unsere Kunden mit unserer professionellen Technik und unserem Know-how bei der Durchführung ihrer virtuellen Veranstaltungen unterstützt. Während der warmen Monate waren dann unter sorgfältigen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen auch Präsenzveranstaltungen oder hybride Modelle möglich, wie zum Beispiel die Japan-Convention „DoKomi“ im August 2021 (siehe S. 18, Anm. der Redaktion) oder die Tonmeistertagung im Oktober 2021“, erklärt Maria Kofidou, Geschäftsführerin der Düsseldorf Congress GmbH. Die Streaming-Studios wurden beispielsweise häufig von Aktiengesellschaften genutzt, um trotz der Pandemie ihre Hauptversammlungen in digitaler Form abhalten zu können.
Ein paar Meter weiter, in der obersten Etage der Zentrale der Messe Düsseldorf, äußert sich Messechef Wolfram N. Diener zur aktuellen Lage so: „Unsere strategische Neuaufstellung, die Sparmaßnahmen und die weitestgehend entfallenen Corona-Bestimmungen zeigen Wirkung: Wir erholen uns langsam, aber stetig von der Pandemie. Messen haben weiter eine hohe Relevanz – das wird uns immer wieder gespiegelt.“ Konnte die Messe Düsseldorf ihren Verlust im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr bereits halbieren, soll sich der Erholungskurs im laufenden Geschäftsjahr noch weiter verbessern, ein „überschaubares Minus“ wird erwartet. Ausschlaggebend für das Ergebnis sind vor allem die Herbstmessen, allen voran die K 2022, die Weltleitmesse der Kunststoff- und Kautschukindustrie.
„Messen haben weiter eine hohe Relevanz – das wird uns immer wieder gespiegelt.“
Wolfram N. Diener, Chairman of the Board Messe Düsseldorf
Zu einer vielfältigen und lebendigen Event-Szene Düsseldorf tragen natürlich noch viele weitere Anbieter und Locations bei. Das Areal Böhler an der Stadtgrenze zu Meerbusch etwa ist unter Anderem Austragungsort kleinerer Fachmessen wie zum Beispiel der Art Düsseldorf (zeitgenössische Kunst), des Digital Demo Day oder der polis Convention (Stadt- und Projektentwicklung). Die Merkur Spiel-Arena, Heimat des Fußballvereins Fortuna Düsseldorf, wird im Jahr 2024 fünf Spiele der Männer-Fußball-EM EURO austragen (s. Seite 13). Der PSD BANK DOME wird in wenigen Wochen Bühne für das internationale Musik-Highlight MTV EMAs sein (s. Seite 16). Und im Business-Bereich haben sich zahlreiche wiederkehrende Netzwerk-Veranstaltungen wie zum Beispiel Creative Mornings, Beyond Tellerrand oder LeanDUS bewährt, auch Medienhäuser wie die Rheinische Post und Handelsblatt bieten Unternehmen Plattformen zur Live-Kommunikation. Dazu kommen unzählige Eventlocations, die sich über das gesamte Stadtgebiet verteilen – von Erlebnis-Bars über Tagungshotels und Multifunktionshallen bis hin zu Event-Schiffen.
Auch wenn Corona als extremer Digitalisierungs-Beschleuniger in der Eventbranche gewirkt hat, freuen sich die meisten ihrer Beteiligten natürlich, dass aktuell wieder mehr Live-Formate möglich sind. So auch Messe-Chef Diener: „Auf einer Präsenz-Messe können Sie Produkte anfassen, Technologien im Detail erleben und den Menschen, die diese mit Leidenschaft entwickelt haben, in die Augen schauen und sich alles erklären lassen. Sie können auch sehen, was der Wettbewerb macht. Gerade Fachmessen sind für viele Besucher:innen wie eine Art Klassentreffen. Vor allem dieser menschliche Faktor lässt sich virtuell einfach nicht in der Form abbilden.“ Die großen Vorteile der Digitalisierung sieht er neben der effizienten Messevorbereitung und -begleitung (z. B. in Form von Apps) vor allem in den Bereichen Service und Community-Building. Denn dadurch können etwa auch Kunden erreicht werden, die nicht unbedingt alle paar Jahre auf eine Fachmesse müssen, weil zum Beispiel ihre Maschinen längere Produktlebenszyklen haben. „Über eine digitale Plattform können sie dennoch Networking betreiben, sehen, was bei der Konkurrenz passiert oder sich über Webinare und Workshops fort- und weiterbilden.“
Auch das Megathema Nachhaltigkeit beschäftigt die Eventbranche enorm. In einem gemeinsamen Positionspapier der AUMA etwa haben sich deutsche Messevertreter:innen, unter anderem auch der Messe Düsseldorf, zu Maßnahmen verpflichtet. Diese reichen von Abfallreduktion über intelligente Logistik-Systeme und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge bis hin zum verstärkten Einsatz von regionalen, saisonalen und biologischen Produkten im Catering. Ganz konkret wird die deutsche Messewirtschaft zum Beispiel ab 2023 Nachhaltigkeitskriterien in Ausschreibungen integrieren und bis spätestens 2025 zu 100 Prozent Ökostrom nutzen (bei der Messe Düsseldorf bereits der Fall!). Bei den Düsseldorfer Leitmessen ist das Thema schon viele Jahre integraler Bestandteil: Ausstellende Unternehmen zeigen z. B. Innovationen, die die Kreislaufwirtschaft fördern oder Initiativen wie SAVEFOOD im Rahmen der Interpack helfen dabei, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Mit der decarbXpo richtete die Messe Düsseldorf Ende September 2022 zudem erstmals eine eigene Veranstaltung aus, bei der die Dekarbonisierung der Industrie und die Speicherung von Energie im Fokus stehen.
Man hat viel gelernt in der Branche, insbesondere in puncto Digitalisierung, und sieht sich auch als Wegbereiter und Plattform für notwendige nachhaltige Zukunftslösungen. Dementsprechend wird nach vorne geblickt und neue Ziele werden gesetzt. So wie von Kongresszentrum-Chefin Maria Kofidou: „Nach erfolgreichen Herbstveranstaltungen, wie dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin, einer interdisziplinären Tagung von fünf medizinischen Fachverbänden, und dem SpoBis, Europas größtem Sportbusiness-Event mit über 4000 Teilnehmenden, stecken wir nun viel Kraft in unser Sales-Team. Unser Ziel: Noch mehr große nationale und internationale Veranstaltungen, damit meine ich Events mit 3.000 und mehr Besucherinnen und Besuchern, nach Düsseldorf zu holen.“ •
Messen als internationale Wirtschaftsförderer
Auch der Standort Düsseldorf profitiert enorm davon, wenn die Messe in Auslandsmärkten expandiert. Dies sorgte vor Corona für einen starken Anstieg an internationalen Besuchern und Ausstellern.
Mit der Neuveranstaltung FoodAfrica Cairo festigt die Messe Düsseldorf ihre Präsenz im Wachstumsmarkt Ägypten als Tor zu Afrika und zum Nahen Osten.
Damit wird die Wertschöpfung zur parallel stattfindenden pacprocess Middle Eastern Africa von der Verpack-ungs- zur Nahrungsmittelindustrie erweitert. Premiere des Duos ist im Dezember 2022.Im nordamerikanischen Markt ist sie vor kurzem eine strategische Partnerschaft mit der Association for Uncrewed Vehicle Systems International (AUVSI) eingegangen. Gemeinsam will man die weltweit führende Messe für unbemannte Systeme, die XPONENTIAL, durchführen und weiterentwickeln; der Markt dafür hat enormes Wachstumspotenzial.
Weitere neue Bausteine auf dem Expansionskurs sind die GIFA und METEC Indonesia als neue Plattformen für die aufstrebende indonesische Metallurgie- und Gießerei-Industrie. Premiere ist Mitte September 2023.
Words Tom Corrinth
Pictures Art Düsseldorf 2017/Sebastian Drüen, Messe Düsseldorf/slapa oberholz pszczulny architekten, Messe Düsseldorf/Constanze Tillmann/D.LIVE: Kai Kuczera