The end of more
In der Coronakrise haben die Menschen die meiste Zeit zu Hause verbracht. Die Arbeit wird im Homeoffice erledigt, Treffen mit Freunden und Familie finden virtuell am Rechner statt, Restaurantbesuche werden durch Lieferdienste ersetzt. Wozu sich da schminken und parfümieren, haben sich viele gedacht. Wie sehr hat sich im Maskenzeitalter der Kosmetikkonsum gewandelt? Wer sind die Gewinner? Sind Clean Beauty und nachhaltige Verpackung die neuen Treiber der Branche? Ein Interview mit Catharina Christe, General Managerin der Prestige Division bei Shiseido Germany in Düsseldorf im Medienhafen.
Dick auftragen war gestern – das spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider. Wie sehr hat die Krise das Geschäft mit der Schönheit beeinflusst? Haben sich Schmink- und Pflege-Gewohnheiten verändert?
Lippenstifte werden weniger gekauft, Makeup und Duft sind eingebrochen. Während es früher hieß: Je schlechter die Konjunktur läuft, desto besser verkauft sich Lippenstift, der kleine Luxus, boomen nun Wimperntusche und Lidschatten. Ein Augenaufschlag ist auch über einer Maske zu sehen. Die gute Nachricht ist: Es gibt keinen generellen Beauty-Lockdown. Denn gerade mit Homeoffice und Social Distancing macht eine zeitintensive Pflege-Routine für viele Sinn, zumal da Gesichtsmasken schnell Probleme wie Trockenheit oder Unreinheiten auslösen können. Das Badezimmer avancierte in den letzten Monaten zum Home Spa: Man tut sich Gutes, verwöhnt sich mit Lotionen, Cremes, Seren, Toner oder auch Masken und vertraut dabei auf international bekannte Premiummarken wie Shiseido – seit 20 Jahren Deutschlands Marktführer in der selektiven Gesichtspflege.
„Eine Mund-Nasen-Schutzmaske
bedeutet einen halbierten Markt.“
Was waren Ihre bislang größten Herausforderungen seit dem Wechsel zu Shiseido?
Keine Frage – der erste Lockdown im März. Zeitgleich war eine Lancierung unserer – neben den Marken Benefiance und Bio-Performance – dritten Skincare-Linie Vital Perfection geplant. Wir waren überall präsent: 1000 Schaufenster in den Parfümerien deutschlandweit entsprechend dekoriert, die größte Out-of-Home-Werbung (Superposter und digitale Stelen) sollte starten, die komplette Media-Kampagnen liefen an und wir segelten mit unserem bisher größten Investment direkt in den Lockdown. Was tun? Wir haben nichts gestrichen, nichts gekürzt, stattdessen die Sichtbarkeit über Wochen hochgehalten. Denn anders als in Frankreich oder Italien, konnten wir hier ja spazieren gehen und durch die Straßen bummeln. So haben wir während der Ladenschließungen allein 16 000 Tiegel der neuen hochpreisigen Serie verkauft und uns als Gewinner in der Krise behauptet.
Wie sind die Aussichten?
Bislang liegt unser Umsatzrückgang insgesamt im einstelligen Bereich. Doch keiner kann ahnen, wie es am Ende des vierten Quartals nach dem Weihnachtsgeschäft ausgeht. Eine Mund-Nasen-Schutzmaske bedeutet eben einen halbierten Markt, was insbesondere die dekorative Kosmetik mit einem Rückgang von mindestens 30 Prozent spürt. Hinzukommt, dass Concealer, Lippenstift und Co. nicht mehr im Laden ausprobiert werden können, bevor der Kunde sich für ein Produkt entscheidet. Neben Online-Tutorials mit Schminkanleitungen, haben wir deshalb die Verkäuferinnen mit Face Charts ausgestattet, so dass sich die Kundin ihr Make up auf Papier zeichnen kann. Doch ich bin zuversichtlich: Der Mensch verwendet seit jeher Kosmetik, um besser auszusehen und um sich wohlzufühlen. Das verschwindet auch nicht durch Corona.
Die Krise beschleunigt etliche Entwicklungen. Welche neuen Tendenzen werden Shiseidos Geschäfte beflügeln?
Plakativ gesagt: “The end of more“. Weniger und nachhaltige Verpackung, Glastiegel und wenn schon Plastik dann 100 Prozent recycelt. Zentral wichtig: Schönheit definiert sich wieder möglichst clean. Der Trend geht zu Natürlichkeit und Pflege. Entscheidend ist, was in den einzelnen Produkten steckt – oder eben nicht enthalten ist: Also Verzicht auf Inhaltsstoffe, die die Haut reizen – wie Paraffinöle, synthetische Duftstoffe, Silikone, synthetische Lichtschutzfaktoren. Die Wirkstoffe müssen biokompatibel, hautidentisch sein so wie bei der von Shiseido vor ein paar Monaten übernommenen Clean Beauty Brand Drunk Elephant. Unterschiedliche Hauttypen und Alter spielen keine Rolle – Haut ist hier Haut. Mit der in den USA gegründeten Beauty-Start-up-Marke hatten wir das Glück, gemeinsam mit Europas Beauty-Marktführer Douglas als erstes kontinentaleuropäisches Land die Marke in Deutschland zu lancieren. Und die Marke „fliegt“–
besonders bei Millennials, der Generation Z sowie zahlreichen Influencern und Stars.
Gerade japanische Marken wie Shiseido (1872 gegründet, weltweit einer der ältesten Kosmetikkonzerne der Welt und seit 40 Jahren in Deutschlands Beauty-Hauptstadt Düsseldorf verwurzelt) sind bei uns sehr begehrt. Was können wir in Sachen Kosmetik- und Schminkgewohnheiten von den Asiaten lernen?
Reinigung ist der Anfang aller Pflege. Asiatinnen sind an tägliche, mehrstufige Pflegerituale gewöhnt. Diese reichen von einer gründlichen und schonenden Reinigung bis hin zu einer intensiven Nährung und Pflege der Haut. Beauty wird viel mehr als bei uns mit Entspannung und Wohlfühlen verbunden. •
Shiseido Germany
Kaistr. 20a, 40221 Düsseldorf, Germany
www.shiseido.de
Catharina Christe
Catharina Christe ist seit 1. Oktober 2019 General Managerin der Prestige Division bei Shiseido Germany im Düsseldorfer Medienhafen. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bamberg sowie der Warwick Business School in Großbritannien, war für die Wahldüsseldorferin (41) schnell klar, dass es ein Job in der Beauty Industrie sein sollte. Nach Stationen, u.a. bei Henkel, wo sie zuletzt für das Internationale Haarcolorationsgeschäft zuständig war, führte ihr Weg sie zur Luxusmarke Dior. Dort leitete sie vier Jahre das Deutsche Marketing.
Words Dagmar Haas-Pilwat
Pictures Shiseido / Adrian Bedoy