The Future of Food

Ernährungs-Experte Fabio Ziemßen unterstützt mit seinem Food Growth Fund ZINTINUS die Finanzierung von Startups aus den Bereichen Clean Nutrition, Alternative Protein und Functional Food und leitet den Bundesverband für alternative Proteinquellen. Mit VIVID sprach der Investor und Lobbyist darüber, wie wir uns in Zukunft ernähren werden.

Fabio, welche großen Ernährungstrends zeichnen sich für die Zukunft ab?
Nachhaltigkeit, Gesundheit und Funktionalität gehören zu den wichtigsten Megatrends in der Ernährung. Es steigt das Bewusstsein dafür, dass wir durch Essen Nahrung aufnehmen, die unseren Körper mitgestaltet. Wir werden zukünftig stärker darauf achten, was genau wir zu uns nehmen. Welche Historie und welchen Footprint hat das Lebensmittel? Ist es nachhaltig angebaut oder belastet es die Umwelt? Ist es tierischen Ursprungs oder aus Ländern mit schlechten Arbeitsbedingungen? Je mehr wir uns mit cleanen Lebensmitteln befassen, desto mehr haben wir das Gefühl, pure Stoffe und somit reine Energie aufzunehmen. Du bist, was du isst.

Gesunde Ernährung bekommt einen immer größeren Stellenwert in der Gesellschaft. Welche Entwicklungen erwarten uns bei Health Food und Nahrungsergänzungsmittel?
„Food becomes medicine“ ist derzeit eines der ganz großen Themen. Menschen wollen länger und perfomanter leben und erkennen, dass Lebensmittel der Hebel dazu sind. Uns erwartet ein Mix aus personalisierter Ernährung und gesunden Alternativen zu konventionellen Lebensmitteln. Ob Gut Health oder Mental Health: Kapseln, Riegel oder Snacks helfen auf eine möglichst einfache Art, den täglichen Haushalt an Nährstoffen aufzunehmen. Gesunde Drinks, Mixturen und Shots liefern einem einen abgestimmten Vitaminmix oder empfohlene Probiotika. Hinzu kommen Messbarkeit und Personalisierung: Tracker wie Ringe und Uhren messen Körperdaten und auf Basis von Bluttests geben Experten persönliche Ernährungstipps.


Food becomes medicine‘ ist derzeit eines der ganz grossen Themen.

Nachhaltige Hafermilch zum selber mischen: Das Berliner Start Up Blue Farm will bis 2025 bis zu 50.000.000 Getränkekartons einsparen.

Wie beeinflusst die neue Arbeitswelt unsere Ernährung?
Wie wir arbeiten, hat einen immensen Einfluss auf die Form, wie wir uns ernähren. Der Mensch wird immer mobiler, demnach ändern sich seine Bedürfnisse und Abläufe. Viele frühstücken morgens gar nicht mehr, essen mittags im Office was Gesundes auf die Schnelle, um dann abends üppig mit Freunden essen zu gehen und Food regelrecht zu zelebrieren. Wir haben immer weniger Zeit und wollen nahrhafte Convenience Produkte und gesunde Alternativen zu Cerealien und Cup Nudeln. Fertiges Health Food, Snackriegel mit breiterem Ernährungsprofil, Porridge on the go oder Instant Nudeln mit Nutriscore A – viele Startups beschäftigen sich mit diesen Kategorien. Vor allem der Snackbereich nimmt Fahrt auf, mit gesunden Alternativen zu Schokoriegeln, Getränken mit weniger Zucker, und natürlich auch den vielen nichtalkoholischen Drinks.

Es gab in den letzten Jahren ein erhöhtes Bewusstsein für klimafreundliche Ernährung. Inwieweit hat Essen Einfluss auf den Planeten?
Wir haben jahrelang als Bevölkerung so gelebt, als wären die Ressourcen unendlich. Jetzt erkennen wir, das der Lebensmittelsektor den zweitgrößten Einfluss aller Industrien auf die Umwelt hat. Der Klimawandel und Pandemien zeigen uns Grenzen auf. Wir können einfach nicht mehr so weitermachen. Wie ineffizient das Food System ist, zeigt auch die enorme Lebensmittelverschwendung. Wir Menschen stehen in der Verantwortung – durch bewussten Konsum von Lebensmitteln, durch den Kauf nachhaltiger, pflanzlicher und heimischer Produkte. Die Kaufentscheidung jedes einzelnen hat am Ende einen großen Impact.


Der Burger der Zukunft: Der Captain Future Burger bei What's Beef mit pflanzenbasierten Steak soll auch Fleischesser überzeugen.

Wie weit ist man hierzulande bei pflanzenbasierter Ernährung?
Deutschland ist bereits sehr weit bei dem Thema der pflanzenbasierten Ernährung. Wenn ich den Blick nach Frankreich oder Italien werfe, werden wir als fortschrittliches Land gesehen. Hier steckt eine starke Möglichkeit, dies als nationales Narrativ zu verwenden für die Technologiefreudigkeit im Ernährungssektor. Dabei entwickeln sich die Lebensmittelsektoren unterschiedlich. Bei Milch sind wir mit den vielen pflanzlichen Alternativen bereits sehr fortgeschritten, bei Käse hingegen sind wir noch weit weg.

Als Vorstand und Gründer vom Bundesverband für alternative Proteinquellen bist du Experte auf dem Gebiet. Welche Innovationen gibt es vor allem bei Fleischalternativen?
Die nächste Generation von Fleischersatz kommt mit weniger Zutaten und Zusatzstoffen aus und ist näher am Original. Der Massenmarkt sind nicht die Vegetarier, sondern Fleischesser. Es wird mit Fermentationstechniken gearbeitet, um das Umami Flavour hinzubekommen, Mikroorganismen eingesetzt, um Strukturen zu verändern und mit Pilzen und Myzelien experimentiert, die in ihrer Faserigkeit perfekt als Fleischersatz dienen. Ein Beispiel ist der Captain Future Burger mit dem Steak von Planted und dem Bacon von La Vie, den ich mit Selim Varol für What’s Beef entwickelt habe. Da merkt man keinen Unterschied mehr zu Fleisch. Das erleichtert Konsument:innen den Weg in die fleischlose Ernährung eher als Seitan Bratlinge.


Alles in einem Produkt: Mit über 70 Inhaltsstoffen soll das Nahrungsergänzungsmittel AG1 für den täglichen Nährstoffboost im komplexen Alltag sorgen.

Welchen Stellenwert hat Düsseldorf für Food Innovatoren?
An Düsseldorf bemerkenswert ist die tolle Community an Akteuren, die in den Foodbereich investieren: Katjes Greenfood, Simon Capital, Picnic, den Food Hub NRW, der als Community Builder sehr viel macht. Wir haben Just Spices als sehr erfolgreiches ehemaliges Start-up und Unternehmen wie METRO. Es gibt hier viele Player, die in der Region ihren Footprint hinterlassen haben. Zudem haben wir in Düsseldorf eine sehr starke Kaufkraft. Das ist ein fruchtbarer Humus für Neues. Düsseldorf hat eine ultradiverse kulinarische Vielfalt – für Startups aus dem Gastrobereich ebenso perfekt wie für die Lancierung neuer Produkte.

Wie sieht der Supermarkt der Zukunft aus?
Der Supermarkt der Zukunft wird Genuss mit Funktionalität verbinden und deutlich weniger Lebensmittel konventionellen Ursprungs im Sortiment haben. Das Erlebnis am Point of Sale und die Inszenierung von Lebensmitteln stehen im Fokus: integrierte Gastronomiekonzepte, personalisierte Empfehlungen, Automaten, die mir individuelle Kochboxen kreieren werden und Convenience Food schockfrosten. Viele Commodity Produkte werden zukünftig automatisch nach Hause geliefert, daher wird der Supermarkt zum Ort, an dem Lebensmittel erlebbar werden. •


About Fabian Ziemssen

Impact Investor, Impact Lobbyist und Community Builder: Als Gründung-Partner bei ZINTINUS, einem Food Growth Fund, ist Fabio Ziemßen verantwortlich für die Finanzierung und Unterstützung von Startups aus dem Bereich Alternativer Proteinquellen, Clean Nutrition, Functional Food und Reduzierung von Foodwaste. Als Vorstand und Gründer vom Bundesverband für alternative Proteinquellen (Balpro e.V.) setzt sich Fabio für die Vernetzung, den Dialog und die Gestaltung im Segment der Alternativen Proteinquellen ein. Der Bundesverband wurde 2019 gegründet und zählt über 130 Akteure. Zuvor war er als Geschäftsführer des Tochterunternehmens NX-Food für die METRO AG tätig. Die Zeitschrift Capital wählte Fabio Ziemßen zum "Top40under40" und Anfang 2020 wurde er vom Weltwirtschaftsforum mit dem Titel "Young Global Leader" ausgezeichnet.


Words: Karolina Landowski
Pictures: Kitchentown, Blue Farm, What’s Beef Friendchise GmbH, AG1