The priority is always the physical trade fair
Für die Internationalität der Stadt unverzichtbar ist die Messe Düsseldorf. Wie sie mit Hybrid-Formaten aus Präsenz- und Digitalveranstaltungen sowie einer pragmatischen Strategie Corona trotzen will, erfuhr VIVID im Interview mit dem neuen Messechef Wolfram Diener.
Am 1. Juli 2020 haben Sie die Nachfolge von Werner M. Dornscheidt angetreten, der die Messe Düsseldorf 17 Jahre als Vorsitzender der Geschäftsführung maßgeblich geprägt hat. Wie bauen Sie auf seine „Vorarbeit“ auf?
Werner M. Dornscheidt und ich haben ähnliche Prinzipien, wie man Messebusiness betreibt. Für uns beide essenziell ist zum Beispiel der uneingeschränkte Fokus auf den Kunden, der Dienstleistungsgedanke. Und wir konzentrieren uns auf die Internationalität von Messen. Das Ergebnis: Mehr als ein Dutzend unserer Veranstaltungen in Düsseldorf sind die weltweit führenden Messen ihrer jeweiligen Branche. Hinzu kommen zahlreiche Veranstaltungen weltweit, die als Plattformen für lokale Industrien fungieren. Das, was mein Vorgänger aufgebaut hat, baue ich konsequent aus – natürlich in meiner eigenen Weise. Zum Beispiel möchte ich die Internationalität der Messe Düsseldorf noch konsequenter vorantreiben.
„Wir betrachten jede
Veranstaltung individuell.“
Sie starten mitten in der Corona-Pandemie. Messen sind deswegen ausgefallen oder wurden verschoben. Nun setzen Sie unter anderem auf „hybride Messen“. Wie funktionieren die genau?
Unser Modell „Hybride Messe“ ist eine Kombination aus physischer und virtueller Messe. Die virtuelle Darstellung umfasst dabei viele Komponenten: Für die Produkt- oder Service-Präsentation an sich haben wir zum Beispiel die „Exhibition Space“ als virtuellen Showroom geschaffen, der Education-Part etwa in Form von Webinaren oder Webkonferenzen zum Know-how-Transfer wird in der „Conference Area“ abgebildet und auf der „Networking Plaza“ finden Branchenakteure über das neue Matchmaking Tool für sie relevante Teilnehmer, mit denen sie in Kontakt treten und sich austauschen können. Diese virtuellen Komponenten stimmen wir ergänzend genau auf die Präsenzveranstaltung ab.
„Wir müssen uns die Frage stellen, ob sich eine
bestimmte Branche mit ihren Produkten oder
Services auch virtuell darstellen lässt.“
Der CARAVAN SALON fand im September 2020 live vor Ort statt. Die MEDICA wurde im November dagegen komplett virtuell organisiert. Nach welchen Kriterien legen Sie das Veranstaltungsformat fest?
Mit Bezug auf Corona heißt unsere Taktik: Wir betrachten jede Veranstaltung individuell. Die Entscheidung über die Durchführung einer Messe sollte auf einer möglichst aktuellen Grundlage fußen. Dies verhindert, dass für die jeweiligen Industrien wichtige Messen voreilig nicht stattfinden können. In jedem Fall entscheiden wir immer gemeinsam mit unseren Partnern und Kunden gewissenhaft und rechtzeitig über das Stattfinden einer Messe. Dabei berücksichtigen wir stets die für jede Branche individuellen Vorbereitungszeiten und Fristen für eine Messebeteiligung. Priorität hat immer die Präsenz-Messe. Wenn das nicht möglich ist, müssen wir uns die Frage stellen, ob sich eine bestimmte Branche mit ihren Produkten oder Services auch virtuell darstellen lässt. Die ProWein eignet sich zum Beispiel kaum dafür: Man kann zwar gut mit Wein online handeln, aber Dinge wie die Weinprobe, wo Sinne und Emotionen eine Rolle spielen, oder auch die soziale Interaktion sind in der Weinbranche besonders wichtig – das lässt sich digital nicht umsetzen. Wenn der Anteil überseeischer Besucher und Aussteller bei einer Messe sehr hoch ist, ist das Thema Reisebeschränkungen natürlich wichtig. Den CARAVAN SALON haben wir auch deshalb als Präsenzmesse durchführen können, weil die Besucher hauptsächlich aus Europa kommen.
Wie schaffen Sie es in Corona-Zeiten, ausländische Aussteller und Besucher nach Düsseldorf zu holen bzw. virtuell einzuladen?
Vor allem über Social Media, über Newsletter oder im direkten Kontakt mit unseren 77 Auslandsrepräsentanzen weltweit. Es gibt aber leider auch einige praktische Beschränkungen wie zum Beispiel das Thema Quarantäne oder die eingeschränkte Verfügbarkeit von vielen Visa-Stellen im Ausland. Ich sehe aber auch positive Entwicklungen. Die meisten politischen Entscheidungsträger haben den starken Willen, mit den Maßgaben der Corona-Schutzverordnung und Sicherheitsvorkehrungen einen Rahmen zu schaffen, dass weiter Business gemacht werden kann. Es gibt auch Gespräche zwischen europäischen Regierungen, dass man Geschäftsreisen innerhalb der EU ermöglichen will. Sowas ist unter anderem von der Genehmigung von Schnelltests abhängig. Vieles ist also im Fluss.
Warum braucht Düsseldorf gerade in dieser herausfordernden Situation die Messe, um sich international zu profilieren?
Die Messe ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Düsseldorf. Die internationalen Gäste gehen einkaufen, besuchen Restaurants und übernachten hier. So geht ein Drittel aller Hotelübernachtungen in der Stadt auf das Düsseldorfer Messe- und Kongressgeschäft zurück. Hinzu kommt unsere internationale Präsenz, die auch auf die Stadt einzahlt. Und es gibt, wie gesagt, ja auch Business, das derzeit ohne Reisen und Präsenz auskommt und trotzdem mit Düsseldorf in Verbindung gebracht wird. •
https://www.messe-duesseldorf.de/
Wolfram Diener
• Since July 2020: Chairman of the Board of Management Messe Düsseldorf
• 2018 to 2020: Managing Director for operational trade fair business at Messe Düsseldorf
• 2011 to 2018: Member of the Management Board of UBM Asia (now Informa Markets), Hong Kong: responsible for trade fairs in China and for jewellery and gemstone fairs worldwide
• 2005 to 2011: Deputy Managing Director at Venetian Macau Ltd / Marina Bay Sands Singapore Ltd: Operation of the exhibition and congress centre, hotel logistics
• 2001 to 2005: Managing Director Shanghai New International Expo Centre Ltd.
• 1997 to 2001: Managing Director Asian Operations, Messe Frankfurt (H.K.) Ltd.
This is how international Messe Düssedorf is:
• In 2019 alone, 472,800 visitors and 19,300 exhibitors came from abroad. This corresponds to 73 percent of all exhibitors, and the proportion of foreign visitors is increasing year after year.
• The fair has a global network of 77 foreign representatives, including 7 subsidiaries, in 141 countries
• Tourism factor: According to a study by the ifo Institute, the fair generates an average of 36.3 million euros in additional tax revenue per year. Added to this are purchasing power effects of 1.66 billion euros and 16,664 jobs
Words: Tom Corrinth
Pictures: PR, Messe Düsseldorf / Andreas Wiese
(Der Artikel wurde bereits im November 2020 geschrieben)