Try out and Learn
Die Arbeitswelt verändert sich in hohem Tempo, vor allem durch den Fortschritt der Künstlichen Intelligenz. Markus Albers, Experte für digitale Transformation, plädiert für mehr Mut: im Umgang mit neuen Technologien und zu flexibleren Arbeitsmodellen.
Herr Albers, Sie beschäftigen sich seit langem mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. In den letzten Monaten und Jahren hat hier vor allem das Thema Künstliche Intelligenz (KI) für große Diskussionen gesorgt. Die Skepsis angesichts des rasanten Umschwungs durch KI ist groß. Wie blicken Sie auf diese Entwicklung?
Es ist unstrittig, dass KI unsere Arbeitswelt stark verändern wird. Vor allem generative KI wird das tun, also solche, die selbständig neue Inhalte wie Texte, Bilder, Audio oder andere Daten erzeugt. Angesichts der rasanten Entwicklung in diesem Bereich ist es meiner Ansicht nach ratsam, dass wir uns – bei aller teils berechtigten Skepsis – nicht davon abhalten lassen, diese Tools zu nutzen. Stattdessen sollten wir uns dem Thema stellen und Dinge einfach mal ausprobieren. Nur so lernen wir, mit KI umzugehen und sie sinnvoll einzusetzen. Schon heute gibt es ja immer mehr dieser KI-gesteuerten „Assistants“ – ich behaupte, eine der wichtigsten Kompetenzen in der zukünftigen Arbeitswelt wird sein, mit solchen nicht-menschlichen Kollegen zusammenzuarbeiten.
Lassen Sie uns trotzdem noch auf die Befürchtungen im Zusammenhang mit generativer KI eingehen. Eine davon ist, dass kreative Berufe wie Designer, Texterin oder Komponist durch den vermehrten Einsatz von KI ersetzt werden. Was ist Ihre Einschätzung dazu?
Ich kann solche Befürchtungen zum Teil nachvollziehen, aber letztlich glaube ich, dass unsere menschliche Kreativität durch KI nicht eingeschränkt werden wird. Vielmehr sehe ich die Chance, dass wir durch sie immer mehr Werkzeuge an die Hand bekommen, die uns von unliebsamen Routinetätigkeiten befreien. Ich beobachte es selbst schon in der Digitalagentur C3, deren Beratungsbereich ich leite: Hier kann uns KI bereits sehr gut unterstützen, zum Beispiel bei der Recherche, der Zusammenfassung oder Übersetzung von Texten oder bei der Bildgestaltung. Die Ergebnisse müssen dann in der Regel noch von Menschen überprüft oder bearbeitet werden, aber diese Tools sparen unheimlich viel Zeit – und bringen uns oft auch auf neue Ideen, sie können die eigene Kreativität beflügeln. Es kommt also meines Erachtens vor allem darauf an, was wir draus machen! Also ob wir das, was KI uns an Inhalten liefert, mit Sinn und Verstand nutzen.
Lassen Sie uns über weitere potenzielle Vorteile sprechen: Inwiefern kann KI zum Beispiel angesichts des Fachkräftemangels von Vorteil sein?
Das ist ein interessanter Punkt. Viele Expertinnen und Experten hoffen infolge von KI in vielen Branchen auf eine höhere Effizienz und massive Produktivitätszugewinne. Ich selbst halte das nicht für unwahrscheinlich, schließlich nimmt uns KI etwa bei der Datenverarbeitung oder bei der Bewältigung von Logistikströmen in der Industrie schon jetzt eine Menge Arbeit ab. KI hat also sicher lich das Potenzial, den Fachkräftemangel auszugleichen und Unternehmen somit wettbewerbsfähig zu halten. In der Fachwelt ist sogar schon bisweilen die Rede davon, dass uns durch vermehrten Einsatz von KI eines Tages buchstäblich die Arbeit ausgeht. Dieses Szenario halte ich aber für unwahrscheinlich – wir Menschen werden dann andere Tätigkeiten ausüben.
Sie setzen sich in Vorträgen und Publikationen auch mit dem Thema der 4-Tage-Woche auseinander – und praktizieren diese mittlerweile sogar selbst. Inwiefern kann KI bei der Umsetzung solcher neuer Arbeitsmodelle womöglich ebenfalls hilfreich sein?
Wie schon angedeutet, wird uns in vielen Branchen durch KI eine ganze Mannschaft kostenloser Assistenten zur Seite gestellt. Das erlaubt uns, uns auf höherwertige, anspruchsvollere Arbeit zu konzentrieren. Im besten Fall auf Tätigkeiten, die uns Sinn geben und uns erfüllen. Damit einher kann durchaus in manchen Fällen auch eine Reduzierung der Arbeitszeit gehen.
In der öffentlichen Diskussion wird vielfach aber auch Kritik an einem solchen Modell geübt. Inflation, hohe Energiepreise und andere allgemeine Unsicherheiten werden hier ins Feld geführt. Wie stehen Sie dazu? Und ist vor diesem Hintergrund der Ruf nach einer 4-Tage-Woche nicht ein bisschen gewagt?
Das Modell wird tatsächlich sehr kontrovers diskutiert. Wenn wir beispielsweise von einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich sprechen, bin auch ich sehr skeptisch. Denn so hoch, dass es sich für Unternehmen und Arbeitgeber rechnen würde, sind die Produktivitätsgewinne infolge von KI bislang nicht. Und mir ist selbstverständlich auch klar, dass es für viele Menschen gar keine Option ist, einen Tag weniger zu arbeiten und auf einen Teil des Gehalts zu verzichten. Wenn ich also ein solches Modell befürworte, tue ich dies aus einer sehr privilegierten Position heraus. Ich beobachte aber auch, dass es für viele, die es sich „leisten“ können, ebenfalls eine Überlegung wert ist. Damit verbunden ist sicherlich ein Sinneswandel: Ich muss nicht immer Vollgas geben, ich darf aus dem Hamsterrad aussteigen und mir Zeit nehmen, um meine eigenen Ideen und Träume zu verwirklichen. Ich denke, hier sollte der eine oder andere Arbeitgeber ebenfalls umdenken und erkennen, dass auch Teilzeit-Mitarbeitende einen wichtigen Beitrag leisten und sich durchaus dem Betrieb zugehörig fühlen können – gerade weil ihnen Zeit für Eigenes bleibt und sie so womöglich zufriedener sind.
Verraten Sie uns bitte noch: Was hat für Sie den Ausschlag für die 4-Tage-Woche gegeben? Und wie setzen Sie sie gerade als Unternehmer und Führungskraft um?
Ich hatte in einem sehr verdichteten Arbeitsalltag irgendwann das Bedürfnis, mal wieder durchzuatmen, zu reflektieren und gewissermaßen meinen mentalen Akku aufzuladen. Ich denke, das ist gerade in der Wissensarbeitsbranche, in der ich tätig bin, besonders wichtig – und wird gleichzeitig immer schwieriger. Wir sitzen ja ständig in Meetings oder Calls und sind damit beschäftigt, uns auszutauschen und zu kollaborieren! Anfang 2023 habe ich dann für mich beschlossen, in der Woche einen freien Tag einzulegen. Seitdem bin ich mittwochs „off“ und wirklich nur in Notfällen zu erreichen. Ich war in meinem Arbeitsumfeld übrigens längst nicht der erste, der diese Idee hatte. Allerdings hatte ich anfangs doch einige Zweifel und habe mich gefragt: Funktioniert das? Auch als Führungskraft? Und meine vorsichtige Antwort lautet heute: Ja, das tut es. Ich glaube, wenn man sehr transparent und selbstbewusst damit umgeht – also keinesfalls defensiv oder verschämt –, dann versteht das am Ende auch das Arbeitsumfeld, seien es die Mitarbeitenden oder die Vorgesetzten. Diejenigen, die die Möglichkeit und Mittel dazu haben, kann ich also nur ermutigen, es auszuprobieren. •
INTERVIEW ELENA WINTER
PICTURES PR, TOBIAS KRUSE, HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG FROM BERLIN, DEUTSCHLAND - CC BY-SA 2.0, IAA NEW MOBILITY WORLD, UNSPLASHED/GOOGLE DEEPMIND