Electricity generated on your own roof

 

Wenn es um entschlossenes Vorgehen gegen den Klimawandel geht, liegen gerade viele Hoffnungen auf der neuen Bundesregierung. Was aktive Klimaschutzpolitik in der Praxis bedeuten kann, erzählte uns Tim Loppe, Pressesprecher bei der Naturstrom AG. 

 

Als der Ökostrombieter Naturstrom vor über 20 Jahren in Düsseldorf gegründet wurde, leistete er so etwas wie Pionierarbeit: Das Thema erneuerbare Energien steckte in den Kinderschuhen, als 1998 der Strommarkt liberalisiert wurde. „Zuvor hatte es noch keine unabhängigen Stromanbieter gegeben, schon gar nicht für Ökostrom. Sechszehn Privatpersonen aus dem Umfeld der Umweltbewegung nutzten daher die Gunst der Stunde, um mit Strom aus ausschließlich regenerativen Quellen eine Alternative zu den Stadtwerken anzubieten“, erzählt Tim Loppe, Pressesprecher der Naturstrom AG. Ökostrom sei seinerzeit eine Nische gewesen, den Stromanbieter zu wechseln völliges Neuland für alle Beteiligten. Erst 2005 wurde durch eine Gesetzesänderung die Bundesnetzagentur damit betraut, den Strommarkt zu regulieren und einheitliche und diskriminierungsfreie Wechselprozesse zu gewährleisten – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Naturstrom AG in den Folgejahren rasant wachsen konnte. Den eigentlichen Startschuss gab aber die Veröffentlichung des UN-Klimaberichts im Jahr 2007, der ein schnelleres Fortschreiten des menschengemachten Klimawandels als zuvor angenommen bescheinigte. Er änderte das Bewusstsein vieler Verbraucher und verlieh dem Ökostrommarkt Aufschwung. 

Inzwischen hat Naturstrom 300.000 Kunden, größtenteils private Haushalte, aber auch mehr als 20.000 Gewerbekunden, am Netz. „Wir sind damit der größte unabhängige Ökostromanbieter in Deutschland“, so Tim Loppe. Laut Statista.de lag der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Deutschland im Januar 2022 bei rund 49,5 Prozent, im Jahr 2021 bei insgesamt 45,7 Prozent. Im Jahr 2019 bezogen immerhin schon 12,67 Millionen Personen in Deutschland Ökostrom, eine Anzahl, die seit 2015 konstant angestiegen ist. 

Tim Loppe, Press spokesman, Naturstrom AG

„Wir sind damit der größte unabhängige Ökostromanbieter in Deutschland.“
 

Die Naturstrom AG hat aber nicht nur Ökostrom, sondern auch Biogas im Portfolio, betreibt eigene Solar- und Windparks, bietet E-Mobilität-Produkte sowie eine lokale Wärmeversorgung in Kommunen über Nahwärmenetze an. Dass viele Projekte für neue Ökostromanlagen durch eine überbordende Bürokratie und endlose Genehmigungsverfahren über Jahre verzögert werden, ist dabei leider Realität. Gibt es Hoffnung, dass Robert Habeck als Minister für Wirtschaft und Klimaschutz diese Regelungen bald ändert? „Natürlich hoffen wir, dass einiges vorangeht, was bei der alten Regierung nicht gerade prioritär behandelt wurde“, so Tim Loppe. 

Der anfänglichen Befürchtung vieler Verbraucher, der Regierungswechsel bringe vor allem steigende Energiepreise mit sich, tritt er entgegen. „Die Preise sind für Verbraucherinnen und Verbraucher stark gestiegen, die Ursachen liegen allerdings woanders. Wir erleben seit dem Herbst eine Krise der fossilen Brennstoffe. Insbesondere Erdgas ist an den Energiemärkten seit ein paar Monaten so teuer ist wie nie. Das wirkt sich nicht nur auf die Heizkosten aus, denn Gas wird auch zur Stromerzeugung genutzt.“ Mondpreise von bis zu 35 Cent pro Kilowattstunde an der Strombörse gehen laut Tim Loppe auf die hohen Gaspreise zurück, für die es in den letzten Monaten mehrere Ursachen gab: Seit Ende Februar treibt der Krieg in der Ukraine die Preise, im Herbst 2021 waren andere Faktoren bestimmend. Dazu gehörten die wirtschaftliche Erholung nach den Lockdowns 2020 genauso wie Dürreperioden in China und den USA, die dazu führten, dass Wasserkraftwerke weniger Strom liefern konnten und stattdessen mehr Gas importiert wurde. Hinzu kamen hierzulande niedrige Füllstände der Gasspeicher zu Beginn der Heizperiode, bedingt auch durch den kalten Winter 2020/21. „Insbesondere im Wärmemarkt, aber auch im Strommarkt sind wir in Deutschland immer noch viel zu sehr von fossilen Brennstoffen abhängig und daher anfällig bei Preiskapriolen der Rohstoffmärkte“, resümiert Loppe. „Mit erneuerbaren Energien machen wir uns unabhängiger. Wind und Sonnenschein kann uns niemand nehmen. Und moderne Wind- und Solarparks produzieren den Strom deutlich günstiger als jedes neu errichtete Kohle- oder Gaskraftwerk.“

Die Politik ist gefordert, den Bau neuer Windkraftanlagen wie dieser hier in Trendelburg, Hessen, zu unterstützen. Stehen diese Anlagen einmal, produzieren sie nahezu kostenlos Strom. 

Den Ausstieg Deutschlands aus der Braunkohleförderung und die schrittweise Abschaltung von Atomkraftwerken sieht er nicht als Problem an, wenn es um die zukünftige Stromversorgung des Landes geht. „Deutschland ist ein Netto-Stromexporteur, d. h. wir erzeugen mehr als wir verbrauchen. Dennoch wird sich im Stromsystem einiges ändern müssen, wenn die fossilen Kraftwerke wirklich vom Netz gehen. Für uns bedeutet das definitiv einen Auftrag: mehr Ökostromanlagen zu bauen! Klar, das geht nicht von heute auf morgen. Aber gerade deshalb müssen wir unsere Anstrengungen nun deutlich erhöhen.“

Hier seien vor allem Wirtschaft und Politik gefordert. „Bis 2030 sollen 80 Prozent unseres Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Quellen kommen. Die Bundesregierung muss schnell die Voraussetzungen schaffen, damit Unternehmen besser in Erneuerbare investieren können – denn das wollen sie! Nicht nur die Energiebranche scharrt mit den Füßen, auch Unternehmen anderer Branchen wollen selbst investieren oder sich mit grüner Energie versorgen lassen. Initiativen wie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft oder die Stiftung KlimaWirtschaft, in der auch Dax-Unternehmen Mitglieder sind, liefern viele Beispiele hierfür“, ist sich Tim Loppe sicher. 

„Bis 2030 sollen 80 Prozent unseres Stroms in Deutschland
aus erneuerbaren Quellen kommen.“

Demzufolge blickt die Naturstrom AG auch optimistisch in die Zukunft, insbesondere, wenn es um dezentrale Stromversorgung geht. „Hier sehen wir sehr große Potenziale, erneuerbare Energien direkt in den Städten zu gewinnen. Dazu gibt es fantastische Möglichkeiten, besonders für Photovoltaik-Anlagen. Wenn der Sonnenstrom direkt im Hausnetz verbraucht werden kann, profitieren auch Menschen in Mehrfamilienhäusern ganz unmittelbar von der Energiewende. Wenn solche Konzepte flächendeckend kommen, sind wir schon ein wichtiges Stück weiter“, freut sich Tim Loppe. •

www.naturstrom.de


Words Katja Vaders
Pictures Naturstrom AG